ITAS Colloquium 2023

  • type of event:

    Lecture Series

  • place:

    ITAS, Karlstr. 11, 76133 Karlsruhe

  • date:

    2023

  • The colloquium takes place in room 418 and is also accessible via Zoom.

Monday, 18 September, 2pm

PD Dr. habil. Marco Tamborini, Institute of Philosophy, Technical University of Darmstadt

Biohybrid Forms: Translation and combination of biology and technology

In this presentation I explore how biohybrid forms can be created and combined starting from organic forms. My thesis is that the combinatorial practice of bionics, biomimetics, biorobotics, and all nature-inspired design strategies is not based on biomimetic inspiration (i.e., a kind of imitation of nature), but on a practice of translation. To develop this, I focus on the practices of contemporary biorobotics. First, I examine the practice of translating natural forms into technical artifacts as developed by Raoul Heinrich Francé in the early 20th century. I then analyze the production of robots capable of replicating complex locomotion systems. Finally, I address the interaction between robots and living organisms (fish). In the final part of the talk, I reflect on the philosophical payoffs and broader conditions of possibility for this translational practice. I discuss when and to what extent translating biological forms into biotechnical forms is acceptable, and also shed light on the concept of form and matter that underlies this practice. In addition, I want to draw attention to the need to examine philosophically what happens between different domains of knowledge - especially between science and technology. Hence, this talk invites to develop a philosophy in the interstices of knowledge production.

Marco Tamborini teaches and researches in the field of philosophy of science, philosophy of technology and history of technology at the Institute of Philosophy of the Technical University of Darmstadt. He is a member of the Junge Akademie der Wissenschaften und Litteratur | Mainz. He was a Pre-Doc at the Max Planck Institute for the History of Science and Visiting Fellow at Clare Hall College for Advanced Studies University of Cambridge, as well as Visiting Scholar at the Scuola Normale Superiore Pisa, at the BioRobotics Institute – Sant’Anna School of Advanced Studies and at the EPFL Biorobotics Laboratory (BioRob). His research focuses on the history and philosophy of evolutionary biology, morphology, robotics, bionics, bioinspired architecture, AI and paleontology, and the history and philosophy of technoscience. Recent book publications: The Architecture of Evolution: The Science of Form in Twentieth-Century Evolutionary Biology (University of Pittsburgh Press 2022), Entgrenzung: Die Biologisierung der Technik und die Technisierung der Biologie (Meiner Verlag 2022), Technikphilosophie. Neue Perspektiven für das 21. Jahrhundert (with Kevin Liggieri and Olivier Del Fabbro) (wbg 2023)

Webpage: https://sites.google.com/site/marcotamborinisite

The lecture will be hybrid. Please contact Meike Hebich if you want to join online. The lecture will be held in English.

 

Monday, 6 March 2023, 2pm

Erik Fisher (PhD), School for the Future of Innovation in Society, Arizona State University

The elastic and fuzzy capacity of scientists and engineers to integrate societal considerations into their work

In this talk, Erik Fisher wishes to explore and think through some theoretical concepts that may help to make sense of over 10 years of empirical findings generated by a particular approach to socio-technical collaborations. The approach of Socio-Technical Integration Research (STIR) has been used to show that, in conjunction with decision analysis dialogues that probe for societal dimensions, technical experts typically modulate their practices, but only over time and under certain conditions. Erik Fisher will suggest that such modulations are the result of an integrative capacity that can expand or contract, and that can encompass a variety of thought processes and objects.

Erik Fisher, PhD, is an associate professor at Arizona State University in the School for the Future of Innovation in Society, where he directs the Center for Responsible Innovation. He developed the STIR approach and edits the Journal of Responsible Innovation.

