Konzepte und Maßnahmen zum Umgang mit sozio-technischen Herausforderungen bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle (SOTEC-radio)
- Projektteam:
Kuppler, Sophie (Projektleitung 2017-2019), Peter Hocke (Projektleitung 2019-2020), Stefanie Enderle, Elske Bechthold (Projektassistenz)
- Förderung:
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)
- Starttermin:
2017
- Endtermin:
2020
- Projektpartner:
Öko-Institut e.V., Forschungszentrum für Umweltpolitik (FFU) der FU Berlin
- Forschungsgruppe:
Projektbeschreibung
Wie soll die Standortsuche, der Bau und Betrieb eines Endlagers insbesondere für hochradioaktive Abfälle ausgestaltet werden? Wie wird die langfristige Zwischenlagerung organisiert, die bis zum Bau eines solchen Endlagers erforderlich ist? Zur Beantwortung dieser Fragen leistet der naturwissenschaftlich-technische Sachverstand wesentliche Beiträge. Daneben braucht man jedoch zur Vorbereitung und Realisierung von Maßnahmen zur Entsorgung der radioaktiven Abfälle auch sozialwissenschaftliche Erkenntnisse, z.B. über die sozialen Dynamiken bei der Standortauswahl.
Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass eine erfolgreiche Standortauswahl nicht nur eine Fortschreibung des naturwissenschaftlich-technischen Wissens, sondern auch die Berücksichtigung und den konstruktiven Umgang mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Erwartungen erfordert. Forschungen zeigen außerdem, dass Wechselwirkungen zwischen den technischen und sozialen Faktoren bestehen. Die Entsorgung radioaktiver Abfälle stellt vor diesem Hintergrund eine soziotechnische Aufgabe dar, die über die bekannten disziplinären Forschungsgrenzen hinweg adressiert und analysiert werden muss. Forschungsbedarf wurde zu folgenden Fragen identifiziert:
- Wie wirken in Entscheidungsprozessen Technik und Gesellschaft zusammen?
- Wie beeinflussen politische, rechtliche und soziale Rahmenbedingungen die für die Endlagerung ausgewählten Technologien bzw. Endlagerkonzepte?
- Inwieweit werden Möglichkeiten eröffnet und Instrumente angeboten, damit betroffene wie interessierte Akteure sich an den technischen Debatten und Entscheidungen beteiligen können?
- Wie können die für politische und gesellschaftliche Dynamiken und Prozesse relevanten Zeiträume Berücksichtigung finden?
Im Rahmen dieses Forschungsprojektes wird diesen Fragen nachgegangen. Dazu wird untersucht, wie soziotechnische Wechselwirkungen hinsichtlich der Endlagerung und der Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle zu identifizieren sind und vor allem wie diese erfasst, beschrieben und bewertet werden können.
Das Forschungsvorhaben verfolgt drei Hauptziele:
- Systematisierung
Entwicklung und Fortschreibung eines differenzierten und systematisierten Verständnisses soziotechnischer Zusammenhänge und Herausforderungen bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle - Konzeptentwicklung
Entwicklung wissenschaftlicher Konzepte für die Analyse der soziotechnischen Herausforderungen - Handlungsoptionen
Entwicklung von Handlungsoptionen, mit denen die soziotechnischen Herausforderungen in Governance- und Management-Strukturen aufgegriffen werden können
Außerdem werden folgende weiterführende Ziele verfolgt:
- Beitrag zum Kompetenzerhalt und -entwicklung in der Wissenschaft/Endlagerforschung (Austausch mit interessierter Öffentlichkeit und Politik)
- Nachwuchsförderung im Hinblick auf die Langfristigkeit von F&E-Kapazitäten: durch Lehre, PhD-Kolloquien, Summer/Winter Schools etc.
- Ausbau und Pflege internationaler Kooperationen entlang der Entsorgungsproblematik
- Erarbeitung von Handlungsempfehlungen für die Politik.
Die Arbeitshypothesen lauten:
- Im Umgang mit radioaktiven Abfällen wird der Endlagerung eine verlängerte Zwischenlagerung vorgeschaltet. Dies führt zu neuen gesellschaftlichen Konflikten.
- Aufgrund der prozessualen Dauer sowie möglicher Änderungen der Entsorgungspolitik und -konzepte, die durch technische und soziale Einflüsse getrieben sind, sowie daraus resultierender Unsicherheiten müssen Institutionen geschaffen werden, die beständig und robust wie gleichermaßen flexibel ausgestaltet sind.
- Je zügiger mit konkreten Arbeitsschritten zum Umgang mit radioaktiven Abfällen begonnen wird, desto vorteilhafter ist dies in wissenschaftlich-technischer, politischer, wirtschaftlicher wie sozialer Hinsicht.
