Christine Rösch, Marc Dusseldorp, Rolf Meyer

Precision Agriculture
Landwirtschaft mit Satellit und Sensor

Frankfurt am Main: Deutscher Fachverlag, Reihe Edition Agrar 2007 , ISBN 3-86641-080-8, 215 Seiten, 52,00 Euro
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Zusammenfassung

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hatte im Juni 2003 beschlossen, das TAB mit einem TA-Projekt zum Thema „Moderne Agrartechniken und Produktionsmethoden – ökonomische und ökologische Potenziale“ zu beauftragen. Aufbauend auf einem Vorschlag des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft sowie auf Anregungen aus dem Berichterstatterkreis für TA, sollte in diesem TA-Projekt untersucht werden, welche ökonomischen und ökologischen Potenziale Precision Agriculture für eine nachhaltige Landbewirtschaftung bereitstellen könnte.

Der Bericht zu „Precision Agriculture“ bildet den zweiten Teil der abschließenden Berichterstattung zum TA-Projekt „Moderne Agrartechniken und Produktionsmethoden – ökonomische und ökologische Potenziale“. Zuvor wurde der Teilbericht „Alternative Kulturpflanzen und Anbauverfahren“ vorgelegt.

Problemstellung

Die Untersuchung moderner Produktionsmethoden soll zum einen anhand agrartechnischer Entwicklungen im Bereich Precision Agriculture, zum anderen mit Blick auf neue Entwicklungen bei alternativen Kulturpflanzen und Anbauverfahren erfolgen. Zielsetzung ist es, politische Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich Forschungs- und Technologiepolitik, der Agrarumweltpolitik sowie der agrarpolitischen Rahmenbedingungen herauszuarbeiten.

Während mit der Nutzung alternativer Kulturpflanzen und Anbauverfahren vor allem ein Beitrag zum Erhalt der Agrobiodiversität geleistet werden soll, stehen bei Precision Agriculture die teilflächenspezifische, an Standort und Pflanzenbestand angepasste Bewirtschaftung und die damit verbundenen neuen Potenziale, die Umweltbelastungen durch landwirtschaftliche Bewirtschaftungsmaßnahmen – insbesondere durch die bedarfsgerechte Ausbringung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln – zu verringern, im Vordergrund.

Definition und Komponenten

Precision Agriculture (PA) ist ein innovatives informationsgeleitetes Managementkonzept der pflanzlichen Produktion, das auf verschiedenen neuen oder weiterentwickelten Technologien aufbaut. Dazu zählen insbesondere satellitengestützte Ortungssysteme, Sensortechnologien zur Datenerfassung sowie Geoinformationssysteme. Mit PA könneninnerhalb einer Ackerfläche vorhandene, kleinräumig variierende Bodenverhältnisse und Eigenschaften des Pflanzenbestands erfasst und anhand dieser Informationen mit speziellen Systemen der Informationsauswertung sowie geeigneter Gerätetechnik die pflanzenbaulichen Maßnahmen räumlich und mengenmäßig präziser als bisher gestaltet werden. In Abhängigkeit von der zeitlichen Beziehung zwischen Datenerfassung, Entscheidungsfindung und Bewirtschaftungsmaßnahme wird bei den PA-Verfahren grundsätzlich unterschieden zwischen Offlineverfahren (Kartieransatz), Onlineverfahren (Sensoransatz) und der Kombination von Offline- und Onlineverfahren (Sensoransatz mit Kartenüberlagerung).

