Gerhard Banse, Andrzej Kiepas (Hrsg.)

Nachhaltige Entwicklung: Von der wissenschaftlichen Forschung zur politischen Umsetzung

Berlin: edition sigma, 2005 (Global zukunftsfähige Entwicklung – Perspektiven für Deutschland, Bd. 10.1), ISBN: 3-89404-580-9, 296 Seiten, 17,90 Euro
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Geleitwort

Karl Ulrich Voss

Nachhaltigkeit hat – was immer man darunter auch verstehen mag – eine klare zeitliche und eine räumliche Dimension. Wegen der räumlichen Dimension von Verletzlichkeiten ebenso wie von Gegenmaßnahmen ist es gut, die Erfahrungen mehrerer Völker zusammen zu legen. Polen und Deutsche tun besonders gut daran – sind sie doch enge Nachbarn und bald sogar Partner in einem einheitlichen Wirtschaftsraum.

Mir scheint die zeitliche Dimension besonders interessant zu sein. Die eine Richtung liegt dabei klar zu Tage – Nachhaltigkeit zielt auf eine bestimmte, gewollte und gestaltete Zukunft. Diese Zukunft soll „besser“ sein als die Gegenwart oder, wo Veränderungen drohen, zumindest nicht absehbar schlechter. Aber Nachhaltigkeit braucht dazu in jedem Fall die Vergangenheit – zumindest als Referenzwert, aber mehr noch als Fundus von Erfahrungen aller Art und auch von erhaltenswerten Modellen. Behalten wir die Vergangenheit nicht im Blick – ganz nüchtern, ganz ohne Nostalgie –, ist Nachhaltigkeit nichts anderes als ein bald in den Akten abgelegtes Projekt – ohne Herkunft, ohne Zukunft. „Project done – next project! “ Und der Kreis von „trial and error“ begänne stets von Neuem. Und nicht zuletzt: die aus der Vergangenheit herrührende Identität würde sich in einem Einheitsbrei globalisierter Beliebigkeit auflösen.

Darum scheint mir die Erhaltung und Pflege von Häusern, Städten und Denkmälern – und hier hat Polen Deutschland etwas vorgemacht – ein besonders gutes gemeinsames Thema zu sein. Aber es ist - davon bin ich überzeugt – nur eines von vielen möglichen Kooperationsthemen. Ich wünsche mir, dass aus diesem nucleus der freundschaftlichen Kooperation zwischen Katowice und Karlsruhe (triple kay) eine Zukunft für eine nachhaltige deutsch-polnische Zusammenarbeit wächst!

Ich möchte kurz die Geschichte und die Planung der Förderung für nachhaltiges Leben und Wirtschaften durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung erläutern.

In den achtziger Jahren lag der Schwerpunkt noch bei nachgeschalteten Reinigungstechniken für anorganische Massenschadstoffe besonders umweltbelastender Branchen wie Kraft- und Zementwerke, Zellstoff- und Textilindustrie. Zu Beginn der neunziger Jahre rückten die leicht flüchtigen organischen Schadstoffe und die polyzyklischen Kohlenwasserstoffe in den Fokus, ebenso Feinstäube und eine weitere Reduzierung von Schwermetallfrachten, und zwar in wachsendem Maße durch Einbettung von Umwelttechniken in so genannte emissionsarme Produktionsverfahren; damit ist im Umweltforschungs- und Umwelttechnologieprogramm 1989 bis 1994 ein erster Integrationsschritt für Reinigungstechniken realisiert. Als nächste Integrationsstufe werden im Zusammenhang mit der Rio- Konferenz 1992 – unter verstärkter Einbeziehung der Umwelttechnologien von Beginn des Herstellungsprozesses an – ressourcenschonende Produktionsverfahren entwickelt und im 1994er Förderkonzept „Produktionsintegrierter Umweltschutz“ ist das umweltgerechte Produkt nun gleichwertiges Ziel. Mit Verabschiedung von Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Mitte der neunziger Jahre treten betont die Recyclingeignung und Entsorgungstechniken hinzu. Das Umweltforschungsprogramm 1997 – im Jahre 1998 ergänzt um den neuen Teilbereich „Sozial-ökologische Forschung“ – erfasst sodann integrativ die Entstehung relevanter Produkte einschließlich der Rohstoffgewinnung und Zuliefererbeziehungen und den gesamten Lebenszyklus bis zur Wiederverwertung / Entsorgung, die Entwicklung von Instrumenten zur begleitenden Ökobilanzierung und die Einbeziehung / Aktivierung des Verbraucherverhaltens.

