Michael Decker
Das „Inter“- im Transdisziplinären. Eine vernachlässigte Methodik?

Vortrag auf der siebten Österreichischen TA-Konferenz: TA'07 Technikfolgenabschätzung zwischen Inter- und Transdisziplinarität. Wien, Österreich, 04.06.2007


Abstract

Technikfolgenabschätzung (TA) wird gemeinhin als problemorientierte Forschung beschrieben. Sie erarbeitet Beiträge zur Lösung von gesellschaftlichen und politischen Problemen mit Technikbezug, die in der Lebenswelt auftreten und sich außerhalb des wissenschaftlichen Kontexts abspielen. Und auch die Lösungsvorschläge müssen ihre praktische Relevanz außerhalb der Wissenschaften beweisen. Aus diesem außerwissenschaftlichen Bezug wird die Notwendigkeit transdisziplinärer Forschung (TF) abgeleitet, denn es gibt berechtigte Zweifel, wie eine rein innerwissenschaftliche Unternehmung adäquate Lösungsvorschläge für den außerwissenschaftlichen Bereich erarbeiten können soll. Außerwissenschaftliche Akteure müssen in die Wissensproduktion eingebunden werden. Davon unbenommen wird interdisziplinäre Forschung gemeinhin als Mittel zum Zweck in der TA angesehen: Lebensweltliche Probleme lassen sich typischerweise nicht nach wissenschaftlichen oder universitären Disziplinen ordnen, und somit müssen zur Erarbeitung von umfassenden Lösungsvorschlägen Beiträge aus verschiedenen Disziplinen integriert werden. Schließlich herrscht Einigkeit darüber, dass die Handlungsempfehlungen, die die TA als Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme entwickelt, wissenschaftlich fundiert sein sollen.

Unternimmt man vor diesem Hintergrund einen Streifzug durch die Definitionen zur TF, dann fällt auf, dass die älteren Definitionen Transdisziplinarität der Wissenschaft zuordnen, als Erweiterung der Interdisziplinarität. Jantsch legt beim Übergang von der Interdisziplinarität zur Transdisziplinarität besonderen Wert auf die Ganzheitlichkeit der Letzteren. Transdisziplinarität nach Jantsch richtet Forschung, Entwicklung und Lehre auf einen bestimmten gesellschaftlichen Zweck hin aus, was eine neue Orientierung und Bewertung des Wissens nach sich zieht.

In jüngeren Definitionen der Transdisziplinarität wird darüber hinaus die Partizipation nicht wissenschaftlicher Teilnehmer/innen im Diskussionsprozess als konstitutiv angesehen, dieser „Turn“ in der Transdisziplinarität wurde auch in der TA aufgenommen:

„We characterize ‚transdisciplinary science’ as

  1. cognitive and social co-operation across disciplinary boundaries,
  2. an intention towards the direct application of scientific knowledge in both political decision making and societal problem-solving, and
  3. the participation of non-scientific stakeholders within research processes.“

In den methodischen Konzepten bzw. Leitfäden der TF wird analog zu diesem „Turn“ der Schwerpunkt des methodischen Vorgehens klar auf die Integration von wissenschaftlicher und außerwissenschaftlicher Perspektive gelegt. Es wird zwar darauf hingewiesen, dass interdisziplinäre Forschung notwendig, und dass deren Qualität entscheidend für den Diskussionsprozess ist. In der Beschreibung des methodischen Vorgehens wird der interdisziplinären Wissens-generierung dagegen wenig Platz eingeräumt. Das legt den Schluss nahe, dass diese methodisch als weitgehend unproblematisch angesehen wird.

In diesem Beitrag wird die These vertreten, den methodischen Schwerpunkt der TF hin zur interdisziplinären Wissensgenerierung zu verschieben. Die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen mit interdisziplinärer wissen-schaftlicher Geltung bedarf einer tiefgreifenden Abstimmung zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen. Es gilt eine interdisziplinäre Argumentationskette zu entwickeln auf der Basis disziplinärer Teil-Argumente, die schließlich in die Formulierung der Handlungsempfehlung mündet. Methodisch wird dabei eine pragmatische Kompatibilität zwischen den Disziplinen angestrebt. Es werden über die Disziplingrenzen hinweg Fragen und Antworten formuliert, die in ihrer disziplinären Bearbeitungstiefe stark differieren können, weil die Adäquatheit in der Argumentation dies gebietet. Relevanzentscheidungen über die Berücksichtigung bzw. begründete Nicht-Berücksichtigung von verschiedenen wissenschaftlichen Aspekten sind ebenfalls Schlüsselaufgaben der interdisziplinären Forschung. Systemgrenzen müssen gemeinsam festgelegt werden, weil Fragestellungen aus anderen Disziplinen relevante Kriterien für die Wahl der disziplinären Systemgrenzen darstellen können.

Es werden Vorschläge auf der instrumentellen Ebene formuliert, die die interdisziplinäre Wissensgenerierung befördern und es wird herausgearbeitet an welchen Stellen des Diskussionsprozesses außerwissenschaftliches Wissen einbezogen werden muss:

  1. Insbesondere bei der Problemidentifikation und -transformation hin zu einer wissenschaftlich bearbeitbaren Fragestellung am Anfang,
  2. während des Diskussionsprozesses, wenn sich die interdisziplinäre Perspektive herausbildet und Relevanzentscheidungen getroffen werden und schließlich
  3. am Ende, wenn die Handlungsempfehlungen auf ihre Adäquatheit im außerwissenschaftlichen Bereich hin untersucht werden müssen.

Es wird also plädiert für eine außerwissenschaftliche Unterstützung der interdisziplinären Wissensgenerierung, die aber im Sinne der älteren Definitionen transdisziplinärer Forschung wissenschaftlich bleibt und somit Handlungsempfehlungen mit interdisziplinär wissenschaftlicher Geltung produziert.


Erstellt am: 31.05.2007 - Kommentare an: webmaster