Anwendungsfelder

Anwendungsfelder für die informationsgeleitete Pflanzenproduktion mit PA finden sich in allen wesentlichen Arbeitsschritten des ackerbaulichen Produktionsprozesses. Weitere Einsatzgebiete sind die satellitengestützte Spurführung mit visuellen Lenkhilfen oder Autopilotsystemen sowie die vereinfachte, umfassende und räumlich wie zeitlich differenzierte Dokumentation der durchgeführten Maßnahmen. Für einige Arbeitsschritte gibt es bereits marktreife Verfahren zur Umsetzung einer teilflächenspezifischen Bewirtschaftung. Dazu zählt die teilflächenspezifische Stickstoffdüngung mit Onlineansätzen unter Verwendung von optoelektronischen Sensoren (z. B. Yara N-Sensor®) oder dem CROP-Meter (auch Pendelsensor genannt). Der Stickstoffsensor wird in Deutschland auf rund 400.000 ha – dies entspricht ca. 3,4 % der Ackerfläche – eingesetzt, hauptsächlich in den neuen Bundesländern, ansatzweise aber auch in Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Zur selektiven Unkrautbekämpfung sind erste Verfahren bis zur Praxisreife entwickelt worden. Ein Beispiel ist die „sehende“ Feldspritze, die Art und Menge der Ungräser und Unkräuter erkennen und diese von den Kulturpflanzen unterscheiden kann, und die in der Lage ist, bis zu drei Wirkstoffe gleichzeitig auszubringen und die Aufwandmenge dem Befallsdruck anzupassen. Zur teilflächenspezifischen Ausbringung von Fungiziden (und auch von Wachstumsreglern) eignet sich der CROP-Meter, der anhand indirekter Merkmale (Dichte des Pflanzenbestands) auf die Notwendigkeit einer Behandlung schließt. Weitere sensorgestützte Ansätze zur indirekten und direkten Erkennung von Pilzkrankheiten sind in der Entwicklung.

Im Bereich der satellitengestützten Spurführung sind verschiedene visuelle Lenkhilfen sowie Autopilotsysteme auf dem Markt und es wird mit weiteren Neuentwicklungen gerechnet. Die Vielzahl an Anbietern deutet darauf hin, dass die Vorteile der dadurch grundsätzlich verringerten Belastung des Fahrers, der zusätzlich möglichen Arbeitseinsätze (z. B. bei Nebel) sowie der potenziellen Kostenreduktion (z. B. durch Vermeidung von Überlappungen bei der Bodenbearbeitung) bei den Landwirten auf großes Interesse stoßen.

Die Ertragskartierung gehört zu den PA-Verfahren mit dem derzeit größten Verbreitungsgrad, ist aber eher ein Verfahren zur Gewinnung teilflächenspezifischer Informationen als eine eigentliche Anwendung. Sie stellt – insbesondere, wenn diese zukünftig durch die Onlineerfassung der Qualität des Ernteguts mittels Nahinfrarot-Spektroskopie ergänzt wird – ein Qualitätskontrollsystem dar, das in Kombination mit teilflächenspezifischer Bewirtschaftung eine Optimierung des Produktionsprozesses ermöglichen könnte. Durch die Nutzung von Ertragspotenzialkarten zur teilflächenspezifischen Aussaat können bei klassischen Reihenkulturen (z. B. Mais) und hohen Saatgutkosten positive Effekte erzielt werden. Bei Getreide ist aufgrund seiner Bestockungsfähigkeiten die teilflächenspezifische Aussaat – von Trockenlagen abgesehen – für eine breite Anwendung jedoch eher fraglich. Dennoch bieten Sämaschinenhersteller ihre Geräte auch mit PA-Ausrüstung an.

Einige weitere PA-Anwendungen wurden ebenfalls bis zur Praxisreife entwickelt, ohne dass sich bislang jedoch eine breitere Anwendung abzeichnet. Hierzu gehört die teilflächenspezifische Grunddüngung mit Phosphat und Kalium. In der Entwicklung befindliche Sensoransätze könnten dazu beitragen, den hierfür derzeit erforderlichen hohen Aufwand für Bodenbeprobungen und Bodenanalysen auf ein praktikables Niveau zu senken. Die Vorteilhaftigkeit des Verfahrens ist allerdings aufgrund des bei diesen Nährstoffen angewandten Prinzips der Vorratsdüngung schwierig zu beurteilen. Es könnte zukünftig aber aufgrund der knapper und damit teurer werdenden Phosphatressourcen an Bedeutung gewinnen. Zunehmendes Interesse könnte auch der Einsatz von PA zur Regulierung von Bodenversauerung durch teilflächenspezifische Kalkung erlangen. Für die teilflächenspezifische Anpassung der Bodenbearbeitungstiefe existiert ein Verfahren, das von einem Gerätehersteller vermarktet wird. In der Praxis spielt diese PA-Technik bislang jedoch keine Rolle, obwohl sie bei entsprechender Standortheterogenität signifikante Kraftstoffeinsparungen ermöglichen könnte.

