Gerhard Banse, Andrzej Kiepas (Hrsg.)

Nachhaltige Entwicklung: Von der wissenschaftlichen Forschung zur politischen Umsetzung

Berlin: edition sigma, 2005 (Global zukunftsfähige Entwicklung – Perspektiven für Deutschland, Bd. 10.1), ISBN: 3-89404-580-9, 296 Seiten, 17,90 Euro
[Inhalt/html]   [Geleitwort Voss/html]   [Einführung/html]


Geleitwort [1]

Czeslaw Sleziak

Eingangs möchte ich einige Worte an die Veranstalter der heutigen Konferenz richten. Ich möchte Ihnen meine Anerkennung aussprechen und Ihrem Vorhaben, mit dem Sie auf eines der wichtigsten und aktuellsten Probleme eingehen, nämlich die Umsetzung des Leitbildes Nachhaltige Entwicklung, viel Glück wünschen. Zugleich möchte ich mich bei Ihnen ganz herzlich für die Einladung bedanken, das Geleitwort zu Ihrer Konferenz zu übernehmen. Zehn Jahre nach der Rio-Konferenz und ein Jahr nach dem Weltgipfel in Johannesburg gilt es immer noch, auf die Bedeutung von Nachhaltigkeit hinzuweisen sowie auf den Aufwand, mit dem die Politiker, Wissenschaftler, Unternehmer, Verbände und die gesamte Gesellschaft dieser gerecht zu werden versuchen. Es gilt stets daran zu erinnern, dass das, was diesen Aufwand rechtfertigt und was zu Maßnahmen verpflichtet, die Entwicklung nachhaltig zu gestalten, das Wohl des Menschen ist – das Wohl der gegenwärtigen und das der künftigen Generationen. So fasst die bekannteste Definition von Nachhaltigkeit diese Idee als einen Weg auf, die Ansprüche der gegenwärtigen Generation zu realisieren ohne die Rechte der künftigen Generationen auf angemessene Realisierung eigener Entwicklungsbelange zu verletzen.

Gehen wir zunächst einmal kurz auf die Vorgeschichte ein und halten fest, dass die Definition der nachhaltigen Entwicklung zum ersten Mal im Abschlußbericht der von der UNO 1983 gegründeten Kommission für Umwelt und Entwicklung gegeben wurde. Der Bericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ ist unter dem Namen der damaligen Vorsitzenden heute als „Brundtland-Bericht“ bekannt. Für die Weltgesellschaft wurde er zur Grundlage von ernsthaften Debatten und Diskussionen, infolge deren im Juni 1992 die UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (bekannt als Weltgipfel) in Rio de Janeiro einberufen wurde. Von entscheidender Bedeutung war die Konferenz für die Bestimmung der Nachhaltigkeitsgrundsätze, die nun weltweit zur Lösung von Entwicklungsproblemen auf der globalen, regionalen und nationalen Ebene herangezogen werden.

Das Konzept nachhaltiger Entwicklung traf auch in Polen auf fruchtbaren Boden, was bereits zu Beginn der Transformationsprozesse zum Ausdruck kam. So wurden 1991 durch das polnische Parlament die Richtlinien staatlicher Umweltpolitik verabschiedet, die für die Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltverhältnisse als zielbestimmend und richtungsweisend gelten. Das war das erste Strategieprogramm in den Ländern Mittel- und Osteuropas und zugleich eines der ersten in der Welt überhaupt, die den Problembereich Umweltschutz so komplex fassten. Das Programm berücksichtigte alle wichtigen Umweltbereiche und alle wesentlichen Umweltbelastungen, für welche zugleich die Ursachen benannt wurden. Es bezog sich auf die wichtigsten Lebens- und Wirtschaftsbereiche, und – was dabei vielleicht am wichtigsten ist – verwies explizit auf die Grundsätze nachhaltiger Entwicklung. Ich darf hier anmerken, dass die Veröffentlichung von polnischen Richtlinien staatlicher Umweltpolitik vielen für die Nachhaltigkeit so wichtigen Dokