Rolf Meyer, Christine Rösch, Arnold Sauter

Chancen und Herausforderungen neuer Energiepflanzen

Berlin: Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) 2010, TAB-Arbeitsbericht Nr. 136
[Inhalt]


ZUSAMMENFASSUNG

Biomasse als Energieträger war in den vergangenen Jahren ein wichtiges politisches Thema und wird es auch in Zukunft bleiben. In der EU sollen bis zum Jahr 2020 20 % des Primärenergiebedarfs durch erneuerbare Energieträger gedeckt werden, um den Ausstoß klimarelevanter Gase und die Abhängigkeit von Importen fossiler Energieträger zu verringern. Biomasse ist sowohl in der Europäischen Union als auch in Deutschland der wichtigste erneuerbare Energieträger mit einem Anteil von rund zwei Dritteln. In den Ausbaustrategien für erneuerbare Energien haben Bioenergieträger eine große Bedeutung. Die Biokraftstoff- und Biogaserzeugung ist in Deutschland in den letzten Jahren aufgrund der staatlichen Förderung stark angestiegen. Dieser Teil der Bioenergie beruht im Wesentlichen auf Energiepflanzenanbau (v. a. Raps u. Mais).

Mit den insbesondere in den Jahren 2007/2008 weltweit stark ansteigenden Nahrungsmittelpreisen wurden allerdings die Ausbauziele für Biokraftstoffe teilweise infrage gestellt. Kontrovers wurde diskutiert, inwieweit die zunehmende Produktion von Biokraftstoffen zu diesem Preisanstieg beigetragen hatte. Ein wichtiges Thema wurde, dass Nahrungsmittel- und Biokraftstoffproduktion um Anbauflächen konkurrieren können. Mit der Finanz- und Wirtschaftskrise sind mittlerweile die Agrarpreise deutlich gefallen, und die Landwirtschaft befindet sich inmitten einer Erlös- und Einkommenskrise, in der Energiepflanzen als Einkommensoption erneut Bedeutung erlangen können.

Ein weiterer Diskussionspunkt ist, in welchem Umfang ambitionierte Ausbauziele zum Import von Bioenergieträgern führen und dadurch in den tropischen Exportländern eine Ausweitung der Anbauflächen auf Kosten von Regenwald auslösen werden. Im Fall einer Regenwaldrodung in großem Umfang würde dies sogar erhöhte Treibhausgasemissionen anstelle ihrer Reduktion bedeuten.

Diese schnellen Wechsel in der öffentlichen Diskussion stellen die wissenschaftliche Politikberatung in diesem Themenfeld vor besondere Herausforderungen. Neben der gründlichen Aufbereitung der Faktenlage ist deshalb vor allem eine sorgsame Auseinandersetzung mit möglichen zukünftigen Entwicklungen erforderlich. Ein zentrales Anliegen des vorliegenden Berichts ist, eine Positionsbestimmung auf Basis des gegenwärtigen Wissensstandes vorzunehmen und die politischen Handlungsmöglichkeiten jenseits tagesaktueller Problemwahrnehmungen auszuloten. Mit der Vorlage des Endberichts wird das TA-Projekt "Chancen und Herausforderungen neuer Energiepflanzen" (Kurztitel "Energiepflanzen") abgeschlossen, das vom Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am 27. September 2006 beschlossen wurde.

GRUNDLAGEN

Unter Energiepflanzen werden landwirtschaftliche Nutzpflanzen verstanden, die mit dem Hauptziel einer Energienutzung angebaut werden. Der bisherige landwirtschaftliche Anbau von Energiepflanzen konzentriert sich auf die "traditionellen" Kulturarten und -sorten der Nahrungs- und Futtermittelproduktion (z. B. Raps für Biodiesel). An Energiepflanzen werden aber andere Anforderungen (z. B. hohe Anteile an energetisch nutzbaren Inhaltsstoffen) als an Nahrungs- und Futtermittelpflanzen gestellt. Es wird deshalb versucht, spezielle Energiepflanzensorten aus "traditionellen" Kulturpflanzen zu züchten (z. B. Energiemaissorten für Biogasanlagen). Unter "alternativen" Energiepflanzen werden neue oder bisher nur marginal in Deutschland und Europa angebaute Nutzpflanzen verstanden wie z. B. Miscanthus.

Die Energiepflanzen können vollständig oder teilweise energetisch genutzt werden. Bei der Teilpflanzennutzung werden nur die Saaten (z. B. bei Raps, Getreide), Rüben (z. B. bei Zuckerrüben), Stängel (z. B. bei Zuckerrohr) oder Knollen (z. B. bei Kartoffeln) energetisch verwertet. Bei der Ganzpflanzennutzung wird die gesamte aufwachsende Biomasse genutzt.

Ziel des Energiepflanzenanbaus ist die Gewinnung von Wärme, elektrischer Energie sowie Biokraftstoffen. Von den Energiepflanzen auf dem Acker bis zur nutzbaren Energie ist es ein weiter Weg mit verschiedenen Prozessschritten, und dabei kommen verschiedene Nutzungspfade zum Einsatz bzw. stehen zur Verfügung. Grundsätzliche Alternativen sind

Insgesamt ist das Technikfeld Bioenergie sehr komplex. Neben etablierten Technologien befinden sich einige Nutzungspfade und ihre Technologien noch in der Entwicklung.

AUSBAU DER ENERGIEPFLANZENNUTZUNG UND(FLÄCHEN-)KONKURRENZEN

Die zukünftige Entwicklung von Nutzungskonkurrenzen zwischen der Energiepflanzenerzeugung auf der einen Seite und der Nahrungs- und Futtermittelproduktion sowie der Erhaltung natürlicher Ökosysteme auf der anderen Seite ist in komplexer Weise von zahlreichen sozioökonomischen Rahmenbedingungen abhängig. Politisch festgelegte Ausbauziele und Förderstrategien zu Bioenergie und Energiepflanzennutzung sind dabei nur ein Faktor unter vielen. Da zukünftige sozioökonomische Entwicklungen und politische Gestaltungen nicht vorhersagbar sind, wurde der mögliche Entwicklungsspielraum mittels Szenarien analysiert.

Globale Ebene

Auf globaler Ebene wurden dabei die globalen Szenarien des Millennium Ecosystem Assessment (MEA-Studie) der Vereinten Nationen, die grundsätzliche Entwicklungsrichtungen im Hinblick auf Globalisierung oder Regionalisierung sowie proaktives oder reaktives Umweltmanagement beinhalten, ausgewertet und mit den Ergebnissen anderer wichtiger globaler Szenarienstudien verglichen. Die MEA-Szenarien liefern eine Beschreibung der denkbaren zukünftigen globalen ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Das Millennium Ecosystem Assessment wurde von 2001 bis 2005 von über 1.300 Wissenschaftlern aus 95 Ländern erarbeitet und stellt die umfassendste Zustands-, Trend- und Szenarioanalyse in Bezug auf Ökosysteme dar.