Auch der ökologische Landbau bietet Anwendungsfelder für PA. Hier sind v.a. PA-Techniken zur mechanischen bzw. thermischen Unkrautregulierung und die teil-flächenspezifische Ausbringung organischer Dünger – die teilflächenspezifische Ausbringung von Gülle wird zurzeit in von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt finanzierten Feldversuchen getestet – von Interesse. Die sensorgesteuerte Querhacke ist eine bis zur Marktreife entwickelte PA-Anwendung zur Unkrautregulierung. Wegen zu hoher Kosten und zu geringer Schlagkraft gelangte sie allerdings bislang nicht in die kommerzielle Fertigung. Auch der Einsatz von PA zur teilflächenspezifischen Ernte (z. B. von Qualitätsgetreide) sowie zur Dokumentation betrieblicher Maßnahmen stellen für den ökologischen Landbau attraktive Optionen dar. Weiterführende Aussagen zu PA-Anwendungen im Ökolandbau finden sich im TAB-Hintergrundpapier Nr. 12 („Stand und Perspektiven des Einsatzes von moderner Agrartechnik im ökologischen Landbau“).

Stand der Forschung

In Deutschland sind zahlreiche Hochschulen und private Unternehmen in der Forschung zu PA engagiert. Mehrere erfolgreiche Verbundprojekte wurden in den vergangenen Jahren durchgeführt, und einige neue Projekte wurden gestartet (z. B. das BMBF-Verbundprojekt preagro II). Auch auf europäischer Ebene wurden in den vergangenen Jahren Projekte zu PA gefördert; insgesamt jedoch waren die eingesetzten Mittel relativ bescheiden. Außerhalb Europas wird z.T. intensive Forschung mit unterschiedlichen Schwerpunkten betrieben. Während in den USA die Reduzierung des Einsatzes von Dünger und Pflanzenschutzmitteln im Vordergrund steht, erwartet man in Japan, dass PA einen Beitrag zur Behebung der strukturbedingten Probleme der Landwirtschaft leisten wird.

Ökonomische Aspekte

Eine Wirtschaftlichkeit von PA-Anwendungen ist dann gegeben, wenn der Mehrerlös aufgrund von Betriebsmitteleinsparungen und höheren Erträgen die durch Anschaffung und Verwendung der PA-Technik anfallenden Ausgaben übersteigt. Während die Kosten für die Datenerfassung und Entscheidungsmodelle sowie die Applikations- und Navigationstechnik bekannt sind und relativ genau beziffert werden können, lässt sich der Nutzen von PA-Verfahren nur grob abschätzen, da er von verschiedenen, teilweise nicht beeinflussbaren Faktoren (z. B. Witterungsverlauf) abhängig ist und die zu erwartenden Effekte je nach Bewirtschaftungsschritt, feldinterner Standortheterogenität, angebauter Kulturpflanze und Produktionsintensität unterschiedlich ausfallen.

Durch eine teilflächenspezifische Stickstoffdüngung kann der Mineraldüngeraufwand auf heterogenen Feldern im Durchschnitt um etwa 7 % bzw. 14 kg N/ha reduziert werden, bei konstanten oder um bis zu 6 % höheren Erträgen. Im Bereich der Grunddüngung und Kalkung sind ebenfalls Einsparungen beim Düngereinsatz möglich, mit nennenswerten Ertragseffekten wird dagegen nicht gerechnet. Auch im Pflanzenschutz führt der Einsatz von PA zu positiven Ergebnissen: Bei der Ausbringung von Herbiziden können im Durchschnitt rund 50 % der Aufwandmenge (Spanne von 10 bis 90 %) eingespart werden. Ebenso scheinen bei der Fungizidapplikation mit dem CROP-Meter Einsparungen in der Größenordnung von 10 bis 20 % realisierbar; ähnliches dürfte für die Ausbringung von Wachstumsreglern gelten. Hinweise auf deutliche Einsparungen im Kraftstoffbedarf gibt es bei der teilflächenspezifischen Bodenbearbeitung. Bei der teilflächenspezifischen Aussaat sind positive Effekte (gleicher Ertrag bei reduzierter Saatstärke) bei Reihenkulturen (z. B. Mais) möglich. Zu den ökonomischen Effekten einer visuell unterstützenden oder automatischen Spurführung liegen bislang keine Ergebnisse vor. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass durch Reduktion der üblicherweise auftretenden Überlappungen bei der Bodenbearbeitung und Ausbringung organischer Dünger Einsparungen von Betriebsmitteln möglich sind.

