Axel Woitowitz

Auswirkungen einer Einschränkung des Verzehrs von Lebensmitteln tierischer Herkunft auf ausgewählte Nachhaltigkeitsindikatoren – dargestellt am Beispiel konventioneller und ökologischer Wirtschaftsweise

Karlsruhe: Forschungszentrum Karlsruhe 2008
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EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG

Die Ernährung des Menschen ist eines der existenziellen Grundbedürfnisse. Eine ausreichende Ernährung schafft die Grundlage für Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit. Darüber hinaus spiegeln sich im Essen kulturelle und soziale Funktionen wider.

Für den Bereich der Landwirtschaft und der Ernährung hat der Begriff der Nachhaltigkeit eine spezifische Bedeutung. Nachhaltigkeit impliziert hier eine dauerhafte Sicherung der individuellen, der regionalen, der nationalen und der internationalen Ernährung (Ernährungssicherheit). Dieser Zustand liegt dann vor, wenn jeder Mensch zu jeder Zeit und an jedem Ort physisch und wirtschaftlich die Möglichkeit hat, ausreichende, gesundheitlich unbedenkliche und nahrhafte Nahrung zu erlangen. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Ernährungsbedürfnisse und Präferenzen ist dies die Grundlage für ein aktives und gesundes Leben (vgl. hierzu Welternährungsgipfel 1996).

Ziel der deutschen Verbraucherschutz- und Agrarpolitik ist spätestens seit der BSE-Krise im Jahr 2001 eine qualitäts- und verbraucherorientierte Erzeugung von Lebensmitteln, eine natur- und umweltverträgliche Landwirtschaft und eine deutliche Ausweitung des ökologischen Landbaus (UBA 2002b).

Eine nachhaltige Lebensmittelproduktion beinhaltet neben einer nachhaltigen Landwirtschaft ebenso eine nachhaltige Lebensmittelverarbeitung und -vermarktung. Die nachhaltige Landwirtschaft lässt sich auf mehrere Säulen verteilen. Zu nennen sind hier umweltgerechte Produktion, Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle, Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher und ein Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe. Als Koppelprodukt einer angepassten landwirtschaftlichen Produktion werden im Sinne der Gesellschaft gewollte ökologische Leistungen für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und der Kulturlandschaft erbracht. Dabei ist denkbar, dass ein Teil der Kosten aus anderen Bereichen, z.B. im Gesundheitswesen oder im Bereich der Kosten für die Beseitigung von Umweltschäden wie Wasserverschmutzung oder Hochwasserschäden, vermieden werden könnte (UBA 2002b).

Eine nachhaltige Lebensmittelverarbeitung und -vermarktung umschließt die Bereiche der Herstellung, Verarbeitung, Verpackung, des Transportes der Lebensmittel und der Entsorgung ihrer Rest- und Abfallprodukte. Es ist zu berücksichtigen, dass eine nachhaltige Entwicklung in diesem Bereich neben weiteren technischen Fortschritten maßgeblich von veränderten Ansprüchen, Verbrauchsgewohnheiten sowie Änderungen überkommener individueller und gesellschaftlicher Prioritäten beeinflusst wird (UBA 2002b). Nachhaltige Lebensmittelproduktion zeichnet sich aus durch arbeits- und wissensintensive Methoden. Natürliche begrenzte Ressourcen wie z.B. fossile Energieträger sollen weitestgehend geschont werden, damit sie auch noch von nachfolgenden Generationen genutzt werden können (intergenerationelle Nachhaltigkeit). Das bedeutet für die aktuellen Gesellschafts- und Wirtschaftsbereiche grundlegende Umorientierungen hinsichtlich der Art der Produktivität (UBA 2002b).

Dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung innerhalb des deutschen Ernährungssystems muss die derzeitige Situation gegenüber gestellt werden. Fehlernährung und deren Folgekrankheiten, wie Übergewicht, Bluthochdruck u.a., sind in Deutschland weit verbreitet und bedeuten enorme finanzielle Aufwendungen für das Gesundheitswesen. Die Ursachen für diese Fehlernährung werden großteils im Verzehr zu vieler, zu fettiger, zu süßer und zu salziger Lebensmittel gesehen (von Koerber et al. 2000). Im Durchschnitt aller Bundesbürger liegt die Zufuhr an Energie, an Protein sowie an Fett über den Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr, während der Anteil der Kohlenhydrate an der Ernährung im Schnitt unter den wünschenswerten Mengen liegt (DGE 2004).

