Thomas Petermann, Harald Bradke, Arne Lüllmann, Maik Poetzsch, Ulrich Riehm

Was bei einem Blackout geschieht.
Folgen eines langandauernden und großräumigen Stromausfalls.

Berlin: edition sigma 2011 (Studien des Büros für Technikfolgen-Abschätzung, Bd. 33), ISBN 978-3-8360-8133-7, 259 Seiten, kartoniert, 24.90 Euro
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EINLEITUNG

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1. VERLETZBARKEIT MODERNER GESELLSCHAFTEN

Als Lebensadern der modernen, hochtechnisierten Gesellschaften gelten ihre Infrastrukturen wie sichere Energietransportnetze, funktionierende Wasserversorgung, leistungsfähige Verkehrsträger und -wege sowie eine jederzeit zugängliche und nutzbare Informations- und Telekommunikationstechnik. Sie bilden zusammen mit weiteren Sektoren (wie Behörden und Verwaltung, Gesundheitswesen) die "Kritischen Infrastrukturen" moderner Gesellschaften (Abb. 1). Diese stellen die kontinuierliche Ver-sorgung der Bevölkerung mit (lebens)notwendigen Gütern und Dienstleistungen sicher. Von elementarer Bedeutung sind sie zudem für die Standortqualität und Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft im globalisierten Weltmarkt.

Abb. 1 ÜBERBLICK DER SEKTOREN KRITISCHER INFRASTRUKTUREN

Quelle: BMI 2009; Lenz 2009, S. 19

Alle Sektoren sind mehr oder weniger eng miteinander verflochten und voneinander abhängig (Lenz 2009, S. 20). Aufgrund ihrer hohen internen Komplexität sowie wegen zahlreicher wechselseitiger Abhängigkeiten und Interdependenzen müssen die Kritische Infrastrukturen aufwendig und teilweise global informationell vernetzt sowie auf verschiedenen Stufen kontrolliert und gesteuert werden. Ihre komplexe Konfiguration ist fehlerunfreundlich; schon kurze Unterbrechungen oder die Störung einer kleineren Komponente gefährden Systeminteraktionen und Prozessabläufe. Dies bedeutet auch, dass sich "mit immer geringeren Mitteln immer komplexere und folgenschwerere Störungen" herbeiführen lassen (Dombrowsky/Brauner 1996, S. 88). Aufgrund ihrer in-ternen Komplexität sowie ihrer (physischen oder logischen) Vernetzung mit weiteren Systemen können Funktionsausfälle als Teil von sogenannten Natur- oder menschen-gemachten Katastrophen das gesellschaftliche System insgesamt kollabieren lassen: Die Informationsgesellschaft ist ihrer (technisch basierten) Möglichkeiten beraubt, Daten zu generieren, zu bearbeiten, zu speichern und zu kommunizieren, Wissen zu beschaffen und anzuwenden. Die Kommunikation verstummt, Mobilität, Energiezufuhr, Produktion und Konsum fallen auf ein quasi archaisches Niveau zurück.

Die terroristischen Anschläge in New York und Washington am 11. September 2001, in Madrid (2004) oder London (2005) haben die Verletzlichkeit (Vulnerabilität) offener Gesellschaften nachdrücklich gezeigt. Ihre Kritischen Infrastrukturen sind aber auch durch Naturkatastrophen, besonders schwere Unglücksfälle, Betriebsstörungen oder Systemfehler gefährdet. Abhängigkeit und Verletzbarkeit sind auch in Deutschland in der Folge von Naturkatastrophen und technischen Störungen in den letzten Jahren mehrfach offenkundig geworden (z. B. Elbe- und Oderhochwasser 2002/2005, Strom-ausfall Münsterland 2005 und in Teilen Europas 2006, Sturm Kyrill 2007, Vulkanaktivitäten auf Island 2010). Die dabei erkennbaren Versorgungsengpässe, Störungen der öffentlichen Sicherheit, chaotischen Zustände im Luft-, Straßen- und Schienenverkehr haben auch hier einen Eindruck von den Gefährdungslagen moderner Gesellschaften gegeben. Auch weitere Risiken und Gefahren wie Epidemien und Pandemien, Terror-anschläge oder Angriffe mit chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Agenzien zeigen, wie gefährdet hochentwickelte und technisierte Nationen sind. Zu Recht stellt deshalb die Schutzkommission des Bundesministeriums des Innern (BMI) fest, dass "unsere Gesellschaft ein ernstzunehmendes Maß an Verletzlichkeit (›Vulnerabilität‹) besitzt" (Schutzkommission 2006, S. 9).