Zum aktuellen Stand: Seit 1998 hat das BMBF zur praktischen Umsetzung des Umweltforschungsprogramms dreizehn maßgeschneiderte Förderschwerpunkte zur wirtschaftsbezogenen Nachhaltigkeit bekannt gemacht, und zwar in den Feldern Agrar-, Holz- und Waldwirtschaft, für Gießerei und Galvanik, für die Textil-, Keramik-, Kunststoff / Kautschukindustrie, mit den besonderen neuen Akzenten „betriebliche Umweltmanagementverfahren“ und „Produktnutzungsstrategien“. Messbares Ziel ist jeweils die umweltentlastende und ressourcenschonende Innovation – z. B. durch Verminderung von Energie- und Stoffeinsatz – und damit gleichzeitig die Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplatzpotenzial: Alle Bekanntmachungen seit 1998 umfassen das Ziel und Evaluationskriterium, dass mit den geförderten Innovationen über die ökologischen Entlastungen hinaus auch die Kompetitivität der Branche bzw. der beteiligten Unternehmen, insbesondere kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU), gestärkt werden soll.

Das Zwischenfazit der BMBF-Strategie für mehr Umweltschutz in Wirtschaft und Gesellschaft fällt deutlich positiv aus. Durch die Förderung wurden innovative und weltweit nachgefragte Technologien entwickelt und durch Unternehmen zur Marktreife gebracht. Daraus entstanden Firmenneugründungen und neue Arbeitsplätze bei bestehenden Unternehmen. Außerdem konnte in einigen Fällen der Abbau von Arbeitsplätzen oder eine drohende Firmenschließung verhindert werden. Im Durchschnitt haben ca. 30 % der befragten Zuwendungsempfänger im Ergebnis neue Arbeitsplätze geschaffen (Bericht Mai 2002).

Zur weiteren Perspektive: Der Fokus der Forschungsförderung verlagert sich heute zunehmend auf die Ursachenforschung und die Umweltsystemforschung. Mit dem besseren Verständnis von Komplexität der Wechselwirkungen zwischen menschlichen Eingriffen und natürlichen Prozessen sowie der globalen Dimension von Umwelt und Entwicklung entstand das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung. Die Bundesregierung hat sich früh zu diesem Leitbild bekannt und im April 2002 die nationale Strategie für eine nachhaltige Entwicklung beschlossen.

Mit zwei geplanten neuen Rahmenprogrammen sollen die Grundlagen für die künftige Forschungsförderung im Bereich der nachhaltigen Entwicklung erarbeitet werden:

Das BMBF zielt mit den neuen Rahmenprogrammen auf die kontinuierliche Verbesserung gesellschaftlicher und technischer Systeme und Prozesse um Faktoren, die nach den Nachhaltigkeits-Indikatoren signifikant sind (konsequente Weiterentwicklung des früheren PlUS-Ansatzes = Produktions-Integrierter Umweltschutz) und auf die Stärkung der Fähigkeit, nicht umkehrbare Umbrüche natürlicher, gesellschaftlicher oder technischer Systeme und Prozesse („Verletzlichkeiten“) intelligent abzuschätzen, vorzubeugen bzw. Folgen anpassend zu mildern.

Rahmenprogramm „Handlungsorientierte Nachhaltigkeitskonzepte“ (PRONA)

In enger Anbindung an die Umsetzung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie soll ein effektiver Beitrag zu einer positiv kommunizierten Nachhaltigkeitspolitik der Bundesregierung geleistet werden. PRONA fokussiert auf vier zentrale Aktionsfelder

PRONA ist auch ein Instrument für die Durchführung von Plattform- und Kommunikationsaktivitäten. Seine Querschnittsfelder sind Strategien zur Verankerung der Nachhaltigkeit in der Gesellschaft und für internationale Initiativen. Synergien zwischen verschiedenen Fördermittelgebern und Forschungsrichtlinien sind von zentraler Bedeutung bei insgesamt beschränkten Mitteln für die Projektförderung. Folgende neue Fördermaßnahmen sind für die Jahre 2004 bis 2005 in der Diskussion:

Daneben sollen folgende Maßnahmen unter dem neuem Fokus weitergeführt werden:

Rahmenprogramm „Erdsystemanalyse und Risikobewertung“ (PROSYS)

Das zweite Rahmenprogramm mit dem Arbeitstitel „Erdsystemanalyse und Risikobewertung“ ist erkenntnisorientiert und soll politische Entscheidungsgrundlagen zur Entwicklung des Erdsystems liefern. Es wird besonders auf Risikoanalyse und -bewertung eingehen, um daraus vorbeugendes oder schadensminderndes Eingreifen der Verantwortungsträger abzuleiten. PROSYS ist durch institutionelle Spezialisierung geprägt, mit erheblichen Anteilen der Forschungsorganisationen „Herrmann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren“ (HGF), „Wissenschaftsgemeinschaft“ (WGL), „Fraunhofer-Gesellschaft“ (FhG) und „Max-Planck-Gesellschaft“ (MPG).

PROSYS-Ziele sind:



Erstellt am: 20.04.2005 - Kommentare an: Gerhard Banse