An dieser Situation beteiligt ist zu einem maßgeblichen Teil der hohe Verzehr tierischer Lebensmittel, allen voran Fleisch, Fleischwaren und Eier (von Koerber et al. 2000). Innerhalb dieser Lebensmittelgruppe ist der Anteil der Fette und Proteine vergleichsweise hoch, während der Kohlenhydratanteil eher gering ausfällt.

Vor diesem Hintergrund interessiert besonders, welches Ausmaß eben diese Gruppe tierischer Lebensmittel am Gesamtbild einer nachhaltigen Ernährungsweise hat und wie sich Änderungen in der Höhe des Verzehrs dieser Lebensmittelgruppe auf Kriterien der Nachhaltigkeit auswirken.

In dieser Arbeit wurde den Fragen nachgegangen,

Es gibt einige Arbeiten, die sich, je nach Fokus mehr oder weniger intensiv, mit einigen dieser Fragen auseinander gesetzt haben (z.B. Heißenhuber 1998, Bockisch 2000, Faist 2000, Flachowsky 2000, Jungbluth 2000, Seemüller 2000, Taylor 2000). Literatur, die sich mit der Gesamtheit der in der vorliegenden Arbeit dargestellten Zusammenhänge und der speziellen Fragestellung beschäftigt, kann derzeit jedoch nicht aufgefunden werden.

Um Antworten auf die gestellten Fragen zu erhalten, wurde folgende Vorgehensweise gewählt:

Die Analysen beziehen sich auf die gesamte Prozesskette, d.h. von der Erzeugung tierischer Lebensmittel inklusive der Futtermittelbereitstellung über Transporte, Be- und Verarbeitung, Lagerhaltung bis hin zur Darbietung der konsumfertigen Lebensmittel in den jeweiligen Verkaufsstellen. Dabei wird einmal davon ausgegangen, dass alle Prozessschritte konventionell durchgeführt werden und ein anderes mal wird eine ökologische Produktionsweise unterstellt. Als weitere Variante wird die so genannte konventionell ressourcenschonende Wirtschaftsweise betrachtet, innerhalb derer ein Teil der mineralischen Düngemittel durch organische ersetzt wird und die verwendeten Kraftfuttermittel teilweise vom Betrieb selbst erzeugt werden.

Im ersten Teil dieser Arbeit (Kapitel II) wird die aktuelle Ernährungssituation in Deutschland abgebildet. Dabei wird ein besonderer Fokus auf den Verbrauch der tierischen Lebensmittel Fleisch, Milch und Eier gelegt. Anschließend werden die wesentlichen Nachhaltigkeitsdefizite im Bereich Landwirtschaft und Ernährung dargestellt. Ebenfalls im ersten Teil dieser Arbeit wird dargestellt, dass es zur Messbarkeit der Nachhaltigkeit verschiedene von Politik und Wissenschaft entwickelte Indikatorensets gibt, und welche Indikatoren für diese Arbeit ausgewählt wurden.

An den ersten Teil schließt die Vorgehensweise an, die zur Ermittlung der gemäß offiziellen Empfehlungen notwendigen Reduktion des Verzehrs tierischer Lebensmittel verwendet wird (Kapitel III). Hier wird aufgezeigt, welche Mengen an Milch, Fleisch und Eiern eine Person im Durchschnitt (noch) konsumieren könnte, wenn diese Vorgaben umgesetzt werden.

Das Kapitel IV umschließt die Berechnungen zu den sozio-ökonomischen und den umweltrelevanten Nachhaltigkeitseffekten. Hierzu gehören der produktspezifische Primärenergieverbrauch, die Treibhausgasemissionen, die Arbeitsplätze sowie der Flächenverbrauch. Anhand der ermittelten Zahlen können die Einsparungen in der Höhe des Konsums tierischer Lebensmittel hinsichtlich Nachhaltigkeit bewertet werden. In Kapitel V folgen eine Schlussbetrachtung sowie die Diskussion der ermittelten Ergebnisse.

 

Erstellt am: 16.12.2008 - Kommentare an: webmaster