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Decker, M.; Grunwald, A.; Knapp, M. (Hrsg.):

Der Systemblick auf Innovation.
Technikfolgenabschätzung in der Technikgestaltung

Berlin: edition sigma, 2012, 469 S., engl. Brosch., 29.90 Euro
ISBN 978-3-89404-946-1 (Reihe: Gesellschaft – Technik – Umwelt. Neue Folge 16)

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Einleitung und Überblick

1 Systemanalytische Betrachtung technischer Innovationen durch Technikfolgenabschätzung (TA)

Technikfolgenabschätzung (TA) wurde von Beginn an mit dem Systembegriff verknüpft. Systemanalytisches Denken sollte dazu beitragen, das Spektrum der Technikfolgen möglichst umfassend zu erkennen, entsprechende Bewertungen vorzunehmen, Handlungsoptionen zu entwickeln und ggf. auch Empfehlungen auszusprechen. Der Systemblick bezog und bezieht sich dabei nicht nur auf technische, sondern auch und gerade auf soziotechnische Systeme und auf technische Anwendungen im gesellschaftlichen Kontext. Sein Kern liegt in der Berücksichtigung der gesellschaftlichen (ökonomischen, politischen, sozialen, kulturellen etc.) „Einbettung“ neuer Technologien. Insofern TA seit den 1980er Jahren verstärkt im Kontext der Technikgestaltung („shaping technology“) verortet wird – auf welchen Ebenen der Technology Governance auch immer –, hat sich der Systemblick zunehmend auf Innovationen erweitert.

In der Realisierung des „Systemblicks“ der Innovations- und Technikanalyse (ITA) und der Technikfolgenabschätzung (TA) treten (mindestens) drei grundlegende Probleme auf. Zum ersten handelt es sich hierbei um einen vorausschauenden Systemblick, in dem die bekannten Probleme der Unsicherheit prospektiven Wissens um die Breite und Komplexität der betrachteten Systeme gesteigert werden. Diese Steigerung der Unsicherheit wirft epistemologische Fragen auf und führt zu besonderen methodischen Herausforderungen an ITA- und Technology-Foresight-Verfahren. Zweitens müssen wissenschaftlich-technische Entwicklungen in einem zukünftigen Nutzungskontext vorgestellt werden, was die Kombination technischer und sozialer Systembetrachtungen erfordert und besondere Anforderungen an die Bestimmung der Systemgrenzen richtet. Als drittes Problem tritt ein charakteristisches Spannungsfeld zwischen „Umfassendheit“ und „Detailliertheit“ auf: Das systemanalytische Vorgehen zielt häufig auf quantitative Bestimmungen, welche einen hohen Detaillierungsgrad voraussetzen, der sich jedoch nur schwer für die gesamte Analyse realisieren lässt. Die Herausforderung besteht hier darin, einen „angemessenen“ Grad an Detailliertheit zu realisieren. In konkreten Projekten müssen Entscheidungen getroffen werden, welcher Detaillierungsgrad in welcher Analyse angestrebt wird und wie die Ergebnisse dieser Detailuntersuchungen in den größeren Rahmen integriert werden.

Die genannten drei Grundprobleme verhindern, dass der Systemblick in ITA und TA im Sinne eines naiven Planungsoptimismus eingesetzt werden kann. Auch wenn man mit einem TA-Blick zu einer nachhaltigen Technikgestaltung und Innovation beiträgt, kann dies, so die These, das Problem nicht intendierter Folgen nicht eliminieren: Die Integration systemisch denkender ITA in die Technikgestaltung transformiert Unsicherheiten, beseitigt sie aber nicht prinzipiell. Vielmehr geht es darum, der „Transformation“ dieser Unsicherheiten nachzuspüren und Wege zum Umgang mit ihnen aufzuzeigen. Der Systemblick wird hierbei dann fruchtbar, wenn TA von den unterschiedlichen gesellschaftlichen Formen der Folgenreflexion lernt und vor diesem Hintergrund den Raum demokratischen Entscheidens über Innovationen systematisch erweitert (Böschen, in Wächter et al. 2011).

2 Reflexion, Anwendungen und Methoden des Systemblicks in der Innovations- und Technikanalyse (ITA)

Der vorliegende Band dokumentiert und vertieft die auf der vierten Konferenz des Netzwerks Technikfolgenabschätzung (NTA) präsentierten und diskutierten Themen. So sollen die Inhalte der Konferenz sowohl der TA-Community als auch der breiteren, vor allem wissenschaftlichen Öffentlichkeit verfügbar und verwertbar gemacht werden. In den Beiträgen wird der prospektive Systemblick in ITA und TA reflektiert. Möglichkeiten und Grenzen in der Technikgestaltung und Innovationspolitik werden erkennbar gemacht. Eine weitere Intention des Bandes ist es, Anwendungsmöglichkeiten und Praxisbeispiele systemischer Betrachtungsweisen technischer Innovationen zu präsentieren, zu diskutieren und auszuwerten. Schließlich werden methodische und konzeptionelle Herausforderungen und Weiterentwicklungen auf diesem Gebiet herausgearbeitet und deren Möglichkeiten und Grenzen diskutiert.

TA und Systemanalyse stehen in einem komplementären Verhältnis zueinander, ist doch der Systemblick eine Grundvoraussetzung für eine umfassende Ermittlung von Technikfolgen (Wächter, in Wächter et al. 2011). Soweit sich Systemanalyse als Analyse und Konzeption komplexer technischer oder technisch beeinflusster Systeme versteht, kann sie daher als integraler Schritt von TA – insbesondere antizipierender TA – aufgefasst werden. Der Band „Der Systemblick auf Innovation – Technikfolgenabschätzung in der Technikgestaltung“ reiht sich daher in den thematischen Bogen der vorangegangenen Tagungsbände ein, wirft aber nach den stärker programmatisch ausgerichteten bisherigen Tagungen des Netzwerks TA wieder stärker den Blick auf konkrete Projekte in TA und ITA. Bei der NTA1 „Technik in einer fragilen Welt“ (Bora et al. 2005), der NTA2 „Technikfolgenabschätzung in der Weltgesellschaft“ (Bora et al. 2007) und der NTA3 „Technology Governance“ (Aichholzer et al. 2010) war jeweils ein Thema aufgerufen, das eher auf der Reflexionsebene angesiedelt war und das sich der TA aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven näherte.