Die Empirie von Großschadenslagen und das Potenzial von Risiken wie die genannten haben zudem gezeigt, dass der Schutz Kritischer Infrastrukturen sowie ein leistungsfähiges Krisen- und Notfallmanagement im Katastrophenfall eine Herausforderung ersten Ranges darstellen. Grundsätzlich herrscht weiterhin Einverständnis darüber, wie wichtig für Sicherheit und (präventiven) Schutz der Bevölkerung, die Identifikation und Analyse von Risiken und Gefahren sowie darauf aufbauende Konzepte eines integrierten Schutz-, Risiko- und Krisenmanagements sind.

Es wird deshalb auch verstärkt die Frage diskutiert, ob die tradierten Grundlagen und Strukturen des Zivil- und Bevölkerungsschutzes angesichts der Neuartigkeit vieler Bedrohungen sowie der Komplexität und Interdependenz vernetzter Systeme, Prozesse und sozialer Handlungen möglicherweise unterkomplex sind (Dombrowsky/Brauner 1996, S. 9) und wenn ja, wie sie zu verbessern wären. Bedenken bestehen beispielsweise, weil bei den beteiligten und betroffenen Akteuren kein einheitliches Risiko- und Krisenmanagement vorliegt, abgestimmte Schutz- und Warnkonzepte fehlen und die Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung nicht sehr weit entwickelt ist (Reichenbach et al. 2008, S. 27; Schutzkommission 2006; s. a. Kap. II).

2. STROMAUSFALL ALS AUSLÖSER EINER "NATIONALEN KATASTROPHE"

Einen wichtigen Beitrag zur Schärfung des Bewusstseins für die Risiken und Heraus-forderungen für die öffentliche Sicherheit in Deutschland haben die Autoren des "Grünbuchs" des "Zukunftsforums Öffentliche Sicherheit" geleistet (Reichenbach et al. 2008). Sie haben anhand ausgewählter Szenarien anschaulich gemacht, dass durch Terrorismus, organisierte Kriminalität oder auch durch Seuchen nicht nur erheblicher Schaden zu gewärtigen, sondern auch die öffentliche Sicherheit u. U. nicht mehr zu gewährleisten ist.

Nachdrücklich wurde auch aufgezeigt, dass aufgrund der nahezu vollständigen Durchdringung der Lebens- und Arbeitswelt mit elektrisch betriebenen Geräten sowie elektronischen Steuer- und Regelsystemen und wegen der großen Abhängigkeit nahezu aller Kritischen Infrastrukturen von einer störungsfreien Stromversorgung auch ein großflächiger und längerfristiger Stromausfall massive Funktions- und Versorgungsstörungen, wirtschaftliche Schäden und eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zur Folge haben kann.1 Ein solcher Stromausfall wäre ein Paradebeispiel für kaskadierende Schadenswirkungen." (Unger 2008, S. 91) Sektorspezifische und sektorübergreifende Folgen kämen einer Katastrophe gleich oder zumindest nahe. Für diese Perspektive gibt es einen doppelten Grund: Ein Stromausfall stellt eine Verbundkatastrophe dar, weil die Versorgung mit Elektrizität Interdependenzen mit anderen lebenswichtigen Infrastrukturen aufweist. Nahezu alle Sektoren und Lebensbereiche wären so tiefgreifend betroffen, dass Sicherheit und Versorgung der Bevölkerung wahrscheinlich nicht mehr zu gewährleisten sind (Reichenbach et al. 2008, S. 27). Eine "nationale Katastrophe" wäre ein langandauernder Stromausfall aber auch deshalb, weil weder die Bevölkerung noch die Unternehmen, noch der Staat hierauf vorbereitet sind - so das Diktum des "Grünbuchs" (Reichenbach et al. 2008, S. 84).

