Philosophie und Energiewende: Ethische Reflexionen über übersehene menschliche und nicht-menschliche Wesen

Projektbeschreibung

Meine Doktorarbeit ist als kumulative Dissertation angelegt und befasst sich mit der übergeordneten Forschungsfrage: Wie kann die Philosophie zu einer tieferen ethischen Reflexion über die in den Prozessen der Energiewende oft übersehenen menschlichen und nicht-menschlichen Akteure beitragen?

Um diese Frage zu beantworten, konzentriere ich mich auf drei spezifische Aspekte der Energiewende. Diese werden jeweils anhand einer eigenen Forschungsfrage und aus einer jeweils eigenen philosophischen Perspektive untersucht. Die Strategie, die übergeordnete Frage in spezifische Unterfragen aufzubrechen und diesen in drei vertieften Untersuchungen nachzugehen, soll im Laufe des Promotionsprojekts eine umfassende und eingehende Auseinandersetzung mit moralischen Problemen ermöglichen.

Zuerst widme ich mich der übergeordneten Forschungsfrage auf einer theoretischen Ebene und konzentriere mich auf das Konzept der Energie. Dieses Konzept ist in der Philosophie bislang wenig erforscht. In dem Artikel “Just” energy? An ecofeminist analysis and critique of a predominant conception of energy („Just“ energy? Eine ökofeministische Analyse und Kritik eines vorherrschenden Energiebegriffs) liegt der Fokus auf einem sozioökonomischen Verständnis von Energie als Ressource und Ware für menschliche Bedürfnisse und die Entwicklung menschlicher Gesellschaften – ein Verständnis, das zumindest in westlichen Kontexten weitverbreitet scheint. Dieser Energiebegriff basiert auf einem kulturellen Verständnis, das sich vom wissenschaftlichen Konzept unterscheidet und über dieses hinausgeht. Ein solches Verständnis findet sich in verschiedenen Narrativen, unter anderem auch in der Energiepolitik. Der Artikel geht folgender Frage nach: Wirkt sich dieses Verständnis von Energie als Ware und Ressource auf die Beziehung zwischen Mensch und Natur aus? Wenn ja, wie? (Unterfrage Nr. 1) Dabei wird ein ökofeministischer Ansatz verfolgt.

Der zweite Artikel dieser Dissertation wechselt von der theoretischen Analyse zur angewandten Forschung und befasst sich mit einer Gruppe, die besonders gefährdet ist, in den Bemühungen um die Energiewende zurückgelassen zu werden: Menschen, die von Energiearmut betroffen sind. Für diese Studie habe ich mit einem in Mailand ansässigen Forschungsunternehmen zusammengearbeitet, das sich unter anderem auf Untersuchungen zur Energiearmut spezialisiert hat. Aus dieser Zusammenarbeit entstand der Artikel Not enough (yet): A capabilities assessment of the implementation of energy poverty policies in Italy ([Noch] nicht genug: Eine Capability-Analyse der Maßnahmen gegen Energiearmut in Italien). Darin wird die folgende Forschungsfrage untersucht: Wird das Problem der Energiearmut in den aktuellen Maßnahmen zur Energiewende in Italien berücksichtigt? Und wenn nicht, ist eine solche Politik als ungerecht zu betrachten? (Unterfrage Nr. 2). In der Studie wird eine Capability-Perspektive eingenommen.

Der dritte und letzte Artikel dieser Dissertation konzentriert sich auf eine weitere in den Plänen zur Energiewende oft übersehene Gruppe: Tiere wie Fledermäuse und Vögel, die durch Windkraftanlagen gestört oder gefährdet werden. Studien haben erhebliche Verlustraten von Fledermäusen und Vögeln durch Rotorblätter von Windkraftanlagen dokumentiert. Schätzungen zufolge könnten in gemäßigten Regionen jährlich mehrere Hunderttausend Fledermäuse durch Windkraftanlagen getötet werden. Sollten politische Entscheidungsträger bei der Umsetzung von Projekten zur Energiewende (z. B. Windparks) die Auswirkungen auf empfindungsfähige Tiere berücksichtigen? Wenn ja, auf welcher moralischen Grundlage? (Unterfrage Nr. 3). Hierbei wird eine tierethische Perspektive eingenommen.

Administrative Daten

Referent: Prof. Dr. Rafaela Hillerbrand
Koreferent: Dr. Giovanni Frigo
Doktoranden bei ITAS: siehe Promovieren am ITAS

Kontakt

Noemi Calidori, M.A.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
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