3 Fragestellungen im vorliegenden Band

Mit diesem Tagungsband zur NTA4 soll aus den vorgenannten Gründen explizit der Fokus auf die Systemanalyse als Konzept der ITA mit ihren vielfältigen Methoden, wie etwa der Ökobilanz- und der Lebenszyklusanalyse gerichtet werden. Bisher gab es kaum Möglichkeiten, aktuelle Forschungsergebnisse von ITA und TA unter diesem Aspekt zu präsentieren. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass systemanalytischer Forschung eine zentrale Rolle bei der Bewertung drängender Problemlagen – beispielsweise im Energie- und Klimabereich – zukommt, und zwar sowohl mit Bezug auf die Bewertung bereits existierender Techniken als auch prospektiv zur Analyse zukünftiger Technologien (Foresight). Gerade auch hierbei ermöglicht es der Systemblick der TA, Innovationen samt ihrer inhärenten Wechselwirkungen ganzheitlich zu betrachten, Entwicklungsdynamiken sichtbar zu machen sowie mögliche nicht intendierte Folgewirkungen aufzuzeigen und als Risiko kenntlich zu machen (Böschen, in Wächter et al. 2011). Die systemische Betrachtungsweise bildet somit die Basis für die Aufgabe der TA, Debatten um Innovationen zu versachlichen, Optionen für deren Implementierung zu erarbeiten und hierdurch gesellschaftliche Meinungsbildung und politische Entscheidungen mit vorzubereiten.

Das vorliegende Buch nähert sich den zuvor beschriebenen Fragen zum einen auf der konzeptionellen Ebene und zum anderen anhand von konkreten Fallstudien („good practices“), um aufzuzeigen, wie ITA und TA mit den methodischen Herausforderungen der Systemanalyse umgeht. Nach den einleitenden Betrachtungen der Herausgeber beschäftigen sich die beiden einführenden Beiträge im ersten Abschnitt des Bandes mit kritischen Einsichten aus der Vergangenheit und möglichen Schlussfolgerungen für die zukünftige Entwicklung der Technikfolgenabschätzung aus der Perspektive der konzeptionellen TA. Diese Überlegungen werden in den weiteren Beiträgen durch zwei konkrete Beispiele ergänzt, die den Umgang mit den Themen Ökobilanzierung und Ökoeffizienz-Analyse aus der praxisbezogenen Sicht privatwirtschaftlicher Unternehmen behandeln.

In den nachfolgenden beiden Abschnitten „Infrastrukturelle Innovation – Transition Management“ und „Schlüsseltechnologien – zwischen Anwendungsoffenheit und Innovation“ richten die Autorinnen und Autoren den Fokus auf zwei Typen von Systemblick, die in der Innovations- und Technikanalyse relevant sind und je unterschiedliche Herausforderungen für TA darstellen. Daran anschließend werden im Kapitel „Systemanalyse – methodische Herausforderungen für Technikfolgenabschätzung“ konkrete Methoden der TA vorgestellt, bevor im letzten Abschnitt themenoffene Kurzbeiträge aus der Innovations- und Technikanalyse (ITA) und der Technikfolgenabschätzung (TA) den Band abschließen. Die im vorliegenden Buch behandelten Themenbereiche reichen vom Umgang mit systemischen Risiken, wie beim Umgang mit persönlichen Informationen, über die Systemanalyse von Agro-Gentechnik und Nanotechnologie bis hin zur methodischen Begleitung von Innovationsprozessen wie Mensch- Technik-Interaktionen und dem Umbau von Energiesystemen. Dadurch spiegeln die Beiträge die gesamte thematische Vielfalt der Anwendung systemanalytischer Betrachtungsweisen wider.

4 Überblick über die Beiträge

Theorie systemanalytischer Betrachtungsweisen und Praxisbeispiele aus angewandter und industrieller Forschung

In diesem ersten thematischen Hauptabschnitt des vorliegenden Bandes zieht zunächst Arie Rip, ausgehend von der Geschichte der Technikfolgenabschätzung seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, Schlussfolgerungen für denkbare zukünftige Entwicklungen auf dem Gebiet der TA. Er widmet sich hierzu gesellschaftlichen Wandlungsprozessen, die expliziten systemischen Herangehensweisen zugrunde liegen und durch sich entwickelnde soziotechnische Systeme angetrieben werden. Diesen breiten Ansatz führt Rip mit besonderer Fokussierung auf Technikgestaltung und deren Einbettung in die Gesellschaft aus, wobei er ein Bild aufzeigt, wie sich TA langfristig als Wissenschaft etablieren könnte, indem sie sich den durch Technikinnovationen generierten Herausforderungen stellt. Hierbei nimmt er unter anderem Bezug auf die Notwendigkeit der Einbeziehung der Gesellschaft in Entscheidungsprozesse zu Technikentwicklung sowie der frühzeitigen Identifizierung relevanter Chancen und Risiken neuer Technologien. Abschließend gibt er einen Ausblick auf eine zu entwickelnde „Theorie“ der TA und zeigt die Konsequenzen für Produktionsprozesse begleitende TA auf.