Abb. 2 BEISPIELE FÜR GROSSE STROMAUSFÄLLE

Quelle: eigene Darstellung

Gerade weil in den meisten fortgeschrittenen Staaten die Stromversorgung relativ zuverlässig über lange Zeiträume funktioniert und nahezu alle technischen Systeme und sozialen Handlungen auf dieser relativen Verlässlichkeit aufbauen,2 steigt die Verletzbarkeit. Dieses "Verletzlichkeitsparadox" bedeutet, dass, wenn Versorgungsleistungen zunehmend weniger störanfällig organisiert werden, "sich jede Störung von Produktion, Vertrieb und Konsum der Versorgungsleistungen umso stärker (auswirkt)" (Steetskamp/van Wijk 1994, S. 20; s. a. BMI 2009, S. 11 ff.). Ein gesellschaftliches Bewusstsein dieses Risikopotenzials ist aber allenfalls in Ansätzen vorhanden. Nach wie vor gilt, was bereits 1994 eine niederländische Studie herausgearbeitet hat: Bürger, Unternehmen und öffentliche Instanzen begreifen einen Stromausfall nicht als ernst-haftes Risiko, obwohl sich ein solcher Vorfall bereits innerhalb der ersten 24 Stunden "zu einer katastrophenähnlichen Situation auswachsen kann" (Steetskamp/van Wijk 1994, S. 22).

Obwohl einige größere Stromausfälle im In- und Ausland hiervon zumindest ansatz-weise eine Vorstellung vermittelt haben (Abb. 2), sind auch in der Katastrophenfor-schung bis heute - soweit erkennbar - die möglichen Folgen eines solchen Ereignisses noch wenig intensiv und systematisch durchdacht worden. Integrierte Folgenanalysen zu einem Szenario "Stromausfall" liegen noch nicht vor.3

3. BEAUFTRAGUNG, VORGEHEN, AUFBAU DES BERICHTS

Beauftragung

Angesichts des Katastrophenpotenzials eines langandauernden und großflächigen Stromausfalls wurde das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) mit der Durchführung einer systematischen Folgenanalyse beauftragt. Es sollte untersucht werden, wie sich ein langandauernder und großflächiger Stromausfall auf die Gesellschaft und ihre Kritischen Infrastrukturen auswirken könnte. Auch sollten entsprechende Analysen Anhaltspunkte für eine Einschätzung liefern, wie Deutschland auf eine solche Großschadenslage vorbereitet ist.

Das vom TAB hierzu vorgelegte und vom zuständigen Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung befürwortete Konzept setzte zunächst einen breiten Rahmen: Es sollten im Schwerpunkt

angesichts eines langandauernden und regionenübergreifenden Stromausfalls geprüft werden.

Vorgehen und Untersuchungsschwerpunkte

Aufgrund der komplexen Materie, der ausdifferenzierten Kompetenz- und Akteursstrukturen beim Katastrophen- und Bevölkerungsschutz sowie insbesondere der lückenhaften Literatur-, Dokumenten- und Datenlage wurde zunächst in einer Vorphase eine vertiefende Exploration durchgeführt. Deren Ziel war, erste Ergebnisse zu möglichen Folgen und Folgeketten eines Stromausfalls in ausgewählten Sektoren sowie zu deren Bewältigungskapazitäten zu erarbeiten sowie konzeptionelle und methodische Überlegungen zu einer darauf aufbauenden Hauptphase des TAB-Projekts zu entwickeln.