Da die Wirtschaftlichkeit teilflächenspezifischer Maßnahmen von den jeweiligen Produktionsbedingungen abhängen, sind sie nicht ohne Weiteres verallgemeinerbar. Grundsätzlich gilt jedoch, dass PA-Anwendungen um so eher die Wirtschaftlichkeitsschwelle erreichen, je größer die bewirtschafteten Flächen und je heterogener die Standortbedingungen sind. Gegenwärtig ist die teilflächenspezifische Applikation von Stickstoff und Phosphat sowie von Herbiziden und Wachstumsreglern in Winterweizen erst dann wirtschaftlich, wenn nennenswerte Betriebsmitteleinsparungen erzielt oder die Investitionskosten für PA-Anwendungen (oder die Datenerfassung) deutlich gesenkt und Einsatzflächen von mehreren hundert ha/Jahr erreicht werden können. Die durchschnittliche landwirtschaftliche Betriebsgröße umfasst im Vergleich dazu nur rund 50 ha. Bei einer geringen betrieblichen Flächenausstattung können PA-Verfahren nur bei überbetrieblicher Organisation des Maschineneinsatzes wirtschaftlich eingesetzt werden.

Akzeptanz

Die in der Praxis hauptsächlich eingesetzten PA-Verfahren sind die Flächenvermessung, die Bodenbeprobung und die Ertragskartierung, alles Verfahren die der Informationsgewinnung dienen. Im Gegensatz dazu werden PA-Verfahren, die die gewonnenen Informationen in teilflächenspezifische Bewirtschaftungsmaßnahmen umsetzen (z. B. die teilflächenspezifische Stickstoffdüngung), deutlich weniger häufig eingesetzt. Spurführungssysteme auf der Grundlage satellitengestützer Ortungssysteme werden bereits von jedem vierten PA-Nutzer (bei den Lohnunternehmern ist es jeder zweite PA-Nutzer) angewandt.

PA wird insbesondere von jungen, gut ausgebildeten Landwirten mit überdurchschnittlich großer Flächenausstattung sowie in betriebsübergreifenden Bewirtschaftungsformen (z. B. Maschinengemeinschaft) eingesetzt. Die durchschnittliche Betriebsgröße von PA-Nutzern liegt zwischen 1.080 ha (2001) und 904 ha (2005). Wesentliche Gründe für den Einsatz sind der zu erwartende Erkenntnisgewinn über die Produktionsstandorte und die dadurch größere Entscheidungssicherheit sowie ökonomische Motive. Allerdings erwarten die meisten Landwirte Gewinnsteigerungen erst nach einer Einarbeitungs- und Anwendungsphase von fünf bis zehn Jahren.

