RRI (Responsible Research and Innovation) trifft Ethik in der HTA (Health Technology Assessment) – Stakeholder Dialog zur Erstattung von Arm- und Beinprothesen

Projektbeschreibung

Kriegs- und Unfallopfer, darunter auch Kinder, sowie eine wachsende Zahl älterer Menschen mit Amputationen aufgrund von Diabetesspätfolgen sind auf Prothesen angewiesen, um sich Autonomie, Lebensqualität und soziale Teilhabe zu erhalten.

Im Bereich der Arm- und Beinprothetik wurden in den vergangenen Jahrzehnten erhebliche funktionelle und ästhetische Fortschritte erzielt. Durch Projekte wie INOPRO sind weitere Verbesserungen auf dem Gebiet der „intelligenten“ Prothesen zu erwarten, die sich auf den Umgebungskontext und ihren individuellen Nutzer einstellen.

Doch nicht nur technische und funktionale Merkmale bestimmen die Akzeptanz und den Nutzen von Prothesen, auch soziale, gesellschaftliche und ethisch-rechtliche Aspekte spielen eine wichtige Rolle. In dieser Doktorarbeit sollen diese aus der Perspektive des Health Technology Assessment (HTA) betrachtet werden. HTA beschäftigt sich in Deutschland vorwiegend mit dem medizinischen Nutzen von Medizinprodukten, es gibt aber Bemühungen und internationale Trends, auch ethische, rechtliche und soziale Aspekte verstärkt zu erforschen. Die Arbeit soll hierzu eine Fallstudie liefern.

Ein Review ethisch-rechtlicher Aspekte soll ein möglichst breites Spektrum an Aspekten identifizieren und diskutieren (z.B. Human Enhancement, [mediengenerierte] Erwartungen von Nutzern, Risiken invasiver Prothesentechnologien, gesellschaftliche Wahrnehmung von Amputierten und Prothesennutzern, Haftungsfragen der Mensch-Technik-Interaktion, Datenschutz bei Daten sammelnden Prothesen). Der ethisch-rechtliche Aspekt Erstattung bzw. gerechter Zugang zu Prothesen wird anschließend ausführlicher analysiert.

Höhere Kosten von innovativen Prothesen führen im Kontext steigender Ausgaben im deutschen Gesundheitswesen zur Frage nach der Wirtschaftlichkeit medizinischer Versorgung. Neben dieser ökonomischen Dimension, die für die Erstattungsentscheidungen von Kassen eine Rolle spielt, geht es um die gerechte Verteilung von Ressourcen in einem solidarisch finanzierten System – eine gesellschaftlich-ethische Frage. Dem gegenüber steht die ethische Forderung nach der Umsetzung von Behindertenrechten, der Inklusion von Amputierten in allen Lebensbereichen (Sport, Alltag, Arbeit) mit allen verfügbaren Mitteln. Die Frage, wie mit diesen beiden konfligierenden Ansprüchen umgegangen werden kann, sollte unter Einbeziehung aller Stakeholder diskutiert werden. Neben einer rechtlich-ethischen Analyse werden hierzu empirische und partizipative Ansätze zum Einsatz kommen (Stakeholder-Workshop, Interviews mit Nutzern).

Die Arbeit soll einen Beitrag zur methodischen Diskussion um Ethik in HTA liefern (auch inwieweit das Konzept der RRI einen hilfreichen Ansatz bietet) sowie anhand des Beispiels Prothetik die Frage der Gerechtigkeit im Gesundheitswesen stärker ins öffentliche und politische Bewusstsein rücken.

Administrative Daten

Referent: Prof. Dr. Armin Grunwald
Koreferent: NN
Bezugnehmende Projekte: INOPRO
Doktoranden bei ITAS: siehe Promovieren am ITAS

Kontakt

Martina Baumann, M.Sc. M.A.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Postfach 3640
76021 Karlsruhe

Tel.: 0721 608-28053
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