Da disziplinäre Beschreibungen ubiquitärer Innovationen lediglich Detailerkenntnisse zu liefern imstande sind, fordert Gerhard Banse in seinem anschlie ßenden Beitrag, sich der komplexen, facettenreichen Natur von Innovationsprozessen durch die Herausbildung von Innovationskulturen zu nähern. Ausgehend von einer integrativen Betrachtungsweise der Notwendigkeiten, der geplanten Verläufe und der nicht intendierten Auswirkungen von Technikinnovationen analysiert der Autor das Konzept der Innnovationskultur. Er beleuchtet dabei sowohl den zeitlichen Werdegang von Innovationsprozessen unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren, die soziotechnische Innovationen beeinflussen, als auch die Bemühungen, Werte, Normen und symbolische Bedeutungen über dieses Konzept in Innovationssysteme zu integrieren. Vor dem Hintergrund der Vielfalt, der Widersprüchlichkeit, der Unterschiedlichkeit der Analyse- bzw. Betrachtungsebenen sowie der mangelnden Operationalisierbarkeit des Kulturbegriffs wird schließlich eine Antwort auf die Frage erarbeitet, ob denn „Innovationskultur“ „alter Wein in neuen Schläuchen“ oder „neuer Wein in alten Schläuchen“ sei.

Während die ersten beiden Autoren in ihren Beiträgen den Umgang der TA mit Innovationen aus theoretisch-konzeptioneller Sicht beleuchten, werden nun zwei konkrete Beispiele ausgeführt, die zeigen, wie systemische Bewertungen in der angewandten und industriellen Forschung durchgeführt werden. Rolf Frischknecht beschreibt anhand eines konkreten Forschungsprojektes, wie die Kombination von Life Cycle Assessment, Technology Foresight, External Cost Assessment und Energy Modelling sowie die Nutzung der hierbei entstehenden Synergien zu einer effektiveren Planung langfristig orientierter Strategien für nachhaltigere Energiesysteme in Europa beitragen können. Mit besonderem Fokus auf zukünftige Stromerzeugungstechnologien werden die Anforderungen an die einzubeziehenden Komponenten einer strukturierten Ökobilanzierung der untersuchten Systeme analysiert. Danach wird detailliert aufgezeigt, wie aus diesen mittels Szenarien und Modellen tragbare Zukunftseinschätzungen bezüglich der Auswirkungen verschiedener Entwicklungswege der Energiegewinnung erarbeitet werden.

Im letzten Beitrag des einleitenden Kapitels führen Marianna Pierobon und Peter Saling in die Methodik der Nachhaltigkeitsbewertung der Entwicklung von Produkten und Verfahren beim Industrieunternehmen BASF mithilfe des firmeneigenen Konzepts der Ökoeffizienz-Analyse ein. Hierzu werden unter der Prämisse des größtmöglichen Kundennutzens Daten aus sämtlichen Lebenswegabschnitten eines Produkts erfasst und unter Berücksichtigung ökologischer Kriterien und ökonomischer Modelle hinsichtlich ihrer Ökoeffizienz und möglicher zukünftiger Entwicklungen bewertet. Anhand konkreter Beispiele wird aufgezeigt, wie die auf dieser Grundlage mögliche quantitative Bewertung von Nachhaltigkeitskriterien hilfreiche Aussagen zur Weiterentwicklung technischer Systeme liefern kann. Nachdem im ersten Abschnitt des Bandes nunmehr gewissermaßen ein erster Bogen von der Theorie zur Praxis geschlagen wurde, widmen sich die beiden nachfolgenden Kapitel den verschiedenen Arten von Systemblick in der TA, wobei auch hier zunächst eher konzeptionelle Beiträge in die Thematik einführen und anschließend konkretere Praxisbeispiele für den Umgang mit Technikinnovationen aufgezeigt werden.

Systemblick I: Infrastrukturelle Innovation – Transition Management

Die Beiträge dieses Kapitels widmen sich systemischen Betrachtungsweisen in ITA und TA zu infrastrukturellen Transformationsprozessen. Nach einführenden Betrachtungen von Risiken, die sich im Rahmen dieser Transitionen ergeben, werden in den nachfolgenden Unterkapiteln Transformationen in den drei Systemen Verkehr, Information und Energie analysiert. Für Innovationen, selbst wenn sie in der „Ex-ante“-Analyse erfolgversprechende und gesellschaftlich wünschenswerte Veränderungen mit sich bringen, stellen die in sich gefestigten und in allen Gesellschaftsbereichen implementierten Infrastrukturen dieser Systeme hohe Umsetzungshürden dar.

Risiken sich transformierender Systeme

Stefan Böschen nähert sich in seinem Beitrag der Innovations-Risiko-Politik, indem er die Herausforderungen für die Systematisierung von Wissen – und Nichtwissen – aufzeigt, die sich aus der beschleunigten Produktion von Technikinnovationen und der erforderlichen Reaktion auf das Innovationsgeschehen in Transformationsprozessen ergeben. Aufbauend auf einer Analyse des Problems der Pluralisierung von Wissen behandelt er die Unterschiede zwischen Innovationsund Reflexionskulturen sowie Innovations- und Assessment-Regimen und leitet daraus mögliche Perspektiven für eine Innovations-Risiko-Politik ab.

Im Anschluss daran entwickelt Christian Büscher Thesen zur interdisziplinären Risikoforschung vor dem Hintergrund möglicher Auswirkungen von Eingriffen in die komplexen Wirkungszusammenhänge ökologischer und sozialer Systeme. Er geht dabei der Frage nach, ob und welche Mechanismen der systematischen Produktion von Risiken und Gefahren existieren. Hierzu diskutiert er die Brauchbarkeit des Begriffs „Systemische Risiken“ im Zusammenhang mit Technikfolgenabschätzung sowie die Frage, ob es legitim ist, bei der Nebenfolgen-„ Produktion“ eines Normalbetriebs in einem soziotechnischen System von einer systemischen Selbstgefährdung zu sprechen. Dies wird an einem konkreten Beispiel aus der Krankenbehandlung plausibilisiert.

Ulrich Dolata widmet sich den Charakteristika soziotechnischer Umbrüche, die zwar als tiefgreifender Wandel und – vor allem rückblickend – als radikaler Umbruch empfunden werden, bei genauerer Analyse jedoch als Resultat längerfristiger gradueller, zwischen Kontinuität und Bruch anzusiedelnder technologischer und sozioökonomischer Veränderungen zu verstehen sind. Er identifiziert Formen oder Modi graduellen Wandels und entwickelt vier sich aus der Variabilität der jeweils zugrunde liegenden Rahmenbedingungen ergebende, für die Analyse und Einordnung von Umbrüchen verwendbare Varianten von Transformationen und beleuchtet darauf aufbauend, ab wann sich tatsächlich substanziell neue Systemqualitäten ergeben.