Der überwiegende Teil der Landwirte hat zurzeit nicht die Absicht, in PA zu investieren, was angesichts der schwierigen und unsicheren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft, die generell kein günstiges Klima für Neuinvestitionen schaffen, nicht verwunderlich ist. Die ablehnende Haltung zu PA wurzelt darüber hinaus in unzureichenden Kenntnissen über die Effekte von PA sowie in fehlenden konkreten Praxisempfehlungen. Weitere Akzeptanzhemmnisse sind fehlende technische Normen bei Geräteschnittstellen, Bedenken bezüglich der Funktionalität und Zuverlässigkeit der Technik und Befürchtungen hinsichtlich des Zeitbedarfs für Einarbeitung, Managementaufgaben und Weiterbildung. Diese Unsicherheiten führen dazu, dass bei Neuanschaffungen die Wahl zuerst auf solche Verfahren und Techniken fällt, mit denen eine schlagkräftigere und rasch kostensenkende Produktion bei möglichst geringem Arbeitsaufwand möglich ist. PA ist dagegen eher mit schwer abschätzbaren Mehrerlösen sowie einem anfänglich höheren Managementaufwand verbunden und erfordert ein gutes informationstechnisches Verständnis.

Ökologische Wirkungen

Ökologisch positive Effekte können durch verschiedene PA-Anwendungen erzielt werden. Mit der differenzierten mineralischen Stickstoffdüngung können i.d.R. Düngereinsparungen bei gleich bleibenden oder sogar höheren Erträgen erzielt werden. Auch durch die teilflächenspezifische Bodenbearbeitung und Aussaat können durch die damit verbundene Verringerung des Treibstoff- und Saatgutverbrauchs positive Umweltauswirkungen erreicht werden. Die größten Reduktionen bei den Aufwandmengen ergeben sich durch die differenzierte Applikation von Pflanzenschutzmitteln. Die ausgebrachten Mengen – insbesondere bei Herbiziden – können im Durchschnitt um die Hälfte verringert werden. Der Einsatz von PA in der Bekämpfung von Unkräutern und Pilzbefall könnte auch zur Verbesserung der Wirksamkeit des Resistenzmanagements beitragen, da hierdurch eine innerhalb der Felder räumlich differenzierte Mittelanwendung möglich wäre.

Grundsätzlich könnten PA-Techniken auch zur Erbringung von Leistungen für den Arten- und Biotopschutz in der Agrarlandschaft eingesetzt werden, beispielsweise durch das gezielte Aussparen sensibler Bereiche bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln zum Schutz kleinräumiger Biotope in der Agrarlandschaft, die Berücksichtigung spezieller Habitatansprüche und die Einhaltung von Nutzungsauflagen (z. B. Abstandsauflagen in der Nähe von Fließgewässern).

Nachhaltigkeitspotenziale

Die Einordnung von PA in den Kontext nachhaltiger Entwicklung in der Landwirtschaft zeigt, dass PA zur Erreichung verschiedener ökologischer Nachhaltigkeitsziele gewisse Beiträge leisten kann. So ist es möglich, durch eine mineralische Düngung mit PA lokale Stickstoff- bzw. Phosphatüberschüsse abzubauen. Allerdings ist dabei zu bedenken, dass die flächenspezifischen Stickstoff- und Phosphorbilanzen reiner Ackerbaubetriebe überwiegend ausgeglichen sind und die Probleme zu hoher Stickstoff- und Phosphorsalden insbesondere in Gebieten mit regional verdichteten Tierbeständen und hohem Aufkommen an Wirtschaftsdünger auftreten. PA-Verfahren für die Ausbringung organischer Dünger sind aber erst in der Entwicklung und ändern auch nichts an der Ursache des Problems, das insbesondere aus einer regional verdichteten, intensiven Tierhaltung resultiert.

Die hohen Reduktionspotenziale beim Einsatz von PA im Pflanzenschutz zeigen, dass PA zur Erreichung des von der Agrarministerkonferenz vom März 2005 beschlossenen Ziels, den Aufwand an Pflanzenschutzmitteln in den nächsten zehn Jahren um 15 % zu reduzieren, beitragen kann. Da die in Deutschland insgesamt ausgebrachte Menge an Pflanzenschutzmitteln vom Getreideanbau (auf 59 % der Ackerfläche) bestimmt wird, könnte dieser Beitrag jedoch eher bescheiden ausfallen, sofern es nicht gelingt, PA-Verfahren für den Pflanzenschutzmitteleinsatz in Getreide zu entwickeln. Zwar gibt es in der Forschung entwickelte Verfahren zur teilflächenspezifischen Herbizidapplikation in Getreide, diese sind jedoch noch nicht praxisreif.

