Gerhard Banse, Andrzej Kiepas

Nachhaltige Entwicklung in Polen und Deutschland
Landwirtschaft - Tourismus - Bildung

Berlin: edition sigma 2007, Reihe: Global zukunftsfähige Entwicklung, Bd. 13.1, ISBN 978-3-89404-583-8, 296 Seiten, 17,90 Euro
[Inhalt]


Vorwort

In der Zeit vom 25. bis 27. Oktober 2005 fand – als Teil der wissenschaftlichen Aktivitäten im Rahmen des Deutsch-Polnischen Jahres – in Cottbus der II. polnisch-deutsche Workshop „Nachhaltige Entwicklung – Von der wissenschaftlichen Forschung zur politischen Umsetzung“ statt. Er baute auf dem I. Workshop auf, der ergebnisreich zwei Jahre vorher in Katowice, Polen, durchgeführt worden war. Veranstalter waren das Fraunhofer-Anwendungszentrum für Logistiksystemplanung und Informationssysteme Cottbus (ALI), Deutschland, das Internationale Zentrum für Nachhaltigkeit und Informationsgesellschaft an der Schlesischen Universität Katowice, Polen (CRI; gegründet im Herbst 2004 auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen ALI und der Schlesischen Universität), und das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des Forschungszentrums Karlsruhe, Deutschland. Teilnehmer waren ca. 35 Vertreter aus Wissenschaft, Politik und öffentlicher Verwaltung, davon etwa ein Drittel aus Polen. Der Workshop wurde vom BMBF gefördert.

Ein Anliegen des I. Workshops war, durch schon existierende und durch neu zu knüpfende Beziehungen zu einer besseren Nutzung der Möglichkeiten einer wissenschaftlich unterstützten politischen Umsetzung nachhaltiger Entwicklung beizutragen. Mit dem II. Workshop sollte das „verstetigt“ werden.

Der im Jahre 2003 durchgeführte I. Workshop war inhaltlich auf folgende drei Schwerpunkte konzentriert gewesen:

  1. Grundfragen der Nachhaltigkeit: die jeweiligen prinzipiellen (länderspezifischen) Ansätze (Nachhaltigkeitsverständnis, strategische Orientierungen) einschließlich der Rolle von Wissenschaft, Forschung und Bildung sowie die jeweiligen Konfliktlösungsstrategie(n) (etwa, wie zwischen Ökonomie und Ökologie ausgeglichen wird).
  2. Probleme und Handlungsstrategien bezüglich Nachhaltigkeit exemplarisch dargestellt an drei ausgewählten Bereichen: Bildung, Produktionstechnologien sowie Bauen und Bauerhaltung. Konzepte, Strategien und Fertigkeiten des jeweiligen Landes in diesen drei Bereichen wurden dargelegt.
  3. Möglichkeiten der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien insbesondere durch Politik und Wirtschaft auf der nationalen, vor allem aber auf der regionalen Ebene.

Der II. Workshop knüpfte inhaltlich an (2) und (3) an, wobei folgende zwei Bereiche im Mittelpunkt standen:

  1. Tourismus und Nachhaltigkeit;
  2. Landwirtschaft und Nachhaltigkeit.

Integraler Bestandteil auch dieses II. Workshops war wiederum der Schwerpunkt „Bildung für Nachhaltigkeit“.

Nach der Eröffnung des Workshops und der Begrüßung der Teilnehmer durch Herrn Uwe Meinberg, Leiter des Anwendungszentrums, gab es eine Reihe respektabler, die Bedeutsamkeit des Workshops aus verschiedenen Blickwinkeln würdigender Grußworte durch Regine Weiden (in Vertretung des erkrankten damaligen Staatssekretärs im Ministerium für Wissenschaft und Kultur des Landes Brandenburg, Markus Karp), Agnieszka Mierzyñska (zum damaligen Zeitpunkt Ministerium für Wissenschaft und Informatisierung Polens, Warschau), Helena Schulte to Buehne (Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bonn), Ernst Sigmund (zum damaligen Zeitpunkt Präsident der Brandenburgischen Technischen Universität, Cottbus) und Karin Rätzel (zum damaligen Zeitpunkt Oberbürgermeisterin der Stadt Cottbus).

