Reinhard Grünwald

Treibhausgas – ab in die Versenkung?
Möglichkeiten und Risiken der Abscheidung und Lagerung von CO2

Berlin: edition sigma 2008, Reihe: Global zukunftsfähige Entwicklung, Bd. 25, ISBN 978-3-8360-8125-2, 141 Seiten, kartoniert 15.90 Euro
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EINLEITUNG

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"Das gegenwärtige Energiesystem ist nicht nachhaltig." Zu dieser einvernehmlichen Feststellung gelangte die Enquete-Kommission "Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und der Liberalisierung" des 14. Deutschen Bun-destages. Diese Einschätzung beruht maßgeblich darauf, dass die heutige Energiebe-reitstellung und -nutzung in großem Umfang Umweltkosten negiert, Raubbau an knap-pen Ressourcen betreibt und Risikoaspekten zu geringe Beachtung schenkt (EK 2002).

Die gegenwärtige Energieversorgung in Deutschland und in der EU beruht zu über 80 % auf erschöpflichen fossilen Energieträgern (Kohle, Öl, Gas), bei deren Nutzung CO2 entsteht, das zum vom Menschen gemachten Klimawandel beiträgt. In der EU-25 wird, falls die gegenwärtigen Trends anhalten, bis zum Jahr 2020 ein Anstieg des Pri-märenergieverbrauchs um etwa 20 % gegenüber 1990 erwartet. Beim Verbrauch fossi-ler Energieträger wird mit einem Zuwachs von ca. 10 % gerechnet. Die Bedeutung von Kohle nimmt zwar stark ab, dies wird aber überkompensiert durch einen drastischen Anstieg beim Verbrauch von Erdgas. Dies hätte eine Zunahme der CO2-Emissionen um 4 % (bezogen auf 1990) zur Folge (EU-Kommission 2006).

Inzwischen besteht in Deutschland und in Europa eine breite Akzeptanz für die Zielset-zung, die Treibhausgasemissionen in der EU und weltweit so weit zu senken, dass der globale Temperaturanstieg auf 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt wird (Bundesregierung 2006; EU-Kommission 2007a). Hierfür wäre in den Industrie-ländern eine Reduktion der Emissionen bis 2020 um mindestens etwa 30 % erforder-lich.

In Deutschland und der EU wäre ein solch anspruchsvolles Reduktionsziel möglicher-weise erreichbar, wenn eine umfassende Klimaschutzstrategie - u. a. bestehend aus verstärkten Anstrengungen für eine verbesserte Energieeffizienz, einem beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien und der Substitution von kohlenstoffintensiven Energie-trägern (z. B. Kohle durch Erdgas) - konsequent umgesetzt würde. Realistisch er-scheint dies aber nur dann, wenn dazu weit über das heute Übliche hinausgehende po-litische Anstrengungen unternommen werden (Prognos/EWI 2007). International wird in einigen Ländern die Befürchtung geäußert, dass die hierfür erforderlichen Maßnah-men sowie die damit verbundenen Kosten die wirtschaftliche und soziale Entwicklung hemmen könnten.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob nicht die Abscheidung von CO2 aus dem Abgasstrom von Kraftwerken und dessen unterirdische Lagerung (Carbon Dioxi-de Capture and Storage, CCS) eine Möglichkeit darstellen könnte, die ambitionierten Klimaschutzziele zu erreichen. Die Erforschung und Erprobung sowie die Diskussion der CCS-Technologie sind im europäischen und internationalen Raum schon seit eini-ger Zeit im Gange. Gegenwärtig sind weltweit drei CCS-Großprojekte (mit mehr als 1 Mio. t CO2/Jahr) in Betrieb: "Sleipner" in Norwegen, "Weyburn" in Kanada und "In Salah" in Algerien. Weitere sind in Planung. In Deutschland sind erst in jüngster Zeit diesbezügliche Aktivitäten wahrnehmbar (v. a. CO2Sink in Ketzin bei Potsdam).

Aus diesen Gründen hat im Sommer 2006 der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages beschlossen, das TAB mit der Bearbeitung des Themas "CO2-Abscheidung und -Lagerung bei Kraftwerken" zu be-auftragen. Ziel war es zum einen, den gegenwärtigen Wissensstand zu erheben und kritische Wissenslücken - z. B. bezüglich der Speichersicherheit, der Kosten, der Ver-fügbarkeit der Technik - zu identifizieren. Des Weiteren sollte der bestehende rechtli-che Rahmen für CCS im Hinblick auf mögliche Defizite und gesetzgeberischen Hand-lungsbedarf analysiert werden. Darüber hinaus wurde untersucht, wie sich die Wahr-nehmung bzw. Akzeptanz der CCS-Technologie in Fachkreisen und in der Öffentlich-keit zurzeit darstellt.