In den nächsten Jahrzehnten wird es voraussichtlich zu einer Ausweitung des Anbaulandes (Ackerland und Dauerkulturen) kommen. Eine wichtige Ursache für die Erschließung neuer landwirtschaftlicher Flächen ist die steigende Nahrungsmittelnachfrage, bedingt insbesondere durch die wachsende Weltbevölkerung. Die Zunahme der landwirtschaftlichen Fläche ist u. a. mit bedeutenden Verlusten an Biodiversität in artenreichen Ökosystemen und relevanten Freisetzungen von Treibhausgasen verbunden. In Abhängigkeit von den sozioökonomischen Rahmenbedingungen wird diese Ausweitung des Anbaulandes allerdings unterschiedlich stark ausfallen.

Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise hat u. a. zu deutlich sinkenden Agrarpreisen und zu einer Einkommenskrise in der Landwirtschaft geführt. Nur wenn diese Situation schnell überwunden wird und dann eine Entwicklung mit starkem ökonomischen Wachstum und hohen Investitionen im Agrarsektor eintritt (wie im MEA-Szenario »Global Orchestration«), kann auch eine deutliche Steigerung der landwirtschaftlichen Flächenproduktivität erwartet werden. Mit Wirtschaftswachstum verbundene steigende Einkommen bedeuten allerdings gleichzeitig einen zunehmenden Konsum tierischer Nahrungsmittel mit entsprechendem Flächenbedarf für die Futtermittelproduktion. Trotzdem wird unter diesen Bedingungen erwartet, dass in der Summe der Druck zur landwirtschaftlichen Flächenausdehnung relativ gering bleibt. Somit bleibt auch Spielraum zum Ausbau der Energiepflanzennutzung.

Unterschiedliche Einschätzungen findet man allerdings in verschiedenen Szenarienstudien zu der Frage, inwieweit eine Entwicklung mit deutlich steigenden Energiepreisen – wie sie bei einer raschen Erholung der Weltwirtschaft und hohem gesamtwirtschaftlichen Wachstum zu erwarten sind – zur Wirtschaftlichkeit der Energiepflanzennutzung führen wird. Während das Szenario einer wirtschaftlichen Liberalisierung in der MEA-Studie von einer marktgetriebenen Ausweitung des Energiepflanzenanbaus ausgeht, unterstellt das entsprechende Szenario im Global Environment Outlook Report 4 (GEO4) von UNEP (United Nation Environment Programme) trotz steigender Energiepreise keine deutlich zunehmende Wirtschaftlichkeit des Energiepflanzenanbaus. Eine starke globale Ausweitung des Energiepflanzenanbaus aufgrund zunehmender Wirtschaftlichkeit ohne zusätzliche Förderung aus klimapolitischen oder sonstigen Motiven ist daher unsicher.

Ein länger anhaltender Einbruch der Weltwirtschaft oder zunehmende protektionistische Maßnahmen, wie sie im Zuge des Nahrungsmittelpreisanstiegs 2007/2008 und auch während des folgenden Preisverfalls zu beobachten waren, könnten zu einer Entwicklung mit einer stärkeren Abschottung der Wirtschaftsräume führen. Bei einem solchen globalen Entwicklungsweg (wie im MEA-Szenario »Order from Strength«), der mit geringerem Wirtschaftswachstum und einem niedrigeren Investitionsniveau im Agrarsektor einhergehen würde, werden nur schwache Ertragszuwächse erwartet. Gleichzeitig ist von einem hohen Bevölkerungswachstum auszugehen, bedingt durch den geringen Wohlstandszuwachs. Im Szenarienvergleich wird als Folge die stärkste Ausweitung der landwirtschaftlichen Flächen angenommen, insbesondere auf Kosten von Waldflächen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Ein Ausbau der Energiepflanzennutzung würde hier die Nutzungskonkurrenzen besonders verschärfen.

Ein starker Ausbau der Energiepflanzennutzung ist jedoch nicht automatisch mit einer besonders hohen Anbauflächenausweitung verbunden. Im Rahmen einer weltweit verfolgten ambitionierten Klimaschutzpolitik ist ein deutlicher Ausbau der Energiepflanzennutzung möglich (wie im MEA-Szenario »TechnoGarden« beschrieben), wenn eine hohe Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge und der Effizienz von Konversionsverfahren einschließlich der Entwicklung hochertragreicher Energiepflanzennutzungen gewährleistet werden können. Die MEA-Szenarien zeigen auf, dass die pro Kopf der Weltbevölkerung zur Verfügung stehende landwirtschaftliche Anbaufläche von derzeit rund 0,25 ha auf etwa 0,2 ha im Jahr 2050 zurückgehen wird. Allein um die Welternährung zu sichern und möglichst zu verbessern, wird daher eine erhebliche Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge in den nächsten Jahrzehnten nötig werden.

Die Entwicklung der Flächenproduktivität auf globaler Ebene ist deshalb eine entscheidende Größe, die den Spielraum für eine zunehmende Energiepflanzennutzung bestimmt, ohne dass Nutzungskonkurrenzen zusätzlich verschärft werden. Die Abschätzung der zukünftig erzielbaren Ertragssteigerungen ist mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass die Auswirkungen des Klimawandels auf die global verfügbaren Anbauflächen und die zukünftige Ertragsentwicklung einen bedeutenden Unsicherheitsfaktor darstellen.

Es gibt nur wenige Untersuchungen, die den Beitrag der steigenden Biokraftstofferzeugung zum Anstieg der Weltmarktpreise für Agrarprodukte und Nahrungsmittel in den letzten Jahren untersuchen, und diese kommen zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen. Grundsätzlich gilt, dass nur ein kleiner Teil der Weltagrarproduktion international gehandelt wird; daher können sich auch begrenzte Einschränkungen des Angebots (z. B. durch Ernteausfälle infolge Trockenheit) und Steigerungen der Nachfrage (z. B. durch Einkommenszuwächse in Schwellenländern) relativ stark auf die Weltmarktpreise auswirken. Wenn durch politische Rahmensetzungen der Ausbau der Energiepflanzennutzung schneller erfolgt, als freie Produktionskapazitäten bereitstehen, dann kann dies zum Preisanstieg beitragen, ohne dass die genaue Größenordnung quantifiziert werden kann.

Nationale Ebene

Für Deutschland wurden aus den globalen MEA-Szenarien Annahmen zur Ausgestaltung entsprechender Szenarien (MEA-D-Szenarien) abgeleitet, um die zukünftige Entwicklung von Konkurrenzen auf nationaler Ebene zu analysieren. Im Mittelpunkt stehen dabei Annahmen zur Energiepflanzennutzung in Deutschland im Jahr 2020, differenziert nach Biokraftstoffen und Energiepflanzen zur Strom- und Wärmegewinnung.