Folgende Schwerpunkte wurden danach in der Hauptphase bearbeitet:

Sektoren und Herausforderungen

Auf der Basis der in der ersten Phase gewonnenen Erkenntnis wurden folgende Gefährdungslagen des Näheren analysiert:

Diese Auswahl lag in der Einsicht begründet, dass Schutz, Sicherheit und Leben der Bevölkerung sowie die Tragfähigkeit gesellschaftlicher Strukturen nur dann gewährleistet werden können, wenn es gelingt, insbesondere in diesen Sektoren eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit den notwendigen Gütern und Dienstleistungen sicherzustellen, die öffentliche Sicherheit so weit wie möglich zu wahren sowie Gefährdungen von Leib und Leben der Bürgern abzuwenden.

Einstellungen und Verhalten

Grundsätzlich kann gelten, dass die "Reaktionen des Menschen" die Katastrophe ausmachen, "nicht die Trümmer, Zerstörungen oder Funktionsausfälle" (Dombrowsky/Brauner 1996, S. 119). Ein weiterer Untersuchungsschwerpunkt war deshalb die Frage nach Verhalten und Verhaltensmustern, die als Folge und im Verlauf eines Stromausfalls auftreten könnten. Ein langandauernder Stromausfall wird die Bevölkerung in Unsicherheit und Angst versetzen sowie Gefährdungen von Leib und Leben mit sich bringen. Die Forschung zum Verhalten von Individuen und Gruppen in Katastrophensituationen legt die Erwartung nahe, dass auch bei einem Stromausfall sowohl unsoziale, illegale und aggressive Aktionen als auch Mitgefühl und Hilfsbereitschaft, rationales und entschlossenes Handeln zutage treten werden. Das Wissen über die sozialen und sozialpsychologischen Dimensionen einer solchen Katastrophe ist aber ungenügend (z. B. BBK 2008a, S. 155; Schutzkommission 2006, S. 90).

Es dürfte insgesamt zutreffen, dass manche Annahmen über das Verhalten und die "Lenkbarkeit der Bevölkerung" in extremen Lagen einer Prüfung bedürfen, wenn man die Rolle der Bevölkerung sowie der professionellen und freiwilligen Helfer wirklichkeitsnah einschätzen und hieran bei der Katastrophenbewältigung anknüpfen will (Dombrowsky/Brauner 1996, S. 24). Deshalb erschien es angezeigt, auch die Dimension des Verhaltens in die Folgenanalyse einzubeziehen. Hierzu wurde - in begrenztem Umfang - eine Literaturanalyse durchgeführt. Dabei wurden - da es entsprechende wissenschaftliche Studien zum Verhalten von Individuen und Gruppen beim Katastrophentypus "Stromausfall" kaum gibt - Quellen zu anderen Katastrophentypen hinsichtlich der Übertragbarkeit auf die Situation eines Stromausfalls ausgewertet. Ziel war es nicht, eigene Forschungsfragen zu verfolgen oder selbst Daten zu erheben, sondern Forschungslücken und Forschungsdesiderate zu identifizieren und zur Diskussion zu stellen.

Management und Bewältigung von Katastrophen

Das deutsche nationale System der Hilfeleistung im friedenszeitigen Katastrophenfall war ein weiterer Untersuchungsgegenstand. Hierzu wurden die wichtigsten relevanten Strukturen, Kräfte und Einrichtungen auf Landes-, Bundes- und kommunaler Ebene im Überblick erfasst. Der Fokus lag dabei auf deren Kapazitäten und Handlungsmöglichkeiten für den Fall eines langandauernden und großräumigen Stromausfalls. Ergänzend wurden die einschlägigen Rechtsgrundlagen geprüft. Dabei wurden weder Systematik und Vollständigkeit noch eine rechtswissenschaftliche Analyse angestrebt. Im Licht der Resultate der Folgenanalyse erfolgte dann eine erste Einschätzung der Bewältigungskapazitäten des nationalen Krisenmanagementsystems.