Innovationen in und aus Verkehrssystemen

Im ersten Beitrag zum Themenkomplex „Verkehr“ gibt Martin Schiefelbusch einen Einblick in die sozialwissenschaftliche Betrachtung der sinnlichen Wahrnehmung des Unterwegsseins durch den Reisenden selbst und stellt sich der Herausforderung, diese in der traditionellen wissenschaftlichen Betrachtung bislang kaum betrachtete Facette für die praktische Bewertung und die Gestaltung von Angeboten im öffentlichen Verkehr zu erschließen. Hierzu stellt er ein Verfahren vor, das mithilfe speziell entwickelter Kriterien sowohl Kunden eine Beurteilung der Erlebensqualität ermöglicht als auch eine anschließende Analyse durch die Verkehrsplanung erlaubt, die zur Verbesserung ihrer Angebote beitragen kann.

Auch Jens Schippl beschäftigt sich mit einem von Wissenschaft und Industrie entwickelten vielversprechenden neuartigen Angebot, nämlich der Elektromobilität. Diese Technologie muss sich in einem sehr gefestigten Technik- Infrastruktursystem mit etablierten Mobilitätsmustern behaupten, was für eine erfolgreiche Transformation eine nicht unerhebliche Hürde darstellt. Analysiert wird die Frage, ob sich batteriegetriebene Elektrofahrzeuge künftig bestehenden Mobilitätsmustern anpassen oder ob das Wechselspiel mit der technologischen Entwicklung diese selbst verändern wird und wie sich in diesem dynamischen Prozess das Zusammenspiel verschiedenster Faktoren auswirkt.

Am Beispiel der im Zusammenhang mit Elektromobilität entwickelten Brennstoffzellentechnologie erläutern Jörg Musiolik und Jochen Markard die Bedeutung unterstützender Strukturen bei Technologieinnovationssystemen, im Besonderen solcher, die aus firmenstrategischen Überlegungen heraus aktiv kreiert werden. Hierbei wird erstmals detailliert analysiert, wie diese durch das Zusammenspiel vieler Akteure aus Netzwerken und Infrastrukturen heraus entstehen, welche Ressourcen hierbei genutzt werden und wie sich strategische Entscheidungen und die Entwicklung neuer, radikaler Technologieinnovationen gegenseitig beeinflussen.

Änderungen bei Informationssystemen

Durch die Ubiquität persönlicher Daten im Zuge der fortschreitenden Entwicklung hin zur Informationsgesellschaft stellt auch der Umgang mit personenbezogenen Daten vielfältige Herausforderungen an Gestaltungsprozesse innovativer Technologien. Walter Peissl entwickelt daher am Beispiel von Forschungen zur Privatsphäre Vorschläge für eine Technikgestaltung, die den Datenschutz als Designmerkmal in den Mittelpunkt der Überlegungen rückt. Spannend ist hierbei, wie TA Technikentwicklern Lösungsansätze für eine möglichst frühzeitige Einbettung datenschutzrelevanter Merkmale in den Technikentstehungsprozess liefern kann, ohne die technische Funktionalität zu beeinträchtigen.

Auch Regine Kollek widmet sich mit ihren Überlegungen zu Humanbiobanken einem soziotechnischen System, innerhalb dessen eine Vielzahl personenbezogener Daten mit Eigenschaften menschlicher Körpersubstanzen verknüpft sind. Vor dem Hintergrund, dass diese auch nach ihrer Abtrennung vom menschlichen Körper untrennbar mit gesellschaftlichen Werten und Normen verbunden sind, stellen sich an Biobanken als techno-normative Systeme besondere Anforderungen, die über das in anderen Systemen Notwendige hinausgehen. Die Autorin analysiert empirisch, inwieweit Datenbanken angesichts des ethischrechtlichen Doppelcharakters des Materials die strukturelle und prozedurale Integration solcher Aspekte gelingt.

Im dritten Beitrag dieses Abschnitts schließt sich hieran die Gestaltungs- und Folgenanalyse eines weiteren Systeminnovations- und Transformationsprozesses im Umgang mit Information an. Georg Aichholzer und Stefan Strauß betrachten zunächst die bisherigen Entwicklungen, Heterogenitäten und Nutzendefizite bei der Einführung nationaler elektronischer Identitätsmanagementsysteme (eIDMS) sowie den theoretischen Ansatz der Systeminnovation als speziellen Typ soziotechnischen Wandels. Darauf aufbauend wird dargelegt, welche Faktoren und Wechselwirkungen bei der Einführung eines nationalen eIDMS beteiligt sind, und am konkreten Fall Österreichs werden aktuelle Entwicklungen analysiert.

Transformation von Energiesystemen

Der letzte Teil dieses Kapitels widmet sich dem Systemblick auf Innovationsprozesse im Bereich von Energieinfrastrukturen. Zunächst thematisiert Ruth Klüser neue Herausforderungen für elektrische Hochspannungsnetze, die sich aus Änderungen in den politischen, ökologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen für die Stromversorgung ergeben. Die Autorin beginnt mit einer Analyse von strukturellen Umbrüchen bei Strombedarfen, -märkten und -handel und verweist auf die Notwendigkeit der Planung und des Baus neuer Stromtrassen infolge der vermehrten Einspeisung erneuerbarer Energien. Anschließend stellt sie eine transdisziplinäre Studie zur Regulierung elektrischer Netze vor und zieht Schlussfolgerungen für einen besseren Umgang mit potenziellen Zielkonflikten durch einen prospektiven Systemblick.

