L. Leible, S. Kälber, G. Kappler, S. Lange, E. Nieke, P. Proplesch, D. Wintzer und B. Fürniß

Kraftstoff, Strom und Wärme aus Stroh und Waldrestholz
– Eine systemanalytische Untersuchung –

Karlsruhe: Forschungszentrum Karlsruhe 2007 (Wissenschaftliche Berichte, FZKA 7170), 117 Seiten
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Zusammenfassung

großes Bild Die durchgeführte systemanalytische Untersuchung zur Bereitstellung von Kraftstoff, Strom und Wärme aus Stroh und Waldrestholz hatte zum Ziel, das vom Forschungszentrum Karlsruhe unter dem Namen bioliq® verfolgte „Biomass-to-Liquid“(BtL)-Verfahrenskonzept zur Kraftstofferzeugung aus Biomasse in sein technisches, ökonomisches und umweltrelevantes Umfeld einzuordnen und zu bewerten. Hierzu wurden die spezifischen Vorteile, aber auch die bestehenden Nachteile des Verfahrens herausgearbeitet – dargestellt für die Produktion von Fischer-Tropsch-Kraftstoff – und mit konkurrierenden Alternativen verglichen. Als konkurrierende Verfahren wurden einerseits die Wärme- und Stromgewinnung durch direkte Verbrennung in Biomasse-Heizwerken bzw. Biomasse(heiz)kraftwerken und die Co-Verbrennung in Steinkohlekraftwerken mit berücksichtigt; dies schloss die thermochemische Vergasung zur Stromerzeugung mit ein. Andererseits wurden die auf fossilen Energieträgern (Heizöl, Import-Steinkohle, Diesel) basierenden Alternativen der Wärme-, Strom- und Kraftstofferzeugung dargestellt, die für Vergleiche hinsichtlich Subventionsbedarf, CO2-Minderung bzw. CO2-Minderungskosten unumgänglich sind.

Die vergleichende Gegenüberstellung und Bewertung der Verfahren zur FT-Kraftstoff-, Strom- und Wärmebereitstellung erfolgte vor allem anhand der Kenngrößen „Gestehungskosten“, „Subventionsbedarf“, „CO2-Minderung“ bzw. „CO2-Minderungskosten“. Dies mündet in den jeweiligen Kapiteln in der Ableitung einiger wesentlicher Schlussfolgerungen.

In Baden-Württemberg steht derzeit ein Aufkommen von rund 8 Mio. Mg oTS pro Jahr an biogenen Rest- und Abfallstoffen für eine energetische Nutzung zur Verfügung (s. Abb. 1); Stroh und Waldrestholz tragen mit 12 % bzw. 31 % wesentlich zu diesem Aufkommen bei. Zum Vergleich: In Deutschland liegt das Aufkommen bei rund 70 Mio. Mg oTS pro Jahr.

Abb. 1: Aufkommen an Stroh und Waldrestholz im Vergleich zu anderen biogenen Rest- und Abfallstoffen in Deutschland und Baden-Württemberg

Mit Blick auf die energetische Nutzung von Stroh und Waldrestholz zur FT-Kraftstoffproduktion kann nach den derzeitigen Abschätzungen keine einheitliche ökonomische Präferenz für das dezentrale oder für das integrierte zweistufige BtL-Konzept des Forschungszentrums getroffen werden. Beim dezentralen Konzept wird die Biomasse in dezentralen Pyrolyseanlagen zu Slurry – eine Mischung aus Pyrolyseöl und Pyrolysekoks – aufgearbeitet und anschließend zu einer zentralen Vergasungs- und Syntheseanlage zur weiteren Verarbeitung transportiert. Beim integrierten zweistufigen Konzept finden die angeführten Verfahrensschritte in einer zentralen Anlage statt. Im Falle von Stroh schneidet aufgrund der höheren Transportkosten (geringe Transportdichte der Strohballen) und des bereits hohen TS-Gehalts (86 % TS) das dezentrale Konzept ab einer Anlagengröße der zentralen Vergasungs-/Syntheseanlage von 4.000 MWin ökonomisch günstiger ab. Beim relativ feuchten Waldrestholz (50 % TS) stellt sich dagegen das integrierte Konzept ökonomisch vorteilhafter dar, da hier die Abwärme der zentralen Vergasungs- und Syntheseanlage kostengünstig zur Trocknung des Holzes eingesetzt werden kann.