Die MEA-D-Szenarien zeigen, dass sich zukünftig die Flächenkonkurrenz sowohl verstärken als auch abschwächen kann, in Abhängigkeit von der Ausbaustrategie zur Energiepflanzennutzung und den allgemeinen Rahmenbedingungen. Eine Fortsetzung des Trends der letzten Jahre bei der Energiepflanzennutzung und insbesondere die vorgesehenen Quoten für Biokraftstoffe würden allerdings zu einer spürbaren Erhöhung des weltweiten Flächenbedarfs pro Person für Deutschland (für den inländischen Verbrauch landwirtschaftlicher Waren) führen, während gleichzeitig global die landwirtschaftliche Fläche pro Person abnimmt. Der weltweite Flächenbedarf Deutschlands ergibt sich aus den landwirtschaftlichen Flächen für den Energiepflanzenanbau, für den Anbau nachwachsender Rohstoffe und für den Anbau von Nahrungsmitteln in Deutschland sowie im Ausland für den Nettoimport (d. h. Import minus Export) landwirtschaftlicher Güter. Beim Flächenbedarf Deutschlands werden damit beispielsweise die landwirtschaftlichen Flächen für den Anbau importierter Futtermittel berücksichtigt.

Hohe Ertragssteigerungen bei Nahrungs- und Futtermitteln führen zu mehr verfügbarer Fläche für den Energiepflanzenanbau und verringern den Konkurrenzdruck. Hohe Ertragssteigerungen bei Energiepflanzen ermöglichen einen höheren Beitrag zur Energieversorgung bei gleicher Fläche. Die Ertragsentwicklung ist von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und den Investitionen im Sektor Landwirtschaft abhängig, kann aber zumindest teilweise auch durch forschungspolitische Förderung von Züchtung und landwirtschaftlichen Produktionstechniken und -systemen unterstützt werden.

Die zukünftige politische Gestaltung des Außenschutzes bei Bioenergieträgern entscheidet mit darüber, in welchem Umfang zukünftig Bioenergieträger importiert werden, da insbesondere Biokraftstoffe aus tropischen Ländern (Bioethanol aus Zuckerrohr, Biodiesel aus Palmöl) mit geringeren Kosten erzeugt werden können als in Deutschland. Einerseits führen hohe Importanteile aufgrund der höheren Flächenproduktivität zu einem geringen Flächenbedarf (MEA-D-Szenarien »Global Orchestration« und »TechnoGarden«), andererseits stammen sie aus Regionen, wo natürliche Ökosysteme (insbesondere Regenwälder) schon bisher durch die Lebens- und Futtermittelerzeugung unter erheblichem Druck stehen.

Rahmenbedingungen, die eine Konzentration auf den Energiepflanzenanbau in Deutschland bewirken, lösen nicht automatisch das Problem der Flächenkonkurrenz. Wenn die zukünftigen Ertragssteigerungen niedrig ausfallen und gleichzeitig hohe Ausbauziele für die Energiepflanzennutzung festgelegt werden, führt dies zu einer Verdrängung eines Teils des Nahrungsmittelanbaus ins Ausland und damit indirekt zu einer Verschärfung der Flächenkonkurrenz auf globaler Ebene (MEA-D-Szenario »Order from Strength«). Ehrgeizige Ausbauziele könnten sich aus der Zielsetzung ableiten, die Abhängigkeit vom Import fossiler Energieträger zu verringern. Das Dilemma ist, dass gleichzeitig die für den Energiepflanzenanbau verfügbaren landwirtschaftlichen Flächen begrenzt sind. Deshalb sind unter diesen Bedingungen die Risiken einer »Übersteuerung« bei den Ausbauzielen besonders groß.

Die Gestaltung der deutschen Förderpolitik entscheidet mit, welche Produktlinien der Energiepflanzennutzung zukünftig genutzt werden. Die verschiedenen Produktlinien unterscheiden sich in ihrem Flächenbedarf und dadurch, ob sie auf eine inländische Erzeugung (wie z.B. bei Biogas) angewiesen sind. Die Szenarien mit einer stärkeren Gewichtung der Strom- und Wärmeerzeugung aus Energiepflanzen schneiden hinsichtlich der Konkurrenzentwicklung besser ab als die Szenarien mit einem Schwerpunkt auf Biokraftstoffen. Die zusätzlich diskutierten Business-as-usual-Szenarien für Deutschland, die die Anfang 2008 gegebenen ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen (zur Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen und Energiepflanzen) abbilden und hohe Biokraftstoffquoten umfassen, führen zu einer deutlichen Verschärfung der Flächenkonkurrenz.

In einigen Szenarien ist ein zunehmender – bis 2020 allerdings noch begrenzter – Anteil von Biokraftstoffen der sogenannten 2. Generation unterstellt worden. In Abhängigkeit von den benutzten Modellen wird weiterhin eine BtL-Erzeugung aus Energiepflanzen (z.B. schnellwachsende Baumarten) bzw. aus Stroh (bei den regionalen Szenarien) angenommen. Ersteres würde die Flächenkonkurrenz abmildern, letzteres keine Konkurrenz um Flächen bedeuten.

Entscheidenden Einfluss auf die Flächenkonkurrenz hat die Gesamthöhe der Ausbauziele, also die Summe der zukünftigen Energiepflanzennutzungen für Strom, Wärme und Kraftstoffe. Es ist also eine integrierte Betrachtung notwendig. Begrenzte Ausbauziele für die Energiepflanzennutzung tragen, in Abhängigkeit von den sonstigen Rahmenbedingungen, zu einem gleichbleibenden bzw. deutlich abnehmenden globalen Flächenbedarf Deutschlands bei (MEA-D-Szenarien »Adapting Mosaic« bzw. »Global Orchestration«). Unter günstigen Voraussetzungen sind auch ambitionierte Ausbauziele möglich (MEA-D-Szenario »TechnoGarden«), ohne die Flächenkonkurrenz zu verschärfen. Neben der Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion sind auch zukünftige Wettbewerbssituationen zur stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe zu beachten.

Regionale Ebene

Schließlich wurden regionale Flächen- und Ressourcennutzungskonkurrenzen und die entsprechenden Wirkungszusammenhänge analysiert, indem die vier globalen MEA-Szenarien zur Ableitung von Annahmen für ein regionales Ressourcennutzungsmodell (MEA-R-Szenarien) genutzt wurden. Dabei wurden drei Regionen (Region mit intensivem Ackerbau, Region mit Verbundbetrieben, Region mit intensiver Tierhaltung) betrachtet.