Vor dem Hintergrund von Dezentralisierungsprozessen in der elektrischen Energieversorgung und den Erfordernissen von Klimaanpassungsstrategien erläutern Sönke Stührmann, Arnim von Gleich, Urte Brand und Stefan Gößling- Reisemann das Leitkonzept der Resilienz als Weg zur Entwicklung weniger störungsanfälliger Energiesysteme. Ausgehend von der Analyse des Status quo und Thesen zur Governance dieses Innovationsprozesses widmet sich der Beitrag Fragen nach einem angemessenen Umgang mit Unsicherheiten im Bereich der Energieinfrastrukturen sowie nach den Einflussmöglichkeiten auf Technikgestaltung und die Etablierung „gerichteter Innovationsprozesse“.

In ihrem Beitrag gehen Harald Rohracher, Michael Ornetzeder und Petra Wächter davon aus, dass aufgrund einer grundlegenden Transformation des Energiesystems in den kommenden Jahrzehnten ein komplexer gesellschaftlicher Gestaltungs- und Lernprozess erforderlich ist, an dem eine Vielzahl von Akteuren beteiligt sein sollte. Die Autoren führen aus, welchen Beitrag TA in diesem Prozess leisten kann, und zeigen anhand eines konkreten Projekts, wie langfristige Zielsetzungen mit der Analyse konkreter Handlungsstrategien verknüpft werden können. Am Ende dieses Prozesses stehen qualitative soziotechnische Szenarien, die notwendige grundlegende Änderungen sowie Kernhandlungsfelder für ein nachhaltiges Energiesystem in Österreich beinhalten.

Systemblick II: Schlüsseltechnologien – zwischen Anwendungsoffenheit und Innovation

In diesem Kapitel soll der TA-Systemblick speziell auf Innovationsprozesse gerichtet werden, die aus zunächst recht anwendungsoffenen Schlüsseltechnologien erwachsen können, bei deren Umsetzung im Gegensatz zu den zuvor behandelten Themenfeldern die Hemmwirkung gefestigter Infrastruktursysteme von geringerer Bedeutung ist. Vielmehr müssen solche Innovationen in neuen oder sogar zukünftigen Systemen etabliert und dabei teilweise noch nicht vorhandenes Systemwissen zunächst durch einen methodischen Schritt, z. B. Roadmaps oder Szenarioanalyse, generiert werden. Wieder nähern sich die Autoren zunächst auf einer eher konzeptionellen Ebene der Problematik an, um sich anschließend im Speziellen den Themenkomplexen der landwirtschaftlichen Biotechnologie und nachhaltiger Innovationen in der Materialforschung, vor allem der Nanotechnologie, zu widmen.

Innovationen bei neuartigen Technologien

Im ersten Beitrag widmen sich Markus Will und Wolfgang Gerstlberger Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Technikfolgenabschätzung und Innovationsmanagement. Unter Bezugnahme auf zahlreiche Beispiele aus der jüngeren TA-Geschichte werden die jeweiligen Charakteristika der beiden Forschungsfelder Innovations- und Technologieanalyse herausgearbeitet. So zeigt sich zunächst, dass beide sich demselben Objekt – neuartigen Technologien – widmen und vor dem Hintergrund gleicher Rahmenbedingungen gestaltend auf Innovationsprozesse einwirken. Mithilfe detaillierter Betrachtungen zu Unterschieden in Herangehensweisen und hierfür angewendeten Mitteln entwickeln die Autoren Lösungsansätze für die Frage, was beide Formen der ITA voneinander lernen können.

André Gazsó, Petra Wächter, Markus Schmidt und Angela Meyer stellen im Anschluss daran am Beispiel einer Pilotstudie zu Converging Technologies (CT) in Österreich exemplarisch dar, in welcher Weise TA einen konkreten Systemblick auf Technikinnovationen richten kann. Hierbei wird zunächst das Begriffsfeld der CT einer eingehenderen Analyse unterzogen und in den Kontext bestehender benachbarter Konzepte gestellt. Nach Betrachtungen zur Eignung des Begriffs selbst werden im Rahmen von Workshops mit Akteursbeteiligung erarbeitete neue Erkenntnisse zu Rahmenbedingungen für Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeiten für CT in Österreich vorgestellt.

Systemblick auf Grüne Gentechnik

Der folgende Themenblock widmet sich durch agrarbiotechnologische Innovationen aufgeworfenen Problemstellungen. Im einführenden Beitrag richtet Stephan Albrecht seinen Blick auf übergreifende Systemfragen der Pflanzenbiotechnologie. Vor dem Hintergrund der Methoden- und Anwendungsentwicklung entfaltet er einen Zugang zur systemaren Betrachtung der Grünen Gentechnik und analysiert die Einflüsse disziplinärer Paradigmen auf die zugehörigen Technikinnovationen. Er vergleicht Diskrepanzen zwischen legitimatorischen Ankündigungen und tatsächlich durchgesetzten Innovationen und zieht nach der Betrachtung interferierender Systeme und konkurrierender Interessen der beteiligten Akteure Schlussfolgerungen zum System Pflanzenbiotechnologie.

Nicole Schulze und Martin Knapp stellen einen praktischen Ansatz vor, der Nicht-Experten einen Zugang zu einem systemischen Verständnis der zuvor dargestellten komplexen Zusammenhänge im Themenfeld Agrarbiotechnologie ermöglichen soll. Anhand von Szenario-Workshops, die im Rahmen eines Diskursprojekts neu konzipiert und erstmals mit Studierenden durchgeführt wurden, demonstrieren die Autoren, wie Laien innerhalb eines mehrstufigen Verfahrens kohärente Zukunftsbilder denkbarer technologischer Entwicklungen entwerfen können. Aus der Analyse der Auswahl relevanter Faktoren und der wesentlichen Inhalte der Szenarien entwickeln die Autoren vier Grundtypen denkbarer Weiterentwicklungen Grüner Gentechnik als Orientierung für die Technologiegestaltung.

