Torsten Fleischer, Christiane Quendt

„Unsichtbar und unendlich“ – Bürgerperspektiven auf Nanopartikel
Ergebnisse zweier Fokusgruppen-Veranstaltungen in Karlsruhe

Karlsruhe: Forschungszentrum Karlsruhe 2007 (Wissenschaftliche Berichte, FZKA 7337), 78 Seiten
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Zusammenfassung

Obwohl sich viele der Ansätze, die als Nanotechnologie charakterisiert werden, noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden, gibt es bereits eine öffentliche Diskussion über die Chancen und Risiken ihrer vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten. Die empirische Forschung über die Wahrnehmung von und die Haltung der Öffentlichkeit zur Nanotechnologie ist, gerade auch in Deutschland, erst am Anfang. Einige quantitative Untersuchungen auf nationaler und europäischer Ebene liegen bereits vor, diese sind aber eher punktuell und untereinander kaum vergleichbar. Verallgemeinernd kann man formulieren, dass diese Studien zeigen, dass das Interesse der Öffentlichkeit an Nanotechnologie und ihr Wissen darüber eher gering sind. Nanotechnologie wird von den Bürgerinnen und Bürgern als eher diffuses Konzept wahrgenommen. Die Haltung der Öffentlichkeit zur Nanotechnologie, ihre Einschätzungen zu deren Möglichkeiten und Risiken ist vergleichbar mit ihrer Haltung zu Wissenschaft und Technik im Allgemeinen, weshalb Nanotechnologie auch als „no specific attitudes”-Technologie beschrieben werden kann.

Bei jungen Technologien stoßen quantitative Verfahren schnell an methodische Grenzen. Darum sind in den letzten Jahren in einer Reihe von Ländern - zum Großteil im Rahmen partizipativer Projekte - auch Untersuchungen unter Anwendung von Methoden der qualitativen Sozialforschung durchgeführt worden. Mit ihnen ist es einfacher möglich, die mit den vertretenen Positionen verbundenen Motive, Begründungen und Werthaltungen zu erheben. Damit einher geht die Hoffnung, frühzeitig potenzielle Problemfelder erkennen und zu einer gesellschaftlich konsensfähigen Technikgestaltung beitragen zu können. Die sicher prominentesten Methoden in diesem Bereich sind Fokusgruppen, citizens juries und Konsensuskonferenzen sowie Variationen dieser Verfahren.

Der vorliegende Report stellt die Ergebnisse zweier Fokusgruppen-Veranstaltungen mit zufällig ausgewählten Bürgern der Stadt Karlsruhe vor, die im Januar 2007 im Rahmen des BMBF-Projektes NanoCare durchgeführt wurden. In Fokusgruppen-Interviews, auch als moderierte Gruppeninterviews bezeichnet, können die Teilnehmer in der Diskussion mit Anderen ihre Meinungen austauschen und ihre eigenen Sichtweisen zur Debatte stellen. Auf diese Weise wird in einer alltagsähnlichen Situation ein breites Spektrum von Positionen deutlich und deren Bezüge und Hintergründe besser verständlich.

Im Rahmen der Veranstaltungen äußerten die meisten Teilnehmer, bisher wenig Bezug zum Thema „Nano“ gehabt oder auch nur davon gehört zu haben. Zwischen Nanopartikeln, dem eigentlichen Diskussionsgegenstand, und Nanotechnologie wurde in den Antworten kaum differenziert. „Nano“-Produkte waren den wenigsten bisher aufgefallen. Die meisten Teilnehmer kamen mit wenig Vorwissen, aber großer Offenheit und viel Neugier in die Diskussionsrunden.

Gefragt nach Chancen, die sich durch den Einsatz von synthetischen Nanopartikeln in Zukunft erschließen lassen würden, wurden vor allem Beispiele aus den Bereichen Medizin, Energie und Umwelt sowie „Alltagserleichterungen“ genannt. Im Gespräch über wahrgenommene Gefahren spielten Produktkategorien nur eine Nebenrolle, als einziges hier explizit genannt wurde die Verwendung in Lebensmitteln. Während die meisten Teilnehmer Forschung zur Nanotechnologie nahezu uneingeschränkt befürworteten - nahezu alle sprachen sich gegen ein Forschungsmoratorium aus -, problematisierten etliche zugleich eine „unreflektierte Kommerzialisierung“, eine Markteinführung unzureichend getesteter Produkte aus ökonomischem Interesse oder unter wirtschaftlichem Druck.

In der Gesamtschau überwog bei der Mehrheit der Teilnehmer trotz aller Skepsis im Detail eindeutig eine positive Grundhaltung. Dies kann jedoch nicht gleichgesetzt werden mit einer allgemein wohlwollenden, undifferenzierten Position. Vielmehr wurden in der vertiefenden Diskussion auch Einschränkungen und Abwägungen in Abhängigkeit von den Anwendungen deutlich. Häufig nahmen die Teilnehmer hier in einer Art Analogieschluss Rekurs auf (eigene) Erfahrungen mit „Problemtechniken“. Ein weiteres wichtiges Thema war die Rolle von Produktdeklarierungen als Grundlage informierter Entscheidungen. Des Weiteren erarbeitet wurden zahlreiche Hinweise für die Ausgestaltung eines öffentlich zugänglichen webbasierten Informationsangebotes zu Chancen und Risiken von synthetischen Nanopartikeln.

 

Erstellt am: 24.10.2007 - Kommentare an: webmaster