Das ITAS befasst sich in einem eigenen Arbeitspaket mit Fragen zu Planungs- und Langzeitprozessen („Long-term Governance“). Im Zentrum des Interesses steht die Herausforderung, zukünftige Entwicklungen und Handlungserfordernisse in heutigen Planungsprozessen mitzudenken. Dies ist angesichts der sehr langen Zeiträume notwendig, die vergehen, bis ein Endlager verschlossen wird. Vor diesem Hintergrund muss die Stabilität zukünftiger Institutionen so gut wie möglich vorbereitet werden, d. h. es muss verhindert werden, dass beispielsweise durch heutige Wissensverluste zukünftiges Handeln erschwert oder gar unmöglich gemacht wird. Das ITAS befasst sich mit Fragen, wie:
- Welche Randbedingungen gelten für die Stabilität von Institutionen?
- Wie kann gesellschaftliche und politische Handlungsfähigkeit auch in Zukunft sichergestellt werden?
Zu diesem Zweck werden bestehende Konzepte für und Erfahrungen mit Langzeit-Monitoring und Governance gesichtet. Basierend auf Literatur, Experteninterviews und den Ergebnissen zweier vom ITAS organisierter Fokusgruppen werden außerdem Schlussfolgerungen für Planungen zum Umgang mit sozio-technischen Herausforderungen auf sicherheitstechnischer, wissenschaftlich-administrativer und institutioneller Ebene abgeleitet.
Erste Vorarbeiten zum Thema „Long-term Governance“ wurden im Rahmen des Projekts „Governance zwischen Wissenschaft und öffentlichem Protest. ITAS-Arbeitspaket in der Forschungsplattform ENTRIA“durchgeführt: Workshop zu „Technical Monitoring and Long-term Governance“
„Handlungsempfehlungen für die Entsorgung hochradioaktiver Abfälle aus soziotechnischer Perspektive“
Wie kann Reversibilität in der Endlagerstandortsuche organisiert werden?
Was sind Pfandabhängigkeiten oder eine adäquate Langzeit-Governance?
Wie können wir mit Expert*innen-Dissensen umgehen?
Im vom BMWi geförderten Projekt SOTEC-radio wurden Konzepte und Maßnahmen zum Umgang mit soziotechnischen Herausforderungen bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle entwickelt, die bei der Abschlusskonferenz im Februar in Berlin diskutiert werden.
Keynotes:
- Prof. Armin Grunwald (ITAS am KIT) mit einer Einschätzung zu den Herausforderungen in der Endlagerstandortsuche: „Welche Herausforderungen sind abgearbeitet und was ist noch zu tun?“
- Prof. Andreas Lösch (ITAS am KIT): „Soziotechnische Gestaltung als (Un-)Möglichkeit bei der nuklearen Entsorgung“
- Prof. Miranda Schreurs (TU München): „Wo stehen wir im Standortauswahlverfahren?“
Entlang der Leitfrage „Welche Handlungsempfehlungen können aus soziotechnischer Perspektive für die Entsorgung hochradioaktiver Abfälle formuliert werden?“ werden anschließend mit ausgewählten Impulsgeber*innen aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft zentrale Ergebnisse des Vorhabens und weitere Perspektiven besprochen.
Die Details zu Tagungsort und zeitlichem Ablauf entnehmen Sie bitte dem beigefügten Programm (PDF).
Publikationen
Die Gestaltung robuster Governanceprozesse: Unter welchen Bedingungen kann sie gelingen? Hinweise aus den Ergebnissen des SOTEC-radio-Vorhabens
2021. Robuste Langzeit-Governance bei der Endlagersuche. Soziotechnische Herausforderungen im Umgang mit hochradioaktiven Abfällen. Hrsg.: B. Brohmann, 463–471, transcript Verlag. doi:10.14361/9783839456682-021
Konzepte und Maßnahmen zum Umgang mit soziotechnischen Herausforderungen bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle : Ein einleitender Beitrag
2021. Brohmann, Bettina; Hocke, Peter; Brunnengräber, Achim; Isidoro Losada, Ana María (Hg.): Robuste Langzeit-Governance bei der Endlagersuche. Soziotechnische Herausforderungen im Umgang mit hochradioaktiven Abfällen. Hrsg.: B. Brohmann, 11–22, transcript Verlag. doi:10.14361/9783839456682-002
Robuste Langzeit-Governance und Notwendigkeiten neuer Navigation. Zur Qualität soziotechnischer Gestaltungsprozesse
2021. Robuste Langzeit-Governance bei der Endlagersuche. Hrsg.: B. Brohmann, 363–386, transcript Verlag. doi:10.14361/9783839456682-017
Raumsensible Long-term Governance zur Bewältigung komplexer Langzeitaufgaben. Anforderungen im deutschen Entsorgungskontext
2021. Robuste Langzeit-Governance bei der Endlagersuche. Soziotechnische Herausforderungen im Umgang mit hochradioaktiven Abfällen. Hrsg.: B. Brohmann, 413–446, transcript Verlag. doi:10.14361/9783839456682-019
Reversibilität in Entscheidungsprozessen. Warum wir ein lernendes Verfahren brauchen
2021. Robuste Langzeit-Governance bei der Endlagersuche. Hrsg.: B. Brohmann, 349–360, transcript Verlag. doi:10.14361/9783839456682-016
Robuste Langzeit-Governance bei der Endlagersuche. Soziotechnische Herausforderungen im Umgang mit hochradioaktiven Abfällen
2021. transcript Verlag. doi:10.14361/9783839456682
Robuste Governance-Strukturen, Kohärenz und Institutionalisierung von Langzeitprozessen. Arbeitsbericht zum Arbeitspaket 5 (SOTEC-radio)
2020
Endlager: Welche Herausforderungen sind abgearbeitet und was ist noch zu tun?
