KIT-Logo Mobilfunk: Mehr Freiheit wagen
Von Gregor Honsel

Dieser Text ist der Print-Ausgabe 04/2010 von Technologie Review entnommen.

Schon lange kommen die Innovationen im Mobilfunk nicht mehr aus Europa. Eine der Ursachen ist die Regulierungspolitik, meint Innovationsforscher Arnd Weber.

Arnd Weber ist Innovationsforscher am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des Karlsruher Instituts für Technologie. Im Herbst 2009 hat er eine internationale Konferenz zum Thema „Radio Diversity“ organisiert.

Technology Review Herr Weber, wie werden Innovationen im Mobilfunk vorangebracht?
Arnd Weber Die wichtigsten sind in den letzten Jahren außerhalb von Europa entstanden, zum Beispiel das mobile Internet, das in Japan erfunden wurde. Dort konnten drei große Netzbetreiber ihre Techniken und Dienste jeweils selbst definieren. Und wenn der Netzbetreiber selbst entscheiden darf, welche Technologie er einkauft, kommt es zu einem starken Wettbewerb. Dabei stellte sich heraus, dass herkömmliches SMS-artiges Messaging mit seinen hohen Preisen keine Zukunft hatte. Vor zwanzig Jahren war das europäische Mobilfunksystem GSM eine gute Idee, um Handys zum Durchbruch zu verhelfen. Aber seitdem hat Europa den Technikwettbewerb reduziert und Innovationen gebremst.
TR Was bedeutet das für die europäische Regulierungspolitik?
Weber Unternehmen brauchen Frequenzbänder, auf denen sie machen können, was sie für rentabel halten. Und sie brauchen einen großen Markt. Das heißt: Wir brauchen EU-weite Lizenzen für alle Frequenzen.
TR Ist Europa da auf dem richtigen Weg?
Weber Das sehe ich nicht. Wir vergeben Frequenzbänder immer noch länderweise und manchmal zu unterschiedlichen Bedingungen.
TR Eine europaweite Lizenzvergabe wäre aber doch nur die bisherige Regulierungspolitik auf einer höheren Ebene.
Weber Darüber hinaus sollten wir unlizenzierten Diensten mehr Raum geben. Gerade die WLAN-Nutzung im unregulierten Bereich war ja eine Überraschung. Als man dieses Frequenzband vor Jahren definiert hat, glaubte man zunächst, das ist so eine kleine Spielwiese für Anwendungen wie Garagenöffner oder Babyphones. Niemand hat sich vorstellen können, dass Millionen von Computern darauf kommunizieren werden. Wenn wir dieses Band nun aufbohren würden, etwa im langwelligen Bereich, wo wir ganze Gebäude oder Dörfer besser abdecken können – wer weiß, was daraus an Innovationen entstehen würde?
TR Haben Sie dafür konkrete Frequenzbänder vor Augen?
Weber Naheliegende Kandidaten sind ehemalige Fernsehfrequenzen, die durch die Digitalisierung nicht mehr benötigt werden. Bei der Vergabe dieser Frequenzen ist aber mit Chaos zu rechnen: Manche EU-Länder wollen da mehr Mobilfunk, andere mehr Fernsehen. Wenn wir das europaweit nicht viel enger koordinieren, droht ein Flickenteppich. Ich finde die derzeitige Situation sehr unzufriedenstellend und langsam.
TR Hat seit der UMTS-Auktion aus dem Jahr 2000 ein Umdenken bei der europäischen Regulierung eingesetzt?
Weber Ja. Bei allen EU-Ländern herrscht mittlerweile Konsens, dass man Betreibern nicht mehr vorschreibt, dass sie auf ihren Frequenzen UMTS oder GSM verwenden müssen, sondern die Bänder werden technikneutral vergeben. Man muss aber sicherstellen, dass dann nicht ein starker Sender die Nachbarbänder überstrahlt. Dazu setzt die Regulierung die Grenzen der maximalen Abstrahlung fest. Die jetzigen Regeln sind aber immer noch stark auf LTE [den Nachfolger von UMTS; d. Red.] und Wimax zugeschnitten. Ich bin mal gespannt, wie ein Unternehmen, das eine neue Technik auf diesen Bändern vermarkten will, damit klarkommt.
TR Sind Auktionen die angemessene Art der Frequenzvergabe?
Weber In Europa sieht man bekanntlich Versteigerungen als das einzig faire Mittel an, knappe Bänder zu verteilen. In Japan hat man das bislang vermieden. Dadurch bleibt den Betreibern mehr Geld, das sie für neue Dienste oder den Preiswettbewerb ausgeben können. Damit will ich nicht sagen, Auktionen sind unsinnig. Wir müssen nur den Fakten ins Auge sehen: Auf dem weltweit innovativsten Markt war das Spektrum umsonst.

[ Arnd Weber ]

 

Erstellt am: 16.04.2010 - Kommentare an: webmaster