Auf regionaler Ebene bestehen zwischen den Agrarstandorten und Produktionsschwerpunkten deutliche Unterschiede. Die Szenarien, und damit die diesen zugrundeliegenden unterschiedlichen politischen Konzepte der Energiepflanzenförderung, führen in den untersuchten Regionen zu verschiedenen Entwicklungen der Energiepflanzennutzung. Während beispielsweise einige Regionen (z.B. Ackerbauregionen) tendenziell besser bei global orientierten Entwicklungen (MEA-R-Szenarien »Global Orchestration« und »TechnoGarden«) abschneiden, ist für andere Regionen (z.B. mit intensiver Tierhaltung) eine regional angepasste Entwicklung (MEA-R-Szenario »Adapting Mosaic«) von Vorteil.

Die regionalen Analysen kommen zum Ergebnis, dass die Strom- und Wärmeerzeugung (aus Biogas) unter verschiedenen Rahmenbedingungen in allen Regionen in den nächsten Jahrzehnten ausgebaut werden wird, teilweise erheblich. Eine Ausnahme bilden nur Rahmenbedingungen mit einer internationalen Abgrenzung von Wirtschaftsräumen (MEA-R-Szenario »Order from Strength«), wo es an Konkurrenzfähigkeit gegenüber der Nahrungsmittelproduktion mangelt und deshalb kein weiterer Ausbau erfolgt.

Bei den Biokraftstoffen der sogenannten 1. Generation (Biodiesel und Bioethanol) ist die zukünftige Entwicklung in den Regionen und den Szenarien sehr uneinheitlich und beinhaltet teilweise einen Ausbau, teilweise auch eine Reduktion bis hin zur völligen Aufgabe. Beispielsweise wird nach den Szenarienanalysen in der Region mit intensiver Tierhaltung im MEA-R-Szenario »TechnoGarden« (im Zieljahr 2050) die geringe Biodieselbereitstellung vollständig eingestellt und stattdessen die Biogaserzeugung erheblich ausgebaut. Dagegen wird erwartet, dass die Erzeugung von Bioethanol unter den Bedingungen des MEA-R-Szenarios »Adapting Mosaic« gute Chancen hat in zwei Regionen (Region mit intensivem Ackerbau und Region mit Verbundbetrieben).

Die Erzeugung von Biokraftstoffen der sogenannten 2. Generation hat unter allen betrachteten Rahmenbedingungen in Regionen mit intensivem Ackerbau gute Chancen, wenn sie auf der Nutzung von Stroh beruht. Bei den Regionen mit Verbundbetrieben und mit intensiver Tierhaltung gilt dies nicht für alle Szenarien. Inwieweit diese Potenziale realisiert werden können, hängt davon ab, wann die entsprechenden BtL-Technologien kommerziell verfügbar sind und ob Stroh als Rohstoffbasis technologisch nutzbar ist, was in den Szenarien angenommen wurde.

Nutzungskonkurrenzen bestehen nicht nur um Flächen, sondern auch um landwirtschaftliche Nutzungsansprüche an die Umwelt. Umweltwirkungen der Landbewirtschaftung sind vor allem in den Bereichen Wasser, Nährstoffe, Emissionen sowie Vielfalt und Stabilität von Ökosystemen relevant. Diese Konkurrenzbeziehungen bestehen bei der Verwendung der Biomasse für Lebensmittel, für stoffliche Nutzungsmöglichkeiten und für die energetischen Nutzungswege. Für alle Regionen gilt, dass eine Abnahme der Flächenkonkurrenz durch Energiepflanzennutzung mit der Nahrungsmittelerzeugung (in den MEA-R-Szenarien »Global Orchestration« und »Order from Strength«) gleichzeitig zu einer Verschlechterung bei verschiedenen Umweltindikatoren führt, also die Nutzungskonkurrenz mit Umweltgütern verschärft. Wenn also auf globaler und nationaler Ebene eine reaktive Umweltpolitik vorherrscht, dann müssen auf regionaler Ebene die negativen Folgewirkungen für die Umwelt besonders berücksichtigt und präventive Maßnahmen ergriffen werden. Unter diesen Bedingungen gewinnt die umweltverträgliche Gestaltung des Energiepflanzenanbaus wie der landwirtschaftlichen Produktion insgesamt besondere Wichtigkeit.

Ein weiteres Beispiel regionaler Differenzierung sind die Risiken eines Humusabbaus. Die Strohnutzung ist in einigen Regionen sinnvoll, da die Humusbilanz positiv ausfällt, während sie in anderen Regionen zu negativen Humusbilanzen führen kann. Insbesondere in der Region mit Verbundbetrieben stellt sich die Situation bei der Humussituation sowohl bei der Istsituation als auch bei unterschiedlichen zukünftigen Entwicklungen (in allen Szenarien) kritisch dar.

Einzelne regionale Nutzungssysteme, die Synergien zwischen den Ressourcen ermöglichen und die regulierenden Leistungen der Ökosysteme berücksichtigen, können teilweise sogar die Konkurrenzen insgesamt abschwächen (beispielsweise die Region mit intensivem Ackerbau im MEA-R-Szenario »TechnoGarden«). Das heißt umgekehrt, dass selbst eine Verringerung der Konkurrenz zwischen Nahrungsmittelerzeugung und Bioenergiegewinnung nicht zwangsläufig zu einer Verstärkung der unerwünschten Umweltwirkungen führen muss.

Die unterschiedlichen naturräumlichen Gegebenheiten, Produktionsschwerpunkte und Energiepflanzennutzung in den Regionen erschweren eine einheitliche nationale Politik und erfordern regional angepasste Politiken, Förderungen und Projekte. Eine zentrale Frage aus regionaler Sicht ist dabei, wie und inwieweit sich die Regionen unabhängig von globalen und europäischen Rahmenbedingungen entwickeln und eine angepasste Energiepflanzennutzung bei unsicheren Rahmenbedingungen sicherstellen können.

Unabhängig von den regionalen Unterschieden sind die Nutzung von Kupplungsprodukten und die Kaskadennutzung zu bevorzugen, also die Erzeugung von Bioenergie aus Abfall- und Reststoffen. Sie lösen keine Flächenkonkurrenzen aus und können außerdem zur Abmilderung von Nutzungskonkurrenzen mit Umweltgütern beitragen. Ein eingeführtes Instrument in diesem Sinne ist beispielsweise der Güllebonus im EEG.

Umweltverträgliche Energiepflanzenproduktion

Die Substitution fossiler Energieträger durch Biomasse soll zu einer klima- und umweltverträglicheren Gestaltung der Energieversorgung beitragen. Je nach Kulturpflanze, Anbauverfahren und Standort kann der Anbau von Energiepflanzen jedoch auch mit negativen Umweltauswirkungen verbunden sein. Der Energiepflanzenanbau und seine flächenspezifischen Umweltauswirkungen unterscheiden sich dabei nicht grundlegend vom Nahrungs- und Futtermittelanbau, wenn – was bisher häufig der Fall ist – identische Kulturen und Anbauverfahren eingesetzt werden.