Die Einführungsreferate wurden von Günther Bachmann (Rat für Nachhaltige Entwicklung, Berlin) zum Thema „Nachhaltigkeit: Politische Umsetzung und gesellschaftlicher Dialog“ sowie von Franz Makeschin (gemeinsam mit Christine Fürst vorbereitet; beide Technische Universität Dresden, Tharandt) zum Thema „ENFORCHANGE – Einfluss gerichteter Veränderungen von Umweltfaktoren auf Landnutzungskonzepte am Beispiel des Waldes“ gehalten. Bachmann hob hervor, dass es mit der Erarbeitung von nationalen Nachhaltigkeitsstrategien um die politische Umsetzung gehe. Für die Nachhaltigkeitspolitik ist die Zeit vorüber, in der im Wesentlichen über konzeptionelle Grundlagen diskutiert worden ist. Die Schwerpunktsetzung auf die politische Umsetzung mache jedoch die konzeptionelle Arbeit nicht überflüssig. Die politische Umsetzung braucht die wissensbasierte Begründung politischen Handelns. Deshalb ist es für die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie von großer Bedeutung, dass sie durch Forschungsprogramme sowie Programme zu Bildungspolitik und zur Verbesserung von informierten Entscheidungen zum Beispiel der Endkonsumenten flankiert wird. Beim Blick in die Praxis deutscher Akteure aus verschiedenen Handlungsfeldern wird deutlich, wie unterschiedlich die Herangehensweisen und Instrumente sein können. Dabei werden jedoch einige allgemeine Wesenszüge deutlich: Nachhaltigkeit ist nicht vom Staat alleine umzusetzen. Das tradierte Modell staatlichen Handelns „Ein Problem – ein Gesetz zur Lösung“ bringt alleine nicht mehr die nötigen Fortschritte. Gefragt sind vielmehr weitere, teils ergänzende, teils verdrängende Ansätze. Dabei wird der Idee von Dialogen oft eine Schlüsselrolle zugemessen. Für die Entwicklung und Durchführung gesellschaftlicher Dialoge gibt es trotz einiger Vorbilder keine Rezepte. Hier müssen neue Wege und Experimente beschritten werden. Das griff Makeschin mit seinen Ausführungen zum Programm „ENFORCHANGE“ auf, das in internationaler Kooperation durchgeführt wird. Die Veränderung von Umweltfaktoren, zu denen Standort, Klima und Mensch zählen, modifiziert die Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von Gütern und Leistungen. Für verschiedene Landnutzungsarten und vor allem die forstliche Nutzung ergibt sich damit im Hinblick auf die Sicherheit und Nachhaltigkeit dieser Bereitstellung ein Planungs- und Optimierungsproblem. Dies kann sich infolge sich ändernder Prioritäten bei der Leistungsbereitstellung auf das Landnutzungsmuster an der Nutzungsartengrenze Wald auswirken und innerhalb des Waldes zu einer räumlichen Umschichtung von Flächenfunktionen führen. Die resultierenden ökologischen und sozioökonomischen Wirkungen müssen bewertet werden – sowohl auf Landschaftsebene als auch auf Ebene der Forstbetriebe. Dabei ist die Relevanz der Wirkungen für die Landnutzung, insbesondere die forstliche Bewirtschaftung und die Nachhaltigkeit der Bereitstellung von Gütern (Rohstoffe und Wasser) und Leistungen (Wohlfahrts- und Schutzleistungen) in Interaktion mit gesellschaftlichen Diskussionsprozessen und politischen Entscheidungen einzubeziehen. Hier sind die Aspekte des Risikos und der Unsicherheit bei der Bewertung und für die Planung von Bedeutung. Die Bewertung bildet zusammen mit Regionalisierungs- und Planungskonzepten die Basis für Umsetzungsinstrumente für staatlichen sowie nichtstaatlichen Waldbesitz und bildet im Hinblick auf nutzungsartenübergreifende Funktionen wie Wasser- oder Naturschutz für den nichtstaatlichen Waldbesitz die Grundlage für eine bessere Verhandlungsposition im Spannungsfeld der nachhaltigen Erfüllung gesellschaftlich wünschenswerter Leistungen. Gleichzeitig muss aber auch das Wissen um Veränderungen und deren Effekte für relevante Meinungsbildner, Entscheidungsträger und die allgemeine Öffentlichkeit aufbereitet und mit angepassten Transferkonzepten zur Verfügung gestellt werden, um Forderungen nach Leistungen auf eine Basis des Wissens um ihre Machbarkeit und ihre Kosten zu stellen.

Die Darlegungen zu den Schwerpunkten „Landwirtschaft und Nachhaltigkeit“, „Tourismus und Nachhaltigkeit“ sowie „Bildung für Nachhaltigkeit“ erfolgten jeweils durch Vorträge und Statements. (Auf diese Beiträge wird in den jeweiligen Kapiteleinführungen kurz eingegangen.) Dazu gab es stets interessante Diskussionen, die von Verständigungsfragen bis zum Verdeutlichen konzeptioneller Ansätze und Möglichkeiten internationaler Kooperation reichten. Hintergrund für Letzteres war vor allem, dass – und das war der wesentliche Unterschied zum I. Nachhaltigkeits-Workshop im Jahr 2003 – erstens diesmal zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammengekommen waren, die sich bereits aus gemeinsamen Projekten kennen: Cottbus – Katowice, Lüneburg – Poznañ, Dresden/Tharandt – Zabrze, Wien (A) – Katowice, Warschau. Zweitens wurden in mehreren Beiträgen (so von Schulte to Buehne, Makeschin, Osinski, Kern und Mierzyñska) konkrete Angebote für polnischdeutsche Kooperationen offeriert, indem etwa Programme, Instrumente und laufende Projekte vorgestellt wurden.