Ebenfalls vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Diskurse beschäftigt sich Axel Siegemund eingehender mit der Rolle der Begriffe „Natur“ und „Technik“ bei der systemischen Bewertung der Anwendung von Gentechnik bei Nutzpflanzen. Die anscheinend unauflösbaren gesellschaftlichen Kontroversen um die Untersuchung von Sicherheitsfragen und möglichen Risiken führt zur Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung Grüner Gentechnik als Zukunftstechnologie und als existenzbedrohende Risikotechnologie und zu der Schwierigkeit, sich zu einer der beiden Positionen bekennen zu müssen. Aus dem Spannungsfeld Natur – Kultur – Mensch leitet der Autor Minimalbedingungen für die technische Modifikation der Natur her.

Nachhaltige Technologieinnovationen

Mit weiteren Formen von Technikentwicklungen, die die Natur potenziell beeinträchtigen, sowie der Implementierung nachhaltiger technologischer Lösungen beschäftigen sich die Autoren des dritten Themenblocks. Matthias Achternbosch, Christel Kupsch, Eberhard Nieke und Gerhard Sardemann stellen in ihrem Beitrag systemanalytische Untersuchungen zum Innovationsprozess neuer zementärer Bindemittel vor, die zum Ziel haben, die CO2-Emissionen im Vergleich zur klassischen Zementherstellung zu verringern. Nach Betrachtung der bisherigen Maßnahmen der Zementindustrie zur CO2-Reduktion und alternativer Lösungsmöglichkeiten werden Überlegungen zur Abschätzung von Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Implementierung neuartiger Produktionstechnologien angestellt.

Claudia Som stellt ihre Erkenntnisse zu TA für nachhaltige Innovation vor, die sie im Rahmen einer Fallstudie am konkreten Beispiel von Nanotextilien erarbeitet hat. Ziel ist, die besonderen Materialeigenschaften von Nanopartikeln zur Entwicklung langlebiger, funktionaler Produkte nutzbar zu machen, dabei aber mögliche ökologische, ökonomische und gesundheitliche Risiken zu vermeiden. Nach der Darstellung der verschiedenen Anwendungsarten nanoskaliger Materialien und damit verbundener Unsicherheiten werden Handlungsoptionen und Faktoren für ein sicheres Design abgeleitet und zusammen mit prospektiven Abschätzungen potenzieller Umweltwirkungen Schlussfolgerungen zum weiteren Vorgehen gezogen.

Den Möglichkeiten der Umweltentlastung durch Nanotechnologie widmet sich Michael Steinfeldt. Der Frage nachgehend, ob es sich bei den mit dieser Technologie verbundenen Erwartungen um weitreichende Innovationssprünge oder nur um inkrementelle Verbesserungen handelt, führt der Autor eine Bestandsaufnahme existierender und in Kürze zu erwartender Anwendungen umweltrelevanter Nanoprodukte sowie eine Potenzialanalyse durch. Auch wird gezeigt, wie die Problematik einer Quantifizierung von Umweltwirkungen synthetisch hergestellter Nanopartikel deren Evaluation erschwert.

Systemanalyse – methodische Herausforderungen für Technikfolgenabschätzung

Quer zu den beiden grundlegend unterschiedlichen Formen des Systemblicks der TA, die in den vorangegangenen Kapiteln dargestellt wurden, liegen die zu Beginn der Einleitung angedeuteten Spannungsfelder und Herausforderungen: der prospektive Systemblick, die Kombination technischer und sozialer Systemaspekte sowie das Verhältnis zwischen Detailtiefe und Umfassendheit. Die Entwicklung und Erprobung methodischer Lösungen zum besseren Umgang mit 22 Michael Decker, Armin Grunwald, Martin Knapp dieser Problematik ist gleichzeitig eine reizvolle Herausforderung für die Technik- Innovations-Forschung. Möglichkeiten und Grenzen der vor diesem Hintergrund generierten und adaptierten Methoden, die jeweils in Projektkontexten diskutiert werden, sind daher Gegenstand dieses Kapitels.

Systeminnovation und vorausschauende Technikgestaltung

Zu Beginn untersuchen Wolfgang Liebert und Jan C. Schmidt die ihrer Ansicht nach bislang unterreflektierte Rolle von Szenariomethoden als unterstützende Methodologie zur Generierung unerlässlichen Zukunftswissens für eine frühzeitige Technikgestaltung. In Ermangelung eines klaren Szenarienbegriffs wird zunächst beschrieben, wie sich das Verständnis zentraler Kennzeichen und zu leistender Funktionen von Szenariomethoden vor dem Hintergrund sich ändernder gesellschaftlicher Paradigmen gewandelt hat. Anschließend widmet sich der Beitrag Differenzierungen, die als Basis für die Beantwortung grundsätzlicher Fragen der Generierung von Folgenwissen dienen können. Aus den sehr differenzierten Betrachtungen und der Typisierung von Szenariomethoden eröffnen die Autoren Perspektiven für Kontexte zukünftiger Anwendungen in der Technikentwicklung.

Mit der Frage nach dem Systemblick in Foresight-Prozessen und den Umsetzungsmöglichkeiten systemischer Zukunftsperspektiven in der Innovationsund Forschungspolitik setzen sich Philine Warnke und Bruno Gransche auseinander. Hierzu werden zunächst theoretische Überlegungen zum Wesen von und zu Erwartungen an Foresight-Prozesse angestellt, aus denen Bedarfs- und Innovationsfelder überbrückende Prioritäten mit systemischem Charakter für Forschungs-, Innovations- und Technologiepolitik abgeleitet werden können. Im Anschluss daran werden aus den Erfahrungen in der Umsetzungsphase des 2009 abgeschlossenen „BMBF-Foresight Prozesses“ erste Schlussfolgerungen für den Umgang mit solchen hybriden Prioritäten und die damit verbundenen Hemmnisse für den Systemblick gezogen.

Marcel Weil zeigt an einem konkreten Beispiel, wie ein systemanalytischer Ansatz in der frühen Entwicklungsphase einer technischen Produktinnovation helfen kann, mit Unsicherheiten umzugehen und die Defizite klassischer Herangehensweisen zu kompensieren. Gegenstand der Betrachtung ist die Kombination fallspezifisch adäquater TA-Methoden im Design- und Produktionsprozess eines Kohlenstoffnanoröhren-Papiers, welches herausragende technische Eigenschaften aufweist. Diskutiert wird dies anhand von Ergebnissen der Fallstudie, die Lebenszyklusanalysen, Nachhaltigkeitsabschätzungen und potenzielle Risiken bei der Freisetzung von Nanopartikeln in die Betrachtungen einbezieht.