Untersucht wurde, wie sich der Anbau von Energiepflanzen auf die Schutzgüter Boden, Wasser, Luft/Klima, Tiere/Pflanzen und Landschaftsbild/Erholung auswirkt und in welchen Bereichen es zu energiepflanzenspezifischen Beeinträchtigungen kommen kann. Darauf aufbauend wurden Ansatzpunkte für einen umweltverträglichen Energiepflanzenanbau entwickelt.

Die zusätzliche Nachfrage nach Energiepflanzen hat zu einer Ausdehnung der bewirtschafteten Fläche insgesamt und zum Anbau von Kulturen auf Flächen und in Regionen, die bislang nicht für den Anbau dieser Pflanzen genutzt wurden, beigetragen. Im Jahr 2009 wurden in Deutschland auf rund 17 % der Ackerfläche Energiepflanzen angebaut. Umweltrelevant ist jedoch nicht in erster Linie dieser relativ hohe Flächenanteil, sondern vor allem die geringe Anzahl an Energiepflanzenarten, die bisher auf dieser Fläche angebaut werden: Auf Raps entfallen 55 % der Energiepflanzenanbaufläche, auf Mais 30 % und auf Zuckerrüben und Getreide 13 %. Neben diesen Verschiebungen bei den Flächenanteilen der jeweiligen Kulturpflanzen kann es auch zum Anbau neuer Pflanzenarten und -sorten kommen. Sofern es sich dabei um nichtinvasive, einheimische Arten handelt, geht damit eine positive Erweiterung der Fruchtfolge einher.

Die Wirkung von Energiepflanzen auf die verschiedenen Schutzgüter (Boden, Wasser, Luft/Klima, Tiere/Pflanzen, Landschaftsbild/Erholung) wird maßgeblich durch die standortspezifischen Empfindlichkeiten des Naturhaushalts und die räumliche Ausprägung des Anbaus bestimmt. Aussagen zu größeren räumlichen Ausschnitten wie Regionen oder Bundesländern können nur die »Eintrittswahrscheinlichkeit« von Wirkungen vieler Bewirtschaftungsfaktoren darstellen und bleiben ungenau. Kulturen und Anbauverfahren, die nicht den Empfindlichkeiten des Standortes gerecht werden, können zu einer Beeinträchtigung der Schutzgüter führen.

Ein umweltverträglicher Anbau von Energiepflanzen könnte auf der Grundlage der verfügbaren Erkenntnisse, fachrechtlicher Regelwerke, Verfahren und Techniken realisiert werden. Jedoch müsste diese Basis an die Ausweitung des Energiepflanzenanbaus angepasst werden. Dies betrifft insbesondere die Herausforderungen bei der Lagerung und Ausbringung von Gärrückständen sowie bei der Überwachung von Nährstoffströmen beim Anbau von Energiepflanzen für Biogasanlagen.

Ein erheblicher Teil der mit dem Anbau von Energiepflanzen verbundenen Umweltprobleme ließe sich mildern oder auch vermeiden, wenn die pflanzenbaulichen Aktivitäten im Rahmen der Fruchtfolge besser aufeinander abgestimmt und bezogen würden. Bei der Gestaltung der Energiepflanzenfruchtfolge sollte deshalb eine ausgeglichene Humusbilanz, eine möglichst ganzjährige Bodenbedeckung zur Reduzierung von Nährstoffverlusten und Pflanzenschutzmittelaufwendungen sowie eine Verringerung der Bodenbearbeitung angestrebt werden.

In Abhängigkeit von der vorherigen Flächennutzung kann ein standortangepasster Anbau mehrjähriger Energiepflanzen positive Auswirkungen auf den Boden, den Wasserhaushalt und die Artenvielfalt haben. Insbesondere Kurzumtriebplantagen weisen im Vergleich zu einjährigen Kulturen eine höhere Stabilität, Elastizität und Resilienz gegenüber Witterungsextremen und Klimaänderungen auf.

Zertifizierung biogener Energieträger

In den Jahren 2006 und 2007 mehrten sich die Stimmen, dass die verstärkte Förderung des Biokraftstoffeinsatzes in den Industrieländern die Gefahr negativer ökologischer und sozioökonomischer Konsequenzen in Exportländern des Südens heraufbeschwören würde. Seitens der Politik setzte sich in Europa das Konzept der Festlegung von Nachhaltigkeitskriterien mit verpflichtender Zertifizierung durch. Mehrere EU-Mitgliedstaaten (insbesondere Deutschland, Großbritannien und die Niederlande) trieben die Entwicklung von Nachhaltigkeitsstandards und Zertifizierungssystemen intensiv voran. Im Januar 2008 legte die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Förderung von erneuerbaren Energien vor, die verpflichtende Nachhaltigkeitsanforderungen an flüssige Bioenergieträger für den Verkehrsbereich und den Einsatz in Kraftwerken zur Strom- und Wärmegewinnung enthielt. Nach Beschluss durch das Europäische Parlament und den Europäischen Rat ist sie seit Juni 2009 in Kraft und muss von den Mitgliedsländern bis Ende 2010 in nationales Recht umgesetzt werden.

Entsprechend der Richtlinie muss die Nutzung flüssiger Biokraft- und Biobrennstoffe (gegenüber fossilen Referenzkraftstoffen) zu einer Treibhausgasreduzierung von mindestens 35 % führen, ab 2017 von 50 % und für Neuanlagen (nach 2017) von 60 %. In der EU angebaute landwirtschaftliche Rohstoffe zur Herstellung von Biokraftstoffen müssen den umwelt- und landwirtschaftsbezogenen Bestimmungen der Cross-Compliance-Verordnung genügen. Grundsätzlich – und damit auch außerhalb der EU – dürfen die landwirtschaftlichen Rohstoffe nicht auf Flächen produziert werden, die im oder nach Januar 2008 einen anerkannt hohen Wert hinsichtlich der biologischen Vielfalt hatten. Hierzu zählen von signifikanter menschlicher Tätigkeit unberührter Wald, für Naturschutzzwecke ausgewiesene Flächen sowie Grünland mit großer biologischer Vielfalt. Außerdem dürfen Rohstoffe nicht auf Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand gewonnen werden, d. h. in Feuchtgebieten und kontinuierlich bewaldeten Gebieten.

Anders als z. B. der deutsche Entwurf einer Biomasse-Nachhaltigkeitsverordnung umfasst die EU-Richtlinie keine expliziten Kriterien für Boden-, Luft- und Wasserschutz außerhalb der EU. Soziale bzw. sozioökonomische Kriterien sind bislang kein Teil der Zertifizierungskriterien. Allerdings ist die EU-Kommission verpflichtet, dem Europäischen Parlament und Rat in Bezug auf relevante Exportländer für Bioenergieträger alle zwei Jahre (zum ersten Mal 2012) über soziale Folgen einer erhöhten Nachfrage nach Biokraftstoff in der Gemeinschaft und in Drittländern zu berichten. Die Kommission soll Korrekturen der EU-Richtlinie vorschlagen, wenn nachweisbar ist, dass sich die Biokraftstoffherstellung in erheblichem Maße auf die Nahrungsmittelpreise auswirkt.