 

Monday, 13 February 2023, 2pm

Prof. Dr. Armin Grunwald, Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Zur Validität modellbasierter Energieszenarien. Ein hermeneutischer Versuch

Moderne Gesellschaften suchen Orientierung für Meinungsbildung und Entscheidung durch Antizipation und Bewertung zukünftiger Entwicklungen. Insbesondere spielen modellbasierte Szenarien zur Beratung von Entscheidungsträgern und Gesellschaft eine große Rolle. In Energiepolitik und Energiewirtschaft sind sie zum wahrscheinlich am häufigsten verwendeten Mittel wissenschaftlicher Entscheidungsberatung geworden. Allerdings ist eine Grundherausforderung in der Nutzung von Energieszenarien wie auch von anderen Zukunftsbildern ihre Diversität aufgrund zwangsläufig involvierter Unsicherheiten und der Offenheit der Zukunft. Mangels Wissen muss vieles in Modellierung und Szenarienentwicklung unter Plausibilitätsaspekten festgelegt werden, was auch teils anders bestimmt werden kann. Energieszenarien können entsprechend instrumentalisiert werden, um partikuläre Ziele zu befördern und politische oder wirtschaftliche Interessen durchzusetzen.

Energieszenarien müssen, zumindest wenn sie öffentliche Fragen betreffen, ergebnisoffen, wissenschaftlich valide und transparent sein. Diese Anforderungen stellen sich für Zukunftswissen anders als für übliches wissenschaftliches Wissen dar. Denn aus der Zukunft liegen keine Daten vor, mit denen Zukunftsaussagen empirisch validiert werden könnten. Stattdessen kann eine erkenntnistheoretische Prüfung ausschließlich durch die Beurteilung ihrer argumentativen Validität erfolgen. Aber wie können Energieszenarien auf ihre Validität untersucht oder daraufhin untereinander verglichen werden?

Da Energieszenarien auf Modellen des Energiesystems und ihrer annahmenabhängigen Extrapolation beruhen, erstrecken sich diese Fragen nicht nur auf die Konstruktion von Szenarien, sondern und gerade auch auf die mit Modellierung und Modellen verbundenen Aspekte der Validität. Wie hängt also die Validität der Szenarien mit der Validität der zugrunde liegenden Modelle zusammen? Wo liegen die Unsicherheiten und Grenzen derartiger Einschätzungen für Szenarien und Modelle? Wie weit ist es möglich, Einseitigkeiten, ideologische Vorannahmen, Interessen und Prämissen aufzudecken, auch in den Modellen, um angesichts umstrittener Aussagen zu Energiezukünften zu einer nachvollziehbaren Beurteilung zu kommen, zumindest zu einem transparenten Konsens im Dissens?

Diese Fragen verlangen nach einer Prüfung des Zustandekommens von Modellen und Szenarien. Statt auf diese als Produkte zu schauen und in Bezug auf ihre Zukunftsaussagen zu vergleichen, muss der Prozess ihrer Erzeugung im Mittelpunkt stehen, also etwa das scenario-building als Tätigkeit wie auch die Modellbildung. Die Frage nach der Validität von Szenarien und Modellen stellt sich auf diese Weise als Frage nach ihrer Konstruktion.

Dieser Perspektivwechsel eröffnet eine hermeneutische Perspektive nicht nur auf Szenarien, sondern auch auf Modelle. Denn der Blick auf ihre Erzeugung zeigt, dass keineswegs bloß Daten und abgesicherte Wissensbestände aggregiert werden, sondern dass auch Annahmen, Prioritäten, Relevanzeinschätzungen, gesetzte Systemgrenzen und Storylines eine Rolle spielen. Im Vortrag werden speziell Narrative als Bestandteile von Modellen in Bezug auf Energieszenarien und im Hinblick auf dadurch entstehende mögliche Einseitigkeiten, Voreinstellungen, Schieflagen etc. und Strategien ihrer Erkennung und Vermeidung betrachtet.

Armin Grunwald ist Professor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Er promovierte an der Universität zu Köln in theoretischer Festkörperphysik. An der Philipps-Universität Marburg wurde er in Philosophie habilitiert und erhielt die venia legendi. Er war Professor für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse an der Universität Freiburg. 1999 übernahm Grunwald die Leitung des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am KIT und ist seit 2002 zudem Leiter des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag, das vom ITAS geführt wird. Seit 2007 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Technikphilosophie und Technikethik am KIT.