Wie Computersimulationen erklären: Eine philosophische Studie

Projektbeschreibung

Computersimulationen (CS) werden in der wissenschaftlichen Praxis häufig eingesetzt, um komplexe Phänomene disziplinübergreifend zu erklären. Trotz ihrer Verbreitung wird die Legitimität von CS-basierten Erklärungen in der Philosophie weiterhin kritisch diskutiert. Grund dafür sind unter anderem die (z. B. materiellen) Unterschiede zwischen Computerprogrammen und den realen Zielsystemen. Neben der Frage, ob CS überhaupt wissenschaftliche Erklärungen liefern können, ist noch zu klären, wie sie in die wissenschaftliche Erklärung eingebunden sind.

Ziel des Projekts ist es, die erklärende Rolle von CS zu analysieren und eine Grundlage für ihre Aussagekraft zu entwickeln. Das Projekt gliedert sich in drei Schritte:

  1. Frühere Studien konzentrierten sich meist auf die Analogie zwischen CS und Zielsystemen, was für die Betrachtung von Erklärungen möglicherweise nicht notwendig ist. Das Projekt schlägt daher vor, dass CS und Erklärungsmodelle denselben epistemischen Status haben, wobei betont wird, dass CS als solche keine vollständigen Erklärungen darstellen, sondern vielmehr „Roherklärungen“ liefern, die sowohl erklärende als auch nicht erklärende Komponenten enthalten.
  2. Anschließend wird systematisch analysiert, wie CS als „Roherklärungen“ in der Praxis wissenschaftliche Erklärungen darstellen, und es wird ermittelt, welche Komponenten zur Erklärung beitragen und wie sie in bestehende Erklärungsrahmen einzuordnen sind. Dies soll unser Verständnis wissenschaftlicher Erklärungspraxis vertiefen.
  3. Drittens erweitern CS die Möglichkeiten der Erklärungsforschung, indem sie Zusammenhänge und relevante Strukturen aufzeigen, die sowohl in kausalen als auch in nicht-kausalen Erklärungsmodi eine Rolle spielen. Da nicht-kausalen Erklärungen bislang zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, bleibt ihr Wesen unklar. Um diese Lücke zu schließen, führt das Projekt die „Erklärungsgrundlage“ („explanatory grounding“) als einen möglichen Ansatz ein, um Abhängigkeitsmuster in nicht-kausalen Erklärungen systematisch zu erfassen und eine zusätzliche Dimension wissenschaftlicher Erklärung zu erschließen.

Das Projekt wird in enger Zusammenarbeit mit den Wissenschaftler*innen des Graduiertenkollegs „RTG 2450 – Tailored Scale-Bridging Approaches to Computational Nanoscience“ durchgeführt und greift dessen Fallstudien auf. Es ist sowohl philosophisch als auch wissenschaftlich relevant. Philosophisch bereichert es die Debatte über wissenschaftliche Erklärungen, indem es das Konzept der Roherklärungen einführt und den Begriff der „Erklärungsgrundlage“ entwickelt. Damit geht das Projekt über rein kausale Ansätze hinaus und ermöglicht eine systematische Darstellung nicht-kausaler Erklärungen. Aus wissenschaftlicher Perspektive untersucht es die erklärende Funktion von Computersimulationen, legitimiert simulationsbasierte Erklärungen und stärkt die Zusammenarbeit zwischen Philosophie und Naturwissenschaften. Darüber hinaus trägt es zu einem besseren Verständnis bei, wie Simulationen disziplinübergreifend Wissen generieren, und bietet konzeptionelle Werkzeuge zur Analyse komplexer Systeme, bei denen kausale Erklärungen allein nicht ausreichen.

Administrative Daten

Referent: Prof. Dr. Dr. Rafaela Hillerbrand
Korreferent: Prof. Dr. Marcus Elstner
Doktoranden bei ITAS: siehe Promovieren am ITAS

Kontakt

Jietong Xu, M.Phil.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Postfach 3640
76021 Karlsruhe

Tel.: 0721 608-26585
E-Mail