Indirekte Landnutzungsänderungen werden in der Treibhausgasbilanz ebenfalls nicht berücksichtigt. Allerdings muss die EU-Kommission dem Europäischen Parlament und Rat bis Ende 2010 zu dieser Frage einen Bericht vorlegen. Offensichtlich ist, dass keine argumentativ und in ihren Auswirkungen auf die Handelsströme und die Landnutzung hinreichend abgesicherte Methodik zur Einbeziehung des indirekten Effekts einer Landnutzungsänderung in die Treibhausgasbilanzierung zur Verfügung steht. Zur Lösung dieses Problems gibt es verschiedene Vorschläge: Zum einen wird eine Beschränkung des Energiepflanzenanbaus auf ungenutzte Landflächen mit geringer Biodiversität oder auf die Ertragssteigerung bestehender Plantagen und die Nutzung biogener Abfälle als Kriterium der Zertifizierung vorgeschlagen. Zum anderen ist die Integration eines länderabhängigen »risk adders« im Rahmen der Treibhausgasbilanzierung der Bioenergieträger in die Diskussion gebracht worden.

Über die engere Frage der Energiepflanzenproduktion hinaus weisen Forderungen nach Etablierung einer transparenten und partizipativen Landnutzungsplanung in den Exportländern sowie die Schaffung eines globalen, multilateralen Übereinkommens zum Schutze ökologisch wertvoller Landgebiete bzw. die Etablierung eines globalen Landnutzungsstandards.

Handlungsoptionen

Handlungsoptionen werden zu den Themenbereichen Ausbauziele und strategische Ausrichtung der Förderpolitik, umweltverträgliche Energiepflanzenproduktion und Zertifizierung identifiziert und diskutiert. Im Folgenden werden Kernaussagen vorgestellt.

Ausbauziele und strategische Ausrichtung der Förderpolitik

Im Mittelpunkt stehen hier grundlegende Richtungsentscheidungen bei der Ausgestaltung der deutschen (und europäischen) Förderpolitik zu Bioenergie und Energiepflanzen, die Nutzungskonkurrenzen und Klimaschutzeffizienz entscheidend beeinflussen.

Unstrittig ist, dass der politisch geförderte Ausbau der Bioenergie und insbesondere die Nutzung von Energiepflanzen nicht zu einer Gefährdung der Ernährungssicherheit über die Zunahme von Landnutzungskonkurrenzen führen oder die Zerstörung von Regenwäldern oder anderen naturnahen Ökosystemen auslösen sollen. Auf die Erreichung dieses Ziels kann die politische Gestaltung in verschiedenen Handlungsbereichen Einfluss nehmen:

Umweltverträgliche Energiepflanzenproduktion

Mit der Ausweitung des Energiepflanzenanbaus in Deutschland ergeben sich neue agrarumweltpolitische Herausforderungen. Um eine umweltverträgliche Gestaltung des Energiepflanzenanbaus sicherzustellen, könnten die allgemeinen ordnungsrechtlichen Regelungen zur Landbewirtschaftung angepasst und dem Vollzug eine höhere Bedeutung beigemessen werden. Hierzu bieten sich folgende Handlungsoptionen an:

Zertifizierung biogener Energieträger

Nachhaltigkeitsstandards und eine verpflichtende Zertifizierung derjenigen Bioenergieträger, die für die Erfüllung politisch vorgegebener Quoten genutzt werden, bzw. für solche, deren Produktion mit öffentlichen Geldern gefördert werden, gelten sowohl für inländisch erzeugte als auch für importierte Bioenergieträger. Neben den vorgesehenen Umweltstandards werden auch sozioökonomische Anforderungen diskutiert. Die politische und administrative Aufgabe der kommenden Jahre besteht zunächst in der nationalen Umsetzung und Implementierung des durch die EU-Richtlinie vorgesehenen Systems und der Gewährleistung der Einhaltung der Vorgaben. Weil dies vermutlich nicht ohne Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung geschehen und vermutlich ein längerfristiger Prozess sein wird, ergeben sich parallel Handlungsoptionen für eine Weiterentwicklung der EU-Vorgaben im Sinne der Reichweitenausdehnung.

Handlungsperspektiven

Priorität für Biokraftstoffe beibehalten

Im Mittelpunkt steht bei dieser Handlungsperspektive das Festhalten an dem bindenden Ausbauziel von 10 % Biokraftstoffanteil für die EU und dem deutschen Ausbauziel von 12 bis 15 % für Deutschland (jeweils für das Jahr 2020). Dahinter stehen die Zielsetzungen, die Nutzung nichtfossiler Kraftstoffe auszubauen und damit einen Beitrag des Verkehrsbereiches zur Reduktion von Klimagasemissionen zu leisten sowie eine höhere Versorgungssicherheit zu erreichen.

Konsequenz dieser Ausrichtung müsste sein, die Strom- und Wärmeerzeugung auf der Basis von Energiepflanzen in Deutschland mehr oder weniger auf dem heutigen Niveau einzufrieren (bzw. ggf. sogar zurückzuführen), um zusätzliche Flächenkonkurrenzen zu vermeiden. Auch unter günstigen Rahmenbedingungen wird es schwierig werden, den Biokraftstoffanteil im Jahr 2020 größtenteils auf der Basis der deutschen (bzw. europäischen) Produktion von Biokraftstoffen der sogenannten 1. Generation zu erreichen.

Deshalb sind diese Quoten auch unter dem Vorbehalt festgelegt worden, dass im Zieljahr ein merklicher Anteil durch Biokraftstoffe der sogenannten 2. Generation (insbesondere BtL) bereitgestellt werden kann. Damit ist allerdings eine erhebliche Unsicherheit verbunden: Einerseits lässt sich derzeit nicht sicher abschätzen, ob diese Konversionstechnologien bis dahin technologisch ausgereift sind und wirtschaftlich betrieben werden können. Anderseits ist zurzeit unklar, in welchem Umfang Reststoffe genutzt werden können oder Energiepflanzen (z. B. Kurzumtriebsplantagen) als Rohstoffbasis benötigt werden. Nicht auszuschließen ist, dass die Erreichung des Ausbauziels für Biokraftstoffe bei ungenügenden Fortschritten gefährdet sein kann.

Diese Handlungsperspektive wird aufgrund der geringen Energieproduktivität pro Fläche zu einem relativ geringen Beitrag der Bioenergie (bzw. hier der Energiepflanzennutzung) zur Bereitstellung regenerativer Energien führen. Ebenso können nur begrenzte Einsparungen bei den Klimagasemissionen erwartet werden. Die Unsicherheiten bei der Höhe und Klimawirksamkeit von NOx-Emissionen infolge der Stickstoffdüngung sind bei den Biokraftstoffen der sogenannten 1. Generation von besonderer Bedeutung und können den Klimaschutzbeitrag noch weiter verringern.