Gestaltung von Mensch-Technik-Interaktionen

Methodische Herausforderungen ähnlicher Art erfordert das Forschungsfeld neuartiger soziotechnischer Systeme, in denen Mensch und Maschine direkt miteinander interagieren. Lars Adolph geht am Beispiel von Head Mounted Displays systemischen Fragen rund um die Analyse und Gestaltung solcher Technikinnovationen nach. Eine wesentliche Herausforderung ist dabei, zukunftsrelevante technologische Entwicklungen zu identifizieren und deren potenzielle Auswirkungen für die menschliche Arbeitssicherheit und Gesundheit sowie soziale, ökologische und ökonomische Bedeutungen zu antizipieren und gleichzeitig Impulse aus der entwicklungsbegleitenden Funktionsanalyse in das Design einzubeziehen.

Karsten Weber untersucht in seinem Beitrag die Grenzen der Voraussehbarkeit und Gestaltung anhand der ubiquitären Informations- und Kommunikationstechnologie und nimmt hierbei neue Konzepte der Interaktion mit Computersystemen in den Fokus, bei denen aufgrund geräteunabhängiger Funktionalitäten die Wahrnehmbarkeit der Technik als solche in den Hintergrund tritt. Er setzt sich kritisch mit der Kontrollfunktion und der Notwendigkeit des institutionellen Rahmens sowie anhand einer konkreten Anwendung mit nicht intendierten Auswirkungen auseinander. Anschließend beleuchtet er Subkulturen als schwer einschätzbare Quellen von Technikinnovationen, um schließlich spezielle Fälle der Entwicklung von Innovationen aufzuzeigen, bei denen die Folgenantizipation problematisch ist.

Methodik der Systemanalyse bei Energieinnovationen

Mit den Folgen der Integration erneuerbarer Energien in die Stromversorgung und dadurch notwendiger Ausgleichsstrategien beschäftigt sich Bert Droste- Franke. Er bedient sich hierzu des methodischen Ansatzes des Projektgruppenprinzips, das in einem mehrstufigen interdisziplinären Analyse- und Diskussionsprozess konsistente Handlungsempfehlungen zum Umgang mit und zur Gestaltung von Technikinnovationen liefert. Da hierfür nur unzureichende oder nicht genügend konsistente Veröffentlichungen vorliegen, werden weitere systemanalytische Elemente herangezogen. Die hierzu an mehreren Stellen des Prozesses notwendigen Schritte werden am Beispiel der Rolle von Energiespeichern und virtuellen Kraftwerken exemplarisch dargestellt.

Auch Stefan Gößling-Reisemann, Sönke Stührmann, Jakob Wachsmuth, Arnim von Gleich, Jürgen Gabriel und Sabine Meyer nähern sich mit ihrem Beitrag dem Grundproblem der Unsicherheit bei der Systemanalyse von Transformationsprozessen in Energieversorgungssystemen anhand eines konkreten Projekts zu Perspektiven klimaangepasster Innovationen. Unter Berücksichtigung der Innovationspotenziale regionaler Energieversorgungssysteme sowie

Mit der Methode des Backcasting, das ausgehend von normativen Szenarien rückblickend Strategien zur Erreichung von Systeminnovationen erarbeitet, werfen Petra Wächter, Anna Schreuer, Harald Rohracher und Michael Ornetzeder einen systemischen Blick speziell auf räumliche Aspekte eines zu entwickelnden nachhaltigen Energiesystems. Der kurzen Einführung in die Vorgehensweisen und den besonderen Nutzen des Backcasting durch die Möglichkeit der Einbeziehung vielfältiger, auch gesellschaftlicher Interessen und Faktoren folgt die Betrachtung der konkreten Umsetzung im Rahmen eines Forschungsprojekts, bei dem Akteure an der Erarbeitung der Handlungsoptionen mit beteiligt waren.

Innovationsmodelle und Ökobilanzen in Energiesystemen

Dino Laufer und Martina Schäfer analysieren ein Innovationsmodell zur Implementierung einer dezentralen Energieversorgung in Entwicklungsländern als Beitrag zur Sicherstellung des Zugangs zu Elektrizität und zur Armutsbekämpfung. Hierzu nehmen sie eine vergleichende systemanalytische Betrachtung zwischen häuslicher und lokaler Energieerzeugung, konkret zwischen „Solar Home Systems“ und Kleinwasserkraftanlagen oder Holzvergaseranlagen in Sri Lanka vor. Aufbauend auf innovationssoziologischen Theorieansätzen und der Akteur- Netzwerk-Theorie werden Genese, Ausgestaltung und Wirkungen des Modells und das Zusammenwirken aller Faktoren strukturiert dargestellt.

Jens Buchgeister fußt mit seinen Betrachtungen zur umweltbezogenen Entscheidungsunterstützung bei Energieumwandlungsprozessen auf der Methodik der Ökobilanzierung. Zunächst wird das Konzept vorgestellt sowie der für umfassende quantitative Abschätzungen der Umweltauswirkungen von Prozessen notwendige allgemeine Rahmen. Anschließend wird auf die zu berücksichtigenden Umweltaspekte eingegangen. Am Fallbeispiel eines Prozesses zur Stromerzeugung von 100 MWh mittels Hochtemperatur-Brennstoffzelle und allothermer Biomassevergasung werden die Ergebnisse der jeweils angewendeten Wirkungsabschätzungsmethoden vergleichend gegenübergestellt.

