Die Verbindung von Arbeit und Leben – Anerkennung in einem erweiterten Verständnis von Arbeit

Projektbeschreibung

In der sozialwissenschaftlichen Beschreibung von Arbeit ist die Diagnose der „Krise der Erwerbsarbeit“ seit den letzten dreißig Jahren ein immer wieder kehrendes Motiv. Allerdings hat trotz aller „krisenhaften“ Befunde Erwerbsarbeit ihre zentrale Rolle in der Gesellschaft nicht eingebüßt. Vielmehr bleibt sie Gradmesser für gesellschaftliche Teilhabe und Status und wirkt mehr und mehr bestimmend für die Ausbildung der personalen Identität. Die Dissertation knüpft an Debatten der 1980er und 1990er Jahre an, in denen die „Krise der Arbeitsgesellschaft“ vor dem Hintergrund schwindender Industriearbeit breit verhandelt wurde. In diesen Debatten wurde Erwerbsarbeit in ihrer Bedeutung als zentraler gesellschaftlicher Integrationsmodus grundsätzlich in Frage gestellt. Bei der Suche nach Alternativen, um der Krise zu begegnen, kamen unbezahlte Arbeitsformen wie Familienarbeit, Ehrenamt und Eigenarbeiten als bisher unbeachtete Ressourcen für ein „neues“ Verständnis von Arbeit in den Blick, wodurch die hohe individuelle und gesellschaftliche Bedeutung der Erwerbsarbeit sowohl ideell als auch zeitlich zugunsten von Nicht-Erwerbsarbeit relativiert werden sollte.

Blickt man aus heutiger Perspektive auf diese Debatten zurück, so wird einerseits deutlich, dass der Sprung zur gesellschaftlichen Umsetzung dieser theoretischen Konzepte – politisch – nicht erfolgt ist. Auch fehlt – in wissenschaftlicher Hinsicht – bislang eine konkrete Auseinandersetzung damit, welche subjektive Bedeutung nicht-erwerbsförmige im Vergleich zu erwerbsförmigen Tätigkeiten haben. An dieser Lücke der wissenschaftlichen Auseinandersetzung setzte die Dissertation an, die „Anerkennung“ in der Konzeption von Axel Honneth (Honneth 1994) als Analysekategorie verwendet. Untersucht werden sollte, welche Anerkennungsverhältnisse sich im intersubjektiven Austausch in einer integrierten Perspektive auf „erweiterte Arbeit“ ausbilden. Dies sollte dazu beitragen, aufzudecken, welche spezifischen Anerkennungsformen von Erwerbsarbeit und Nicht-Erwerbsarbeit auf der subjektiven Erfahrungsebene im gesellschaftlichen Mix von Arbeitstätigkeiten auftreten.

Hierfür wurden zunächst in theoretischer Hinsicht die Debatten um „Ende und Zukunft der Erwerbsarbeit“ mit ihren Grundlegungen in der Arbeits-, Frauen- und Nachhaltigkeitsforschung dargelegt. Dieser Rückblick auf Ideen und Konzepte diente dazu, den erweiterten Arbeitsbegriff für aktuelle gesellschaftliche Verhältnisse zu reaktualisieren. Zudem wurde für die Analyse der gesellschaftlichen Bedeutung von erweiterter Arbeit das Konzept „Anerkennung“ fruchtbar gemacht – ausgehend von den konzeptionellen Überlegungen Axel Honneths. Dazu wurde Honneths Konzept, das sich in den Dimensionen Liebe, Recht und Solidarität ausdifferenziert, systematisch diskutiert und für die empirische Untersuchung von erweiterten Arbeitskonzepten operationalisiert.

Die empirische Untersuchung umfasste einen Vergleich von drei qualitativen Fallstudien aus dem Feld erweiterter Arbeit: Während im ersten Fall, dem Zentrum für Kreativität (Namen sind anonymisiert), Anerkennungsverhältnisse im Tätigkeitsfeld Eigenarbeit untersucht wurden, repräsentierte der zweite Fall, Zukunft e.V., eine komplexe Vermischung von Arbeitsfeldern in den Bereichen Erwerb, Versorgung und Engagement. Im dritten Fall, der Natur AG, lag der Schwerpunkt auf Erwerbsarbeit, wobei die Philosophie des Unternehmens Möglichkeiten der Grenzüberschreitung von beruflichen hin zu „privaten“ Tätigkeitsfeldern anbot.

Erweiterte Arbeitsformen bergen eine breite Vielfalt von „weichen“ Anerkennungserfahrungen, die sich auf individueller Ebene in gesellschaftlichen Nischen konstituieren können, so das Fazit der Untersuchung. Auf der Grundlage einer materiell gesicherten Basis können erweiterte Arbeitskontexte bei individueller Passung einen besonderen Wert für die Menschen einnehmen: Durch neue Tätigkeitsbereiche und durch die Umsetzung „eigensinniger“ Gestaltungsoptionen gelingt es den Subjekten, sich neue Anerkennungschancen individuell zu erschließen. Dies ermöglicht ihnen, missachtende Erfahrungen aus anderen Bereichen zu kompensieren. Dies vermag die Individuen im Sinne eines „Empowerments“ dazu befähigen, Potenziale innerhalb ihrer eigenen Arbeits- und Lebensbezüge in emanzipatorischer Weise zu aktivieren.

Administrative Daten

Referent: Prof. Dr. Birgit Blättel-Mink, Goethe Universität Frankfurt am Main; PD Dr. Stephan Voswinkel, Institut für Sozialforschung (IfS), Frankfurt am Main
Koreferent: Bettina-Johanna Krings, M.A.
Bezugnehmende Projekte: WORKS, Arbeit und Technik
Doktoranden bei ITAS: siehe Promovieren am ITAS

Kontakt

Dr. Linda Nierling
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Postfach 3640
76021 Karlsruhe

Tel.: 0721 608-22509
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