Eine Bereitstellung der Biokraftstoffe im Wesentlichen durch inländische (bzw. europäische) Erzeugung würde verhindern, dass der global bestehende Druck zur Ausweitung landwirtschaftlicher Nutzflächen weiter erhöht wird. Dies gilt allerdings nur so lange, wie als Folge der europäischen Biokraftstoffproduktion nicht ein Teil der europäischen Futter- und Nahrungsmittelproduktion ins Ausland verdrängt wird. Eine Ausrichtung auf die europäische Erzeugung von Biokraftstoffen erfordert einen entsprechenden Außenschutz. Dies gilt nicht nur für die Biokraftstoffe der sogenannten 1. Generation, sondern voraussichtlich auch für die Biokraftstoffe der nächsten Generation, weil diese unter Umständen in tropischen Ländern mit großen Holzvorräten billiger produziert werden können. Die Beibehaltung bzw. der Ausbau von Außenschutzregelungen ordnen sich eher in eine globale Entwicklung hin zu einer Abschottung von Wirtschaftsräumen ein, die insgesamt zu einer besonders hohen Ausdehnung landwirtschaftlicher Flächen mit allen ihren Folgen führen würde.

Aus der Konzentration auf Biokraftstoffe aus inländischer Erzeugung ergibt sich, dass von den diskutierten Handlungsoptionen zur umweltverträglichen Energiepflanzenproduktion diejenigen eine besondere Dringlichkeit besitzen, die sich auf den Anbau von Energiepflanzen zur Biokraftstofferzeugung beziehen, beispielsweise zum Schutz des Dauergrünlandes und zum umweltgerechten Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln. Bei dieser Handlungsperspektive hätte die Zertifizierung keine hohe Priorität, wenn sich die Energiepflanzennutzung auf inländische Erzeugung konzentriert und mögliche negative Umweltwirkungen des Energiepflanzenanbaus durch eine Fortschreibung der ordnungsrechtlichen Regelungen zur Landbewirtschaftung verhindert werden. Vorrangige Aufgabe bei der Zertifizierung wäre eine erfolgreiche Implementierung des beschlossenen Zertifizierungssystems.

Priorität auf Strom- und Wärmeerzeugung aus Energiepflanzen verschieben

Diese Ausrichtung zielt darauf, die landwirtschaftlichen Energiepflanzenpotenziale mit möglichst klimaeffizienten Produktlinien zu nutzen. Die Strom- und Wärmeerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung weist derzeit und auf absehbare Zeit die besseren Einsparpotenziale bei den Treibhausgasemissionen auf. Sie kann beispielsweise auf der Basis von biogenen Festbrennstoffen oder Biogas erfolgen. Außerdem resultiert aus der Ganzpflanzennutzung eine höhere Flächenproduktivität der Energiebereitstellung als bei Biokraftstoffen der sogenannten 1. Generation. Entsprechende Ausbauziele für die Strom- und Wärmegewinnung auf der Basis von Energiepflanzen wären festzulegen und die Förderpolitiken dahingehend anzupassen. Damit ließen sich höhere Anteile der Bioenergie am regenerativen Strom und am gesamten Stromverbrauch erzielen, als in der »Leitstudie 2008« vorgesehen. Zielsetzung dieser Handlungsperspektive ist, eine möglichst hohe Energieproduktivität pro Fläche, einen relativ hohen Beitrag zur regenerativen Energieversorgung und einen möglichst großen Beitrag zur Vermeidung von Treibhausgasen zu erreichen.

Konsequenz dieser Ausrichtung müsste die stufenweise Zurücknahme der Biokraftstoffquote bis zur ihrer völligen Abschaffung sein. Dies würde eine Änderung der europäischen Festlegungen zum Biokraftstoffanteil verlangen. Außerdem würde dies auf den Widerstand der europäischen Biokraftstoffindustrie stoßen, die sich in den letzten Jahren gerade erst auf der Basis der staatlichen Förderung der Biokraftstoffe entwickelt hat. Eine Kompromisslösung könnte ein Einfrieren der Quote bei den derzeit festgelegten 5,75 % sein, als Vertrauensschutz und zur Ausnutzung der getätigten Investitionen. Eine Zurücknahme der Biokraftstoffförderung würde auch bedeuten, dass verstärkte Anstrengungen bei effizienteren Fahrzeugen und bei neuen Antriebssystemen unternommen werden müssten, um Klimaschutzziele im Verkehrsbereich zu erreichen.

Unsicherheiten bestehen bei dieser Ausrichtung darin, inwieweit ambitionierte Ziele zum Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung erreicht werden können. Diese ist stark an den Ausbau von Nah- und Fernwärmeversorgungen gebunden. Eine Ausrichtung auf die stationäre Nutzung erfordert daher gezielte Maßnahmen, um entsprechende Hemmnisse zu überwinden, da der Vorteil der stationären Nutzung zur Strom- und Wärmeerzeugung an die Kraft-Wärme-Kopplung gebunden ist.

Bei einer Ausrichtung auf die Strom- und Wärmeerzeugung (aus Energiepflanzen) liegt es nahe, auch der Bioenergienutzung auf der Basis von biogenen Rest- und Abfallstoffen Priorität einzuräumen und diese bevorzugt zu fördern. Die energetische Nutzung von biogenen Rest- und Abfallstoffen bietet die Möglichkeit, zur Vermeidung von Flächenkonkurrenzen beizutragen. Außerdem sind mit ihr weitere Vorteile verbunden wie niedrige CO2-Vermeidungskosten und günstige Ökobilanzergebnisse, weil die Umweltbelastungen aus der landwirtschaftlichen Biomassebereitstellung wegfallen.

Priorität für die Strom- und Wärmeerzeugung schafft günstige Voraussetzungen für die Nutzung regionaler Bioenergiepotenziale, da in der Regel die benötigte Biomasse nicht über größere Entfernungen transportwürdig ist und daher nicht über internationale Märkte bezogen werden kann. Dies gilt beispielsweise für die Energiepflanzennutzung in Biogasanlagen ebenso wie für die Nutzung biogener Rest- und Abfallstoffe. Außerdem sind hiermit besonders gute Chancen für die Landwirtschaft als Bioenergieproduzent verbunden. Daher würde die hier diskutierte Ausrichtung unterstützt, wenn die Förderung regionaler Innovations- und Nutzungsnetzwerke zu Bioenergie ausgebaut würde.

Von den diskutierten Handlungsoptionen zur umweltverträglichen Energiepflanzenproduktion sind hier insbesondere diejenigen relevant, die sich auf den Anbau von Energiepflanzen zur Strom- und Wärmeerzeugung beziehen. Beispielsweise gilt dies für die Einhaltung mindestens dreigliedriger Fruchtfolgen bei einjährigen Kulturen, um u. a. eine Konzentration des Maisanbaus um Biogasanlagen herum zu verhindern.

