Nationale Tech-Rhetoriken in einem globalen KI-Wettlauf. Visionen intelligenter Gesellschaften und erbitterter Geopolitik

Projektbeschreibung

Die Frage, wie KI-Technologien in die Funktionsweise und Strukturen unserer Gesellschaft integriert werden können, ist zu einem zentralen Anliegen zeitgenössischer Politik und öffentlicher Debatten geworden. In dieser Dissertation untersuche ich die zivilen und militärischen KI-Strategien verschiedener Nationen als eine besondere Form der Mitgestaltung dieser Entwicklung. Diese strategischen Dokumente verkörpern einen hybriden Diskurs, welcher soziale Zukünfte skizziert, materielle Ressourcen zuweist und Regeln für Innovationsregime festlegt.

In dieser qualitativen empirischen Arbeit vergleiche ich KI-Strategien und militärische Positionspapiere zu autonomen Waffensystemen (AWS). Dabei analysiere ich die Politikdokumente der führenden KI-Nationen USA, China, Frankreich und Deutschland (selektiv) im Hinblick auf ihre imaginäre Produktion von sozialen, normativen und geopolitischen Bestrebungen.

Die aktuelle wissenschaftliche Forschung zur diskursiven Konstruktion von KI beschränkt sich bisher auf industrielle, akademische oder publizistische Debatten. Diese öffentlichen und privaten Narrative beeinflussen die politischen Entscheidungsträger*innen – aber diese sind ihrerseits gestaltende Akteure, welche unsere Wahrnehmung und Erwartungen an KI-Technologien maßgeblich prägen. Indem Regierungen einen internationalen KI-Wettlauf ausrufen, statten sie ihre Zukunftsvorstellungen mit massiven Ressourcen und Investitionen aus, und tragen performativ dazu bei, die Installation dieser Zukünfte zu koproduzieren. Dabei umfassen diese imaginären Pfade nicht nur Kategorien des wirtschaftlichen Wohlstands, sondern auch Erzählungen über eine „intelligente“ Tech-Gesellschaft, welche durch KI-Anwendungen hervorgebracht werden soll. Nicht zuletzt finden sich in militärischen KI-Standpunktpapieren auch Idealisierungen geopolitischer Sicherheitskonstellationen, was sich in den Verhandlungen um sogenannte „autonome“ Waffensysteme bei den United Nations (UN) in Genf herauskristallisiert.

Konzeptionell stützt sich die Arbeit auf das Konzept der „sociotechnical imaginaries“ (SIs), Debatten in der Technikfolgenabschätzung (TA), die internationalen Beziehungen, die Soziologie der Erwartungen und Konzepte wie das technologisch Sublime und Mythen.

Das Dissertationsprojekt zielt auf die Untersuchung der folgenden Forschungsbereiche ab:

Empirische und deskriptive Analyse

  • Was sind die Charakteristika der SIs, die in den zivilen und militärischen KI-Strategiepapieren von vier Hauptakteuren, nämlich Frankreich, USA, China und Deutschland, zu finden sind? Welche unterschiedlichen Visionen des gesellschaftlichen Lebens und der Staatlichkeit sollen durch die Nutzung von KI und AWS ermöglicht werden?
  • Sehen wir trotz der unterschiedlichen KI- und AWS-Idealisierungen eine Konsistenz in der argumentativen Konstruktion dieser Narrative?

Regulatorische und institutionelle Analyse

  • Was sind die direkten politischen Auswirkungen dieser unterschiedlichen KI-SIs auf die aktuellen geopolitischen Bestrebungen der jeweiligen Staaten (Fallstudie der US-amerikanischen und chinesischen Positionierung)? Wie wirkt sich dies konkret auf die Regulierung militärischer KI im Rahmen des UN-Regulierungsprozesses aus?

Neubeurteilung der theoretischen Grundlagen

  • Inwieweit spiegeln nationale KI-Idealisierungen nicht nur kulturelle und politische Bestrebungen wider, sondern können auch als strategische geopolitische Waffen der Verwirrung und Abschreckung eingesetzt werden? Was bedeutet das für die Dimension des Vertrauens in staatliche KI-Regulierung?
  • Wie sollten/können Politikberatung und TA auf die Durchsetzung nationaler Interessen und der Verschlossenheit gegenüber Regulierungsvorschlägen reagieren? Welche normativen Grundlagen sind aus theoretischer Sicht erforderlich, um solche Manöver zu berücksichtigen und einzuordnen?

Administrative Daten

Referent: Prof. Dr. Armin Grunwald
Koreferent: PD Dr. Andreas Lösch
Bezugnehmende Projekte: Gesellschaftliches Vertrauen in lernende Systeme
Doktoranden bei ITAS: siehe Promovieren am ITAS

Kontakt

Jascha Bareis, M.A.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Postfach 3640
76021 Karlsruhe

Tel.: 0721 608-24616
E-Mail