Der I. polnisch-deutsche Workshop hatte verdeutlicht, dass das Verständnis von Nachhaltigkeit in den zwei Ländern unterschiedlich war: Ging es den Vertretern aus Deutschland um ein integratives Nachhaltigkeitskonzept, das neben den ökologischen und ökonomischen gleichberechtigt soziale und politisch-administrative Aspekte umfasst, so war für die Kolleginnen und Kollegen aus Polen Nachhaltigkeit vor allem ein ökologisches Thema (Bildung für Nachhaltigkeit etwa wurde vor allem als Umweltbildung verstanden). Diese Differenz war während des II. Workshops nicht mehr so deutlich. Dafür zeigte sich diesmal ein anderer interessanter Unterschied: Die Vorträge von deutscher Seite waren stärker theoretisch-konzeptionell ausgerichtet, während die polnischen Beiträge mehr in Richtung von Fallbeispielen gingen. Zusammen ergab sich ein interessanter Mix.

Dass es durchaus bemerkenswerte Unterschiede in der Bewertung von Sachverhalten, Entwicklungen usw. gibt, zeigte sich nicht zuletzt im (fast schon traditionell zu nennenden) abschließenden Round-Table-Gespräch „Vom Wissen zum Handeln – Akteure, Kooperationen, Perspektiven“, an dem jeweils zwei Vertreter Polens und Deutschlands teilnahmen. Neben vielen analogen Einschätzungen und Erwartungen wurde die Frage des staatlichen Eingriffs in das Handeln der unterschiedlichen Akteure für Nachhaltigkeit über ordnungspolitische Maßnahmen kontrovers debattiert: Forderte die deutsche Seite einen stärkeren Abbau staatlicher Interventionen und eine Vereinfachung des rechtlichen Rahmens, so war es für die Vertreter Polens wichtig, auf die Notwendigkeit weiterer Regelungen zu verweisen, um Nachhaltigkeit zu befördern.

Abgerundet wurde der Workshop mit einer Exkursion zu etwas „Lausitztypischem“, zum Besucherbergwerk F60 Lichterfelde, einer Abraum-Förderbrücke in der Braunkohleförderung. Wenn auch nur noch museal und nicht mehr unter Produktionsbedingungen zu besichtigen, so war dieses technische Denkmal allein von seinen Ausmaßen her schon beeindruckend: 502 m lang (und damit fast doppelt so lang wie der Eifelturm hoch ist), am frei schwebenden Auslegerende 80 m hoch, dauerte der „Rundgang“ auf der Brücke mehr als eine Stunde, dabei u. a. einen guten Blick in das Restloch eines Tagebaus bietend.

Der vorliegende Band enthält die überarbeiteten und zum Teil erweiterten Beiträge des Workshops, geordnet entsprechend den drei Schwerpunkten. Sie geben einen Einblick in die vielfältige – teilweise analoge, teilweise differierende – Herangehensweise an Nachhaltigkeitsaspekte bezogen auf Landwirtschaft, Tourismus und Bildung in Polen und in Deutschland, vor allem auf regionaler Ebene. Sie verdeutlichen dem Leser Erreichtes, aber auch (noch) zu Erreichendes. An vielen Orten und in zahlreichen Aktivitäten in Polen wie in Deutschland ist spürbar, dass es einen großen Bedarf an der Umsetzung von Nachhaltigkeitskonzepten gibt. Der Workshop war eine weitere Gelegenheit für beide Länder, von Problemen und Lösungsansätzen im jeweils anderen Land Kenntnis zu nehmen und Handlungsoptionen für die Zukunft zu erfahren. Dadurch werden das gegenseitige Vertrauen und das Vertrauen in die eigene Problemlösungsfähigkeit erhöht. Übereinstimmung bestand darüber hinaus darin, dass es einen weiteren, den III. polnisch-deutschen Workshops geben sollte …

Die Durchführung des Workshops wie die Publikation seiner Ergebnisse in Form des vorliegenden Buches wären ohne eine finanzielle Förderung durch das BMBF nicht möglich gewesen. Deshalb gilt unser besonderer Dank als Herausgeber Herrn Dr. Karl Ulrich Voss (BMBF), der den Workshop anregte, sowie Frau Helena Schulte to Buehne (BMBF), Frau Dr. Stephanie Splett-Rudolph (Internationales Büro des BMBF) und Frau Dr. Elisabeth Osinski (Projektträger Jülich des BMBF), die die inhaltlich-konzeptionelle Vorbereitung maßgeblich unterstützten. Unser Dank gilt weiterhin den Autorinnen und Autoren für ihre Mühe beim Verfassen der Texte in der von den Herausgebern gewünschten Form, Herrn Dr. Krzysztof Michalski (Polytechnikum Rzeszow, PL) für die Übersetzung der polnischen Texte ins Deutsche, Frau Waltraud Laier (Forschungszentrum Karlsruhe) für die umfangreiche Arbeit bei der Herstellung der Druckvorlage, Frau Sylke Wintzer (Forschungszentrum Karlsruhe) für die Mühen des Korrekturlesens sowie dem Verlag edition sigma für sein verlegerisches Engagement.

Gerhard Banse
Andrzej Kiepas
Berlin und Katowice, März 2007

Erstellt am: 26.10.2007 - Kommentare an: webmaster