Als Alternative oder Ergänzung kommt eine Ausweitung der Zertifizierung auf alle Arten von Bioenergieträgern, also auch feste und gasförmige, infrage, wenn die Nachhaltigkeitsanforderungen über die bestehenden europäischen Standards für die Landwirtschaft hinausgehen bzw. ggf. durch den Energiepflanzenanbau notwendige Anpassungen der ordnungsrechtlichen Regelungen ersetzen sollen.

Auf die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe umsteuern

Biomasse wird hier als eine zukünftig immer wichtiger werdende Grundlage eines breiten Spektrums stofflicher Nutzungen gesehen. Eine energetische Nutzung soll erst am Ende des Lebenszyklus der stofflichen Nutzungen erfolgen. Kopplungs- und Kaskadennutzungen sollen so weit wie möglich entwickelt und genutzt werden. Zielsetzung dieser Handlungsperspektive ist, eine Alternative für das in Zukunft zunehmend knapp und damit teurer werdende Erdöl als wichtiger Grundstoff der chemischen Industrie und vieler industrieller Anwendungen aufzubauen. Auch aus Klimaschutzgründen soll nach einer alternativen, regenerativen Rohstoffbasis gesucht werden.

Stoffliche Nutzungen nachwachsender Rohstoffe sind heute schon teilweise wirtschaftlich. Unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen ist aber nur ein langsamer Ausbau der stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe zu erwarten. Für einen schnellen Ausbau ist daher eine staatliche Förderung neuer Nutzungsbereiche notwendig. Damit müsste eine Verlagerung der Förderung von der energetischen zur stofflichen Nutzung erfolgen. Mit dem Umbau der Förderpolitik wäre bei dieser Ausrichtung möglichst früh zu beginnen, damit die zukünftig für stoffliche Nutzungen benötigte landwirtschaftliche Biomasse dann zur Verfügung steht und nicht in der Zwischenzeit durch Investitionen und Anlagenkapazitäten für energetische Nutzungen blockiert wird.

Ein starker Ausbau stofflicher Nutzungen wäre auf erhebliche Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen angewiesen. Beispielsweise ist das Konzept der Bioraffinerie noch in einem relativ frühen Entwicklungsstadium. Bei dieser Ausrichtung sollten die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu Konversionstechnologien für Biokraftstoffe der sogenannten 2. Generation möglichst offen angelegt werden, damit diese Technologien ggf. auch für die Bereitstellung von Rohstoffen für die stoffliche Nutzung eingesetzt werden können. Außerdem wäre der Abschätzung der neu erschließbaren Potenziale und Nutzungswege für Kopplungs- und Kaskadennutzungen sowie der Entwicklung entsprechender Forschungs- und Technologiestrategien eine hohe Priorität einzuräumen.

Das Problem bei einer Ausrichtung auf stoffliche Nutzungen ist die sehr große Vielfalt stofflicher Nutzungswege, die noch bedeutend größer ist als bei der energetischen Nutzung. Dies erschwert es deutlich, zielgerichtete Förderstrategien zu entwickeln. Die Konsequenz einer frühzeitigen Umsteuerung auf stoffliche Nutzungen wäre außerdem, dass kurz- bis mittelfristig Potenziale der Energiepflanzennutzung nicht vollständig ausgeschöpft würden.

Priorität für die stoffliche Nutzung würde bei der Zertifizierung die Dringlichkeit erhöhen, Nachhaltigkeitsstandards für die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe zu entwickeln und diese in Zertifizierungssysteme einzubeziehen. Das Problem ist dabei, dass eine generelle Zertifizierung für stoffliche Nutzungen nur im Rahmen der Etablierung eines globalen Biomasseproduktionsstandards praktikabel sein dürfte.

Bioenergieträger importieren

Zielsetzung dieser Handlungsperspektive ist, die Energiepflanzennutzung möglichst flächen-, klimaschutz- und kosteneffizient zu gestalten. Aufgrund der höheren Flächenproduktivität und stärkeren Vermeidung von Treibhausgasemissionen sowie der niedrigeren Produktionskosten würden Biokraftstoffquoten im Wesentlichen durch Importe aus tropischen Ländern (z. B. Biodiesel auf der Basis von Palmöl, Bioethanol auf der Basis von Zuckerrohr) erfüllt. Hierfür würden eine Wiederaufnahme und ein erfolgreicher Abschluss der Doha-Runde der WTO-Verhandlungen mit einem entsprechenden Abbau von Außenschutzregelungen im Agrarbereich eine wichtige Rolle spielen. Entsprechend wäre auch der Abbau von Zöllen und Subventionsregelungen für Bioenergieträger in der EU notwendig.

Da der Energiepflanzenanbau in Deutschland bei dieser Handlungsperspektive tendenziell keine große Ausweitung erfahren wird, hat die Weiterentwicklung der ordnungsrechtlichen Regelungen zur Landbewirtschaftung und ihre Anpassung an neue Herausforderungen des Energiepflanzenanbaus keine hohe Priorität. Stattdessen sind Standardsetzungen und Zertifizierung zentrale Elemente dieser Ausrichtung. Sie ist darauf angewiesen, dass eine nachhaltige Erzeugung der Bioenergieträger in Exportländern gewährleistet und das Problem indirekter Landnutzungsänderungen erfolgreich in den Griff bekommen wird. Außerdem würde die Erweiterung der Zertififzierungskriterien (hinsichtlich weiterer ökologischer sowie sozialer bzw. sozioökonomischer Kriterien) an Priorität gewinnen.

Hier liegt auch das größte Risiko dieser Ausrichtung. Die Erfassung indirekter Landnutzungsänderungen mit Zertifizierungssystemen wird durchweg als sehr problematisch beurteilt. Wenn durch den Import von Biokraftstoffen direkt oder indirekt Umwandlungen von Regenwäldern oder Torfböden in landwirtschaftliche Produktionsflächen bewirkt werden, dann kommt es zu erheblichen zusätzlichen Emissionen von Treibhausgasen.

Den Zielsetzungen dieser Handlungsperspektive entspricht es weiterhin, mittelfristig die mengenbezogene Förderung in den einzelnen Nutzungsbereichen auslaufen zu lassen und durch eine möglichst weitgehende Integration in einen sektorübergreifenden Emissionshandel zu ersetzen, wie dies beispielsweise der Sachverständigenrat für Umweltfragen fordert. Eine Verknüpfung mit der Zertifizierung von Bioenergieträgern besteht darin, dass auch für den Emissionshandel die Reduktion der Klimagasemissionen erfasst und zertifiziert werden muss.

 

Erstellt am: 20.04.2011 - Kommentare an: webmaster