Experimentelle Gesellschaft

Die Wissensgesellschaft kündigt sich in einem Wandel experimenteller Praktiken an. Der neue Band in der Reihe „Gesellschaft – Technik – Umwelt“ analysiert deshalb die Form Experiment als Dispositiv im Sinne Foucaults.
Publikation Experimentelle Gesellschaft Gesellschaft-Technik-Umwelt im Nomos Verlag
Quelle: Nomos

Eine schiefe Ebene und Kugeln: Der Versuchsaufbau, mit dem Galileo Galilei die Beschleunigung entdeckte war reproduzierbar und objektiv - und eines der ersten Laborexperimente. Experimente dieser Art dienen der Produktion von Wissen, das später auf neue Technologien angewendet werden kann. Während diese Form weiterhin zentral bleibt, findet zugleich ein Wandel statt: Denn experimentelle Praktiken breiten sich in ganz verschiedenen Feldern aus und dienen nicht allein der Produktion wissenschaftlichen Wissens. Die Kunst bedient sich beispielsweise ihrer, um neue Handlungs- oder Deutungsmöglichkeiten zu erkunden. Zugleich entstehen neue Problemkonstellationen, in denen das Experimentieren eine bisher unerkannte Reichweite erhält. Das Klimawandel-Problem ist eine solche Konstellation und Climate Engineering eine experimentelle Praktik mit noch unbestimmtem Ausgang.

Der Sammelband „Experimentelle Gesellschaft – Das Experiment als wissensgesellschaftliches Dispositiv“, herausgegeben von Stefan Böschen (ITAS), Matthias Groß (Helmholtz Zentrum für Umweltforschung) und Wolfgang Krohn (Universität Bielefeld), legt seinen Fokus auf die Erkundung der genannten Vielfalt experimenteller Praktiken.

Foucaults Dispositiv und Schwerpunkte des Sammelbandes

Die Herausgeber gingen dabei der übergreifenden Frage nach, inwieweit im Experiment ein (wissens)gesellschaftliches Dispositiv im Sinne Foucaults angelegt ist. Dessen symbolische Bedeutung, Handlungsmotivation und Legitimationskraft sind grundlegender und weitreichender, als es der eingeengte Blick auf die experimentelle Methodik der Naturwissenschaft hergibt. Ein Expertenworkshop am ITAS im Frühjahr 2014, untermauerte diese Vermutung anhand einer Fülle von Beiträgen und Perspektiven. 

Ziel des Buchprojektes war es vor diesem Hintergrund, die Vielfalt experimenteller Praktiken darzustellen und ihre theoretisch-konzeptionelle Durchdringung zu fördern. Hierfür gliedert es sich in drei Schwerpunkte: Der erste gruppiert sich um Konzepte, Strategien und Probleme des Experimentierens. Ein zweiter erkundet die Relevanz von Praktiken des Experimentierens in unterschiedlichen Feldern, wie Klima, Sport und Gegenwartskunst. Der dritte Schwerpunkt versammelt schließlich Beiträge, die Experimente in Städten beschreiben und die dort kultivierte Vielfalt experimenteller Handlungsmuster sichtbar machen – etwa anhand eines klimapolitischen Realexperiments in Berlin. (08.02.2018)

Bibliographische Angaben:

Böschen, S.; Groß, M.; Krohn, W. (Hrsg.)
Experimentelle Gesellschaft: Das Experiment als wissensgesellschaftliches Dispositiv. Baden-Baden: Nomos - edition sigma 2017, DOI: 10.5771/9783845285450-7 
(Gesellschaft - Technik - Umwelt, Neue Folge 19)