Durch die Nutzung von PA in der Bodenbearbeitung könnten grundsätzlich der Treibstoffverbrauch und die Gefahr von Bodenerosion bzw. -verdichtung verringert und so Beiträge zur Erreichung wichtiger Nachhaltigkeitsziele geleistet werden. Verglichen mit alternativen Verfahren, wie der konservierenden Bodenbearbeitung, wären die Effekte der Anwendung von PA zur räumlich differenzierten Bodenbearbeitung jedoch deutlich geringer. Allerdings ist noch unklar, ob einige positive Effekte der konservierenden Bodenbearbeitung (z. B. Förderung der Bodenfruchtbarkeit) durch den Einsatz von PA gesteigert werden könnten.

Ein weiteres Nachhaltigkeitsziel ist der Erhalt der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft. Da der Einsatz von PA zu einer – im Sinne einer Gewannebewirtschaftung ggf. auch virtuellen – Vergrößerung der Felder genutzt werden kann, sind hierdurch unerwünschte Auswirkungen auf den Erhalt von Flora und Fauna in der Agrarlandschaft möglich. Technisch wäre es machbar, schützenswerte kleinräumige Bereiche in der Agrarlandschaft zu identifizieren und mit PA restriktiv zu bewirtschaften oder sie ganz aus der Nutzung zu nehmen. In der Praxis scheitert der Einsatz von PA zum Schutz von Biotopen jedoch daran, dass es methodisch schwierig ist, Teilflächen bestimmte Schutzziele zuzuordnen. Entsprechende einfache Einstufungssysteme für die landwirtschaftliche Praxis werden zurzeit erprobt. Hier stellt sich aber die Frage, ob es nicht einfachere und kostengünstigere Wege (z. B. spezielle Agrarumweltprogramme) gibt, um die Ziele erhöhter Lebensraumvielfalt und Artenvorkommen in der agrarisch genutzten Landschaft zu erreichen.

Für die ökologische Dimension nachhaltiger Landbewirtschaftung lässt sich zusam-menfassend festhalten, dass PA verschiedene Umweltentlastungspotenziale besitzt, diese aber begrenzt sind: Erstens ist die erforderliche PA-Technik für einen großflächigen Einsatz noch nicht verfügbar (z. B. fehlen PA-Verfahren zur Herbizidapplikation in Getreide, der wichtigsten Kulturpflanze in Deutschland), zweitens stehen die PA-Verfahren in Konkurrenz zu anderen Technologien (z. B. Verfahren der konservierenden Bodenbearbeitung) oder Bewirtschaftungsweisen (z. B. Ökolandbau) und drittens können die bestehenden Nachhaltigkeitsdefizite der Landwirtschaft nur teilweise durch den Einsatz moderner Technik behoben werden (z. B. Nährstoffüberschüsse aufgrund regional konzentrierter intensiver Tierhaltung).

Betrachtet man die ökonomischen Wirkungen von PA, so stellt sich dies unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten kritisch dar, da von PA-Anwendungen – wie bei vielen die Effizienz steigernden Techniken – langfristig arbeitsplatzmindernde Wirkungen ausgehen können. Da der Einsatz von PA mit zunehmender Betriebsgröße wirtschaftlicher wird, könnte eine verstärkte Nutzung dieser Technologie auch zu einer Beschleunigung des Strukturwandels in der Landwirtschaft führen. In den nächsten Jahren dürften PA-Anwendungen dagegen zu einem zunächst höheren Managementaufwand führen und somit mittelfristig einen etwas höheren, mindestens aber gleichen Arbeitskräftebedarf erfordern wie die flächeneinheitliche Bewirtschaftung. Außerdem dürften durch den mit PA-Anwendungen verbundenen Bedarf an Aus- bzw. Weiterbildungskapazitäten sowie „IT-Support“ sowohl in der Landwirtschaft als auch im Dienstleistungssektor positive Arbeitsplatzeffekte verknüpft sein.