Zusammenarbeit mit Gutachtern, Expertengespräche

Zur Erarbeitung dieses TAB-Berichts auf einer soliden wissenschaftlichen Grundlage wurden folgende Gutachten vergeben:

Den Verfassern der Gutachten sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Sie haben sich darauf eingelassen, eine solch schwierige und noch kaum untersuchte Thematik innerhalb sehr kurzer Zeit zu bearbeiten. Diese Herausforderung haben die Gutachter bestens bewältigt und somit für diesen Bericht eine tragfähige Grundlage bereitgestellt. Die Unzulänglichkeiten, die der Bericht aufweist, sind von den Verfassern zu verantworten.

Als Basis des Berichts dienten auch eine Vielzahl von schriftlichen und fernmündlichen Auskünften von Einrichtungen, Organisationen und Unternehmen auf gezielte Anfragen des Projektteams, ferner ausführliche Gespräche mit Experten aus den Sektoren Kritischer Infrastrukturen. Hierbei handelte es sich um Fachleute aus Wirtschaft, Behörden, Wissenschaft und Politik, die durch die vom TAB beauftragten Gutachter sowie durch die Projektbearbeiter um ein Gespräch gebeten wurden. Es soll nicht unterschlagen werden, dass es auch manche Experten gab, die auf eine Anfrage abschlägig oder gar nicht reagierten. Da nicht alle Gesprächspartner wünschten oder einverstanden waren, im Bericht genannt zu werden, wird davon abgesehen, die befragten Experten namentlich zu nennen.

Wertvolle Unterstützung erhielt das Projektteam auch seitens des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sowie des Bundesamtes für die Sicherheit (BSI) in der Informationstechnik. Für die geleistete Hilfe sei den Kolleginnen und Kollegen aus BBK und BSI sehr gedankt.

Das Projekt und die Erstellung des Abschlussberichts wurden auch durch die Kollegen Dr. Harald Hiessl sowie Peter Zoche aus dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe, sowie Dr. Reinhard Grünwald vom TAB-Team in Ber-lin unterstützt. Bei ihnen bedanken sich die Verfasser ebenso wie bei Ulrike Goelsdorf, Leiterin des TAB-Sekretariats, die sich intensiv und erfolgreich mit der Durchsicht des Manuskripts beschäftigt und um das äußere Erscheinungsbild, insbesondere Grafiken und Layout, gekümmert hat.

AUFBAU DES BERICHTS

Der hiermit vorgelegte Bericht ist folgendermaßen aufgebaut: Im Anschluss an diese Einführung (Kap. I) werden in Kapitel II die wesentlichen Strukturen, Akteure, Verfahren und Kapazitäten des deutschen Krisenmanagementsystems bezogen auf einen großen Stromausfall dargestellt. Kapitel III bildet den Kern des Berichts. Es umfasst Folgenanalysen zu ausgewählten Sektoren Kritischer Infrastrukturen (Kap. III.2.1 bis III.2.7). Diese werden ergänzt durch Überlegungen zu möglichen Einstellungs- und Verhaltensmustern der Bevölkerung, wie sie im Falle eines Stromausfalls zutage treten könnten (Kap. III.3).

In Kapitel IV wird ein Fazit gezogen. Es werden - vor dem Hintergrund der Vulnerabilitätsanalysen in Kapitel III - die wesentlichen Schwachstellen der Sektoren sowie die sektorübergreifenden Verletzbarkeiten resümiert. Zudem werden eine Einschätzung der Bewältigungskapazitäten des deutschen Krisenmanagementsystems gegeben sowie Ansatzpunkte zur Stärkung der Resilienz Kritischer Infrastrukturen für den Katastrophentyp "Stromausfall" benannt und zur Diskussion gestellt. Schließlich werden Informations-, Forschungs- und Handlungsperspektiven aufgezeigt.