Die ökonomischen Abschätzungen (vgl. Abb. 2) zeigen, dass FT-Kraftstoff („Synfuel“) bei der gemeinsamen Nutzung von Stroh und Waldrestholz zu Kosten von unter einem Euro pro Liter frei Anlage bereitgestellt werden könnte. Dabei wurde nach zwei Anlagengrößen mit einer Produktion von 0,2 bzw. 1,0 Mio. Jahrestonnen (jato) unterschieden. Zum Vergleich: Bei den hierzu in Konkurrenz stehenden Erdöl-Raffinerien muss eher von 10 Mio. jato an Kraftstoffproduktion ausgegangen werden. Je nach Anlagengröße könnte der FT-Kraftstoff – ohne Berücksichtigung der Mineralölsteuer – für rd. 1,00 € bzw. 0,90 € pro Liter frei Anlage bereitgestellt werden. Bei einem Rohölpreis von 65 $/bbl liegen bei Diesel die vergleichbaren Bereitstellungskosten frei Raffinerie bei rd. 0,45 €/l und sind somit nur halb so teuer. Erst durch die Berücksichtigung der Mineralölsteuer wird beim Diesel das für FT-Kraftstoff angeführte Kostenniveau von rd. 0,90 €/l erreicht.

Abb. 2: Gestehungskosten von FT-Kraftstoff aus Stroh und Waldrestholz – ein Vergleich mit fossilem Diesel

Die Ergebnisse zeigen, dass der Verzicht auf die Mineralölsteuer erst ab einem Rohölpreis von 65 $/bbl ausreichend ist, um den Wettbewerbsnachteil des FT-Kraftstoffs gegenüber Diesel (fossil) vollständig auszugleichen.

Die Biomassebereitstellung trägt – je nach Anlagengröße und Biomasseträger – 50-65 % zu den Kosten des FT-Kraftstoffs bei; folglich lassen sich hier über preiswerte Biomasseträger am ehesten die Kosten reduzieren. Insbesondere optimierte Logistikkonzepte zu Erfassung und Transport könnten wesentlich zur Kostenreduktion beitragen. Dass eine verstärkte Nachfrage nach Biomasse zu deutlich höheren Biomassekosten führen kann, zeigten beispielhaft die Preisentwicklungen auf dem Holzmarkt in Deutschland im Jahr 2006.

Beim Vergleich der Kraftstofferzeugung mit der Wärme- und Stromgewinnung aus Stroh und Waldrestholz wird deutlich, dass diese Alternativen näher an der Wettbewerbsfähigkeit sind bzw. diese bereits erreicht haben (vgl. Abb. 3). So zeigen die Ergebnisse, dass die Wärmebereitstellung bereits heute in der Regel nahezu ohne Subventionen auskommt. Ein Beleg hierfür ist die verstärkte energetische Nutzung von Holz im Wärmesektor.

Abb. 3: Gestehungskosten bei Wärme, Strom und Kraftstoff aus Stroh und Waldrestholz

Ausgehend von dem bestehenden Subventionsbedarf und der realisierbaren CO2-Minderung resultieren bei der Produktion von FT-Kraftstoff aus Stroh und Waldrestholz CO2-Minderungskosten, die deutlich über 200 €/Mg CO2-Äquivalent liegen. Bei der Verstromung liegen diese – mit Ausnahme der Festbettvergasung – unter 100 €/Mg CO2-Äq. Am günstigsten lässt sich die CO2-Minderung über die Wärmebereitstellung aus Biomasse realisieren – hier fallen nahezu keine bzw. sogar negative CO2-Minderungskosten an.

 

Erstellt am: 10.07.2007 - Kommentare an: webmaster