Die mit dem Einsatz von PA verbundenen positiven Beiträge zu einer ökologisch nachhaltigen Landwirtschaft und zur Sicherung und Aufwertung von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum dürften insgesamt eher bescheiden ausfallen, wenn sich an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nichts ändert oder keine speziellen Anreize für die Anwendung von PA in der Praxis geschaffen werden, da ansonsten auch zukünftig nur von einer eher geringen Diffusion von PA-Anwendungen ausgegangen werden muss. Wie groß die Beiträge von PA zur Erreichung einer nachhaltigen Landwirtschaft insgesamt sein könnten, hängt u.a. vom Umfang bestehender feldinterner Standortheterogenitäten auf der landwirtschaftlich genutzten Fläche, den angebauten Kulturpflanzen und der Produktionsintensität ab; hierzu liegen jedoch keine Untersuchungen vor.

Handlungsmöglichkeiten: Forschung und Entwicklung

Trotz der bisherigen Forschungsanstrengungen existieren beim gegenwärtigen Stand der Technik zum teilflächenspezifischen Pflanzenbau noch verschiedene ungelöste technische, fachliche und methodische Herausforderungen, die eine rasche und breite Praxiseinführung von PA verhindern. Forschungsbedarf besteht insbesondere bei der Entwicklung von Onlineverfahren der vereinfachten Bodenanalyse, weil hierdurch die Wirtschaftlichkeit der teilflächenspezifischen Grunddüngung verbessert werden kann. Bei der Weiterentwicklung von Sensorsystemen zur teilflächenspezifischen Stickstoffdüngung erscheint es empfehlenswert, einen Schwerpunkt auf die Entwicklung von Verfahren zur Berücksichtigung von Störgrößen (z. B. Belichtungsverhältnisse) und anderen Einflüssen (z. B. Bodenwasservorrat, Pilzbefall) auf die mit Sensoren erfassbaren Pflanzenparameter zu legen. Im Pflanzenschutz besteht Forschungsbedarf zur Entwicklung geeigneter, kostengünstiger Sensoren, die in der Reihe einerseits zwischen Kultur- und Unkrautpflanzen und andererseits zwischen Unkräutern und Ungräsern hinreichend sicher unterscheiden können. Dafür geeignete Systeme befinden sich in der Entwicklung, sind aber für eine Herbizidapplikation noch nicht marktreif. Um PA-Verfahren zukünftig auch zur selektiven Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten einsetzen zu können, müssten Verfahren zur eindeutigen und kostengünstigen, automatisierten Erkennung von Pilzbefall im Anfangsstadium und praktikable Entscheidungsmodelle zur Fungizidapplikation entwickelt werden.

Der ökologische Landbau wird in bestimmten Anwendungsfeldern von der Forschung zu PA profitieren können, die gegenwärtig vorwiegend auf die Anforderungen der konventionellen Landwirtschaft ausgerichtet ist. Umgekehrt könnte jedoch auch die konventionelle Landwirtschaft aus einer Forschung zu PA Nutzen ziehen, die Anliegen des Ökolandbaus mit berücksichtigt. Dies gilt insbesondere für die Entwicklung von PA-Anwendungen zur mechanischen Unkrautregulierung und zur Ausbringung von Wirtschaftsdünger.

Zur besseren Umsetzung der mit PA-Verfahren erfassten Boden- und Pflanzenparameter in teilflächenspezifische Bewirtschaftungsmaßnahmen wäre eine Weiterentwicklung von Modellen zur Entscheidungsfindung und von Algorithmen zur Steuerung der Applikationstechnik wünschenswert. Weiterer Forschungsbedarf besteht darin zu klären, ob der Einsatz von PA ein geeignetes Instrument wäre zur effizienten Erfüllung der umfassenden und in der Zukunft weiter steigenden Nachweis- und Aufzeichnungspflichten in der Landwirtschaft.