Dementsprechend ist der Bericht folgendermaßen aufgebaut: Kapitel II beschreibt den gegenwärtigen Entwicklungsstand der CCS-Technologie (CO2-Abscheidung, -Transport und -(Ab-)Lagerung) und gibt einen Überblick zum bestehenden For-schungs- und Entwicklungsbedarf. Dieses Kapitel ist bewusst knapp gehalten, da zu diesem Themenbereich bereits eine Reihe von Veröffentlichungen vorliegt. Zu nennen ist hier insbesondere eine aktuelle Publikation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages (WD 2006). Die Mengenpotenziale zur Ablagerung von CO2 in geologischen Formationen sowie deren Risiken und Kosten werden in Kapitel III analysiert. Im Kapitel IV wird der Frage nachgegangen, welche Aussichten für die Integration von CCS-Kraftwerken ins Energiesystem bei den derzeitigen energiewirt-schaftlichen Rahmenbedingungen - z. B. dem Erneuerungsbedarf des Kraftwerksbe-stands - bestehen. Hier wird auch die Nachrüstung bestehender Kraftwerke mit CCS-Anlagen thematisiert und hinterfragt, welche Möglichkeiten für sog. "Capture-ready"-Kraftwerke existieren. Die öffentliche Wahrnehmung der CCS-Technologie wird in Kapitel V untersucht. Daneben werden Voraussetzungen und Möglichkeiten zur Ent-wicklung der gesellschaftlichen Akzeptanz dieser Technologie beleuchtet. Einen Schwerpunkt dieses Berichts bildet der Themenkomplex Recht und Regulierung (Kap. VI). Ausgehend von einer Defizitanalyse des derzeitigen Rechtsrahmens, werden kon-krete Möglichkeiten aufgezeigt, wie die rechtliche Zulässigkeit für CCS sichergestellt, Anreize für deren Umsetzung gesetzt sowie die Akzeptanzentwicklung unterstützt werden können. Zum Abschluss wird der Handlungsbedarf aufgezeigt, der beim derzei-tigen Wissens- und Entwicklungsstand der CCS-Technologie nach Einschätzung des TAB besteht.

Der vorliegende Bericht stützt sich wesentlich auf folgende, im Rahmen dieses Pro-jekts vergebene, Gutachten:

Den Hinweisen im laufenden Text kann entnommen werden, auf welche Gutachten die entsprechenden Kapitel rekurrieren. Die Verantwortung für die Auswahl und Strukturie-rung der darin enthaltenen Informationen sowie ihre Zusammenführung mit weiteren Quellen liegt beim Autor des vorliegenden Berichts. Den Gutachtern sei an dieser Stel-le nochmals ausdrücklich für die Ergebnisse ihrer Arbeit, die exzellente und stets an-genehme Zusammenarbeit und die ausgeprägte Bereitschaft zu inhaltlichen Diskussio-nen gedankt.

Ein herzlicher Dank geht an dieser Stelle auch an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des vom TAB durchgeführten Experten-Workshops, der am 18.01.2007 in Berlin statt-gefunden hat. Sie haben mit ihren Diskussionsbeiträgen und Anregungen wertvollen Input für die Erstellung dieses Berichts geliefert: Dr. S. Asmus (RWE Power AG), M. Blohm (Umweltbundesamt, UBA), Prof. Dr. G. Borm (GeoForschungsZentrum Pots-dam, GFZ), Dr. R. Brandis (BP AG), Dr. L. Dietrich (Osnabrück), Dr. O. Edenhofer (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, PIK), Dr. J. Ewers (RWE Power AG), Dr. J.P. Gerling (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR), Dr. G. von Goerne (Greenpeace e.V.), S. Hagedoorn (Ecofys Netherlands BV), Dr. W. Heidug (Shell International Renewables B.V.), Dr. H. Held (Potsdam-Institut für Klimafolgen-forschung, PIK), S. Lüdge (Vattenfall Europe Generation AG & Co. KG), Dr. P. Mar-kewitz (Forschungszentrum Jülich), Dr. P. Radgen (Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, ISI), K. Stelter (Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein e.V., DEBRIV), Dr. B. Stevens (Vattenfall Europe Generation AG & Co. KG), Dr. P. Vie-bahn (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, DLR), Dr. M. Vosbeek (Ecofys Netherlands BV).

Herrn Dr. Thomas Petermann gebührt aufrichtiger Dank dafür, dass er mit scharfem Auge und konstruktiven Kommentaren wesentlich zur Stringenz und Lesbarkeit des Berichts beigetragen hat. Last but not least sei Dr. Katrin Gerlinger und Dr. Christoph Revermann für das Korrekturlesen von Entwürfen gedankt sowie Ulrike Goelsdorf und Gaby Rastätter für die Unterstützung bei der Erstellung des Endlayouts.

 

Erstellt am: 14.08.2008 - Kommentare an: webmaster