2020. SOTEC-radio-Abschlusskonferenz (2020), Berlin, Deutschland, 11.–12. Februar 2020
Ist das Standortauswahlverfahren auf einem zukunftsfähigen und robusten Weg?
2020. SOTEC-radio-Abschlusskonferenz (2020), Berlin, Deutschland, 11.–12. Februar 2020
Multi-Level Governance of Nuclear Waste Disposal. Conflicts and Contradictions in the German Decision Making System
2019. Conflicts, Participation and Acceptability in Nuclear Waste Governance. An international comparison. Vol. 3. Ed.: A. Brunnengräber, 383–401, Springer Fachmedien Wiesbaden
The role of long-term planning in nuclear waste governance
2019. Journal of risk research, 22 (11), 1343–1356. doi:10.1080/13669877.2018.1459791
Wer steuert das Verfahren? Strukturelle Beobachtungen - konstruktive Handlungsfähigkeit
2019. Tagung "Standortsuche MMiteinander - aber nicht konform? Atommüll-Lager und Partizipation" (2019), Loccum, Deutschland, 28.–30. Juni 2019
Problemorientierte Governance in einem nuklearen Standortauswahlverfahren. Partizipation als Chance für die "Endlagerung"?
2019. Ringvorlesung "Kernenergie und Brennstoffkreislauf" (2019), Hannover, Deutschland, 14. Januar 2019
Do we need a nuclear steward? Monitoring as task for long-term governance institution
2019. Modern2020 Final Conference (2019), Paris, Frankreich, 9.–11. April 2019
Konzepte und Maßnahmen zum Umgang mit soziotechnischen Herausforderungen bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle (SOTEC-radio)
2018. Öko-Institut e.V
Ansätze und Begriffe des Soziotechnischen
2018. SOTEC-radio-Workshop (2018), Frankfurt am Main, Deutschland, 22. Februar 2018
Entsorgungsoptionen für radioaktive Reststoffe: Interdisziplinäre Analysen und Entwicklung von Bewertungsgrundlagen
2018. Deutsch-Russisches NO.RWM-Seminar "Society and Radioactive Waste" (2018), Tomsk, Russland, 19. Oktober 2018
Zwischen Technik und Gesellschaft: Wer gestaltet das Endlager?
2018. 13. Projektstatusgespräch zu BMWi-geförderten FuE-Arbeiten zur Entsorgung radioaktiver Abfälle (2018), Karlsruhe, Deutschland, 20. Juni 2018
Politischer Lernprozess oder naives Hoffen auf positive Effekte zukünftiger Bürgerbeteiligung? Das neue deutsche Standortauswahlverfahren bei der Entsorgung hochradioaktiver Brennstoffe
2018. 8. Internationale Konferenz des Netzwerks Technikfolgenabschätzung (NTA 2018), Karlsruhe, Deutschland, 7.–8. November 2018
Governance-Herausforderungen in der Endlagerpolitik
2018. Ringvorlesung "Kernenergie und Brennstoffkreislauf - Technische Aspekte und gesellschaftlicher Diskurs", Hannover, 16.01.2018
Governing energy landscapes. The need for a long-term, place-sensitive perspective
2018. UFZ Energy Days (2018), Leipzig, Deutschland, 24.–25. September 2018
Nach dem Dualismus von Technik und Gesellschaft. Begriffe zur Eingrenzung des Gegenstandes ’soziotechnisches System’
2017. SOTEC-radio Kick-off Meeting, Berlin, 7.November 2017
Governance von Stauräumen. Ansätze zum Umgang mit Zielkonflikten in gesellschaftlichen Transformationsprozessen
2017. Kolloquium ’CHARM - Stauraummanagement : Prozesse im Kleinen, Auswirkungen im Großen’, Freiburg, 12.Oktober 2017
Kontakt
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Postfach 3640
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Tel.: 0721 608-26893
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