Handlungsmöglichkeiten: Nachhaltigkeits- und Folgeanalysen

Um verlässlichere Aussagen zu den möglichen Beiträgen von PA zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen machen zu können sind Analysen zur Abschätzung erforderlich, in welchen Regionen Deutschlands aufgrund von feldinternen Standortheterogenitäten und entsprechenden Betriebsstrukturen PA sinnvoll eingesetzt werden könnte. Forschungsbedarf besteht auch bei der Entwicklung von Szenarien zum Einsatz von PA (in Deutschland und der EU) unter zukünftigen agrarpolitischen Rahmenbedingungen und zur Abschätzung der damit verknüpften ökonomischen, agrarstrukturellen, ökologischen und sozialen Folgewirkungen auf sektoraler Ebene. Das Grundproblem von Nachhaltigkeitsabschätzungen landwirtschaftlicher Maßnahmen dagegen ist PA-unspezifisch und ein übergreifendes Forschungsdesiderat: Hier bedarf es der Weiterentwicklung geeigneter Kenngrößen, Ziele und Indikatoren zur Messung nachhaltiger ökonomischer und sozialer Entwicklung in der Landwirtschaft.

Einfluss der Agrarpolitik auf die Diffusion von PA

Die Liberalisierung der Agrarmärkte und die vollständig von der Produktion entkoppelten Direktbeihilfen führen tendenziell zu sinkenden Preisen für Agrarprodukte und teilweise zu geringeren Betriebseinkommen bei gleichzeitig eher steigenden Preisen für Betriebsmittel. In diesem zunehmend schwierigen wirtschaftlichen Umfeld sind die Landwirte an der Erschließung neuer, lukrativerer Absatzmärkte (z. B. Erzeugung von Bioenergie) sowie an Techniken und Verfahren interessiert, die zu einer Senkung der Produktionskosten oder einer Erhöhung der Arbeitsleistung und damit zu einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit führen. Vor diesem Hintergrund sehen gegenwärtig viele Betriebe davon ab, in neue Techniken wie PA zu investieren, da diese einen zusätzlichen Kapitaleinsatz und anfänglich einen erhöhten Managementaufwand erfordern und nur bedingt zur raschen Verbesserung der Betriebseinkommen beitragen können.

Dennoch könnte der Einsatz von PA als IT-basiertes landwirtschaftliches Managementsystem zukünftig auf größeres Interesse stoßen, weil PA zur Erfüllung umfassender und möglicherweise weiter steigender Dokumentationspflichten herangezogen werden kann und weil mit PA Kostensenkungs- und Ertragssteigerungspotenziale identifiziert und realisiert werden können. Des Weiteren könnten PA-Techniken auch in arbeitssparende, extensivere Anbauverfahren (z. B. teilflächenspezifische Bearbeitungsintensität oder -tiefe bei der konservierenden Bodenbearbeitung) integriert werden, was bei ausreichend niedrigen Anschaffungspreisen zu wirtschaftlichen Vorteilen insbesondere für große Betriebe führen könnte. Wenn außerdem zukünftig PA-Techniken angeboten würden, die weitestgehend eine Automatisierung der PA-spezifischen Arbeitsabläufe gewährleisten, so könnten diese Techniken auch unter zunehmendem Wirtschaftlichkeitsdruck und wachsenden Anforderungen an den Umweltschutz und die Dokumentation landwirtschaftlicher Produktionsprozesse für mehr landwirtschaftliche Betriebe wirtschaftlich interessant werden.

Handlungsmöglichkeiten: Diffusion von PA

Das Wissen über PA sollte in der Meisterausbildung und der studentischen Ausbildung an Fachhochschulen und Universitäten fest verankert werden. Auch im Bereich der landwirtschaftlichen Beratung und Weiterbildung besteht Bedarf an Förderung der Kenntnisse über PA. Die Diffusion von PA könnte z. B. durch einen Investitionszuschuss für innovative Produktionsverfahren gefördert werden. Außerdem könnten die Verbreitung und dauerhafte Etablierung von PA-Anwendungen sowohl durch Maßnahmen zur Verteuerung umweltbelastender Betriebsmittel als auch durch entsprechende Vorschriften zum Umgang mit diesen Betriebsmitteln bzw. zur räumlich und zeitlich differenzierten Dokumentation der Maßnahmen gefördert werden.

 

Erstellt am: 26.01.2007 - Kommentare an: webmaster