Themenoffene Kurzbeiträge aus TA und ITA

Als letzter Teil des Bandes schließt sich ein Kapitel mit Kurzbeiträgen vor allem von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern an. Es basiert auf den Beiträgen einer themenoffenen Postersektion, die traditionell auf den Konferenzen des Netzwerks TA speziell dieser Gruppe die Möglichkeit gibt, ihre aktuellen Forschungen – zumeist Dissertationsprojekte aus dem Bereich der Innovations- und Technikanalysen – einer breiteren Fachöffentlichkeit zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen. Das Kapitel zeigt daher in besonderem Maße die thematische Vielfalt in diesem Bereich auf, wobei viele Beiträge Themen behandeln, die bereits in den vorherigen Kapiteln angesprochen werden und unmittelbaren Bezug zum Thema Systemblick auf Technikfolgenabschätzung haben.

Dies trifft im Besonderen auf den Vergleich zwischen Szenariomethode und Konstellationsanalyse bei der Betrachtung von Bildungspotenzialen der Systemperspektive von Richard Beecroft zu. Florian Tüg nähert sich einer möglichen allgemeingültigen Interpretation des Technikbegriffs, indem er dessen Genese aus philosophischer Perspektive betrachtet. Ekaterina Zakharova richtet ihr Augenmerk auf Kommunikationsprozesse in inter- und transdisziplinären Projekten in der Technikfolgenabschätzung und untersucht diese eingehender im Spannungsfeld zwischen angestrebter Wissensfusion und durch disziplinäre Rahmungen bedingten Interessenspaltungen. Einige Beiträge widmen sich im weitesten Sinne medizintechnischen Innovationen, so die Betrachtung der Entwicklung von „lebendigen Maschinen“ im 18. Jahrhundert bis hin zur humanoiden Robotik der Gegenwart im Prinzip des „Homme machine“ des 21. Jahrhunderts von Marlen Jank. Dem Spannungsfeld von Wissen, Körper und Technik und den impliziten Dynamiken neurowissenschaftlicher und -technologischer Innovationsprozesse widmet sich Melike Sahinol. Am Beispiel einer medizintechnischen Innovation zur Aktivitätsmessung erläutert Mandy Scheermesser die Akzeptanzarbeit in soziotechnischen Innovationsnetzwerken sowie das reflexive und heterogene Verhältnis von Innovationen und Technikakzeptanz.

Weitere soziologische Perspektiven liefert Corinna Jung mit ihrer Analyse von Entscheidungen in Ethikkommissionen, in der sie einen Blick auf die Diskussionen zur rechtlichen Regelung von Patientenverfügungen in Deutschland wirft. Hannah Kosow erarbeitet Herausforderungen und Ansätze für Annahmen über Gesellschaft in Umweltsimulationen. Anna Schleisiek stellt die Konzeption einer mikrosoziologischen Studie zum Handeln von Forschungsgruppen bei der Einführung ökonomischer Prinzipien in die wissenschaftliche Praxis vor. André Baier beschreibt die Vorgehensweise der Projektwerkstatt Blue Engineering zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten in die Ingenieursausbildung. Der Frage der Bedeutsamkeit ethischer Aspekte bei Kaufentscheidungen stellt Nina Langen Erkenntnisse aus fünf Verbraucherstudien gegenüber. Claudia Reitinger, Nicole Kopriwa, Hanna Penner, Leona Piana, Matthias Dumke, Sara Fayyaz, Rafaela Hillerbrand und Andreas Pfennig erarbeiten Wege zur Integration sozialer Aspekte in die Bewertung technischer Prozesse.

Maike Puhe eruiert die Chancen innovativer Mobilitätskonzepte speziell für den Stadtverkehr. Annika Weiss untersucht mögliche Beiträge der Energieerzeugung mit Mikroalgen zur nachhaltigen Energieversorgung und -nutzung auf systemanalytische Weise. Henning Wigger und Arnim von Gleich nehmen basierend auf Produktanwendungsszenarien eine prospektive (Umwelt-)Expositionsabschätzung synthetischer Nanopartikel vor. Stefanie Seitz, Jutta Jahnel und Torsten Fleischer gehen am konkreten Fall gezielt hergestellter, partikulärer Nanomaterialien das Thema der Herausforderung an eine Stoffregulation unter wissenschaftlicher Unsicherheit an. Dieser Problematik stellen sich auch Christian Pade und Arnim von Gleich im Rahmen ihrer prospektiven und vorläufigen Risikoabschätzung synthetischer Nanopartikel. Aufgrund der gegebenen thematischen Breite und der vielfältigen inhaltlichen Querbezüge wäre eine stringente thematische Untergliederung der Kurzbeiträge nicht immer eindeutig zu treffen und würde der Vielfalt der dargestellten Themen nicht gerecht. Aus diesem Grund wurde im Kapitel selbst auf eine Gruppierung wie die hier exemplarisch angedeutete bewusst verzichtet und wurden stattdessen die Kurzbeiträge in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt.

Literatur

Aichholzer, G.; Bora, A.; Bröchler, St.; Decker, M.; Latzer, M. (Hg.) (2010): Technology Governance. Der Beitrag der Technikfolgenabschätzung. Reihe „Gesellschaft – Technik – Umwelt“, Bd. 13, Berlin

Bora, A.; Bröchler, St.; Decker, M. (Hg.) (2007): Technology Assessment in der Weltgesellschaft. Proceedings zur 2. Konferenz des Netzwerks TA (NTA2) in Berlin, 22.- 24.11.2006. Reihe „Gesellschaft – Technik – Umwelt“, Bd. 10, Berlin

Bora, A.; Decker, M.; Grunwald, A.; Renn, O. (Hg.) (2005): Technik in einer fragilen Welt. Die Rolle der Technikfolgenabschätzung. Proceedings zur 1. Konferenz des Netzwerks TA (NTA1) in Berlin, 24.-26.11.2004. Reihe „Gesellschaft – Technik – Umwelt“, Bd. 7, Berlin

Wächter, P.; Lingner, S.; Böschen, S. (2011): Der Systemblick auf Innovation – TA in der Technikgestaltung. Dreistimmige Berichterstattung zur NTA4 – Tagungsbericht. In: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis 20(1), S. 92-96

 

Erstellt am: 29.05.2012 - Kommentare an: webmaster