Abschließend soll nochmals betont werden, dass der Untersuchungsgegenstand des TAB-Projekts auftragsgemäß die "Folgen" eines Stromausfalls waren und ausdrücklich nicht seine Ursache(n). Berechtigung und Sinn dieser Fokussierung ergeben sich zum Ersten daraus, dass bislang die Ausfallursachen sowie Empfehlungen für Sicherheits- und Abwehrkonzepte häufig und intensiv bearbeitet worden sind. 4 Dagegen ist - zum Zweiten - bei der Antizipation der Konsequenzen in Form sorgfältiger sektoraler Folgenanalysen nahezu Fehlanzeige zu vermelden. In diesem Sinn wird auch in BMI/BBK (2007, S. 188 ff.) unterstrichen, dass anders als im gutuntersuchten Fall der Vulnerabilität des Sektors "Energie-/Stromerzeugung" - weitgehend unklar ist, wie genau sich die Verwundbarkeit anderer Kritischer Infrastrukturen infolge eines Stromausfalls bzw. die Kritikalität zwischen den Kritischen Infrastrukturen darstellen und ob in "wirksamer verbraucherseitiger Schutz überhaupt möglich ist" (BMI/BBK 2007, S. 190). Hier - bei den Folgen eines Stromausfalls - besteht also Untersuchungsbedarf.5

Dieser TAB-Bericht betritt damit aber auch weitgehend Neuland. Literaturlage und Forschungsstand zum Untersuchungsgegenstand bieten nur wenig Halt. Daten zu den Akteuren und Ressourcen des Katastrophenschutzes sowie einschlägige Statistiken (z. B. über Schäden) oder systematische Auswertungen von Katastropheneinsätzen auch für diesen Katastrophenfall sind, falls überhaupt vorhanden, lückenhaft, schwer zu verifizieren und deshalb auch kaum zu bewerten (Dombrowsky/Brauner 1996, S. 23; Schutzkommission 2006, S. 9). Deshalb kann dieser Bericht nur eine Vorstudie zu dieser Thematik sein.

ANMERKUNGEN:

1Schon 2004 hat die Bund-Länder-Krisenmanagementübung (LÜKEX) die problematischen Folgen und Folgenketten sowie die enormen Schwierigkeiten, eine solche Krisenlage ohne Vorwarnung mit den vorhandenen Kapazitäten zu bewältigen, deutlich gemacht. Das Anfang 2010 vorgelegte "Krisenhandbuch Stromausfall" bestätigt diese Einschätzung (Hiete et al. 2010). Es thematisiert - auf der Basis ausgewählter Sektorenanalysen - Fragen des Krisenmanagements bei einer großflächigen Unterbrechung der Stromversorgung am Beispiel Baden-Württemberg.

2Im deutschen Stromnetz treten auf verschiedenen Netzebenen immer wieder kleinere Stromausfälle auf. So betrug die durchschnittliche Nichtverfügbarkeit 2007 19,25 Minuten je Letztverbraucher, 2008 16,89 Minuten. Hingegen war die Notwendigkeit, einen Ausfall von Wochen oder sogar Monaten zu überbrücken, bisher nicht gegeben (www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetGas/Sonderthemen/ SAIDI-WertStrom 2008/SAIDIWertStrom2008_node.html). Dabei ist allerdings in Rechnung zu stellen, dass Ausfälle durch "höhere Gewalt" in der Statistik der Nichtverfügbarkeit nicht berücksichtigt werden. Zahlen und Erläuterungen zu Stromausfällen in Europa liefern Silvast/Kaplinsky (2007).

3Zwei Ausnahmen bestätigen diesen Befund: die zuvor erwähnte Studie von Steetskamp/ van Wijk (1994) sowie das aktuelle "Krisenhandbuch Stromausfall" (Hiete et al. 2010).

4Untersuchungen zu Stromausfällen (Münsterland, Emsland) fokussieren auf die Genese des Ausfalls sowie auf Prävention im Sinne von Ausfallvermeidung - nicht aber auf die Minderung von Schadensfolgen.

5In der Konsequenz bedeutet diese Festlegung auch, dass identifizierte Problemlösungsstrategien nicht der Vorbeugung in dem Sinne dienen, das Eintreten an sich zu verhindern. Vielmehr geht es bei den zu findenden technischen und politischen Optionen um die Vorbeugung bzw. die Reduktion problematischer Folgen und die Limitierung der Schäden (Kap. IV).

 

Erstellt am: 26.07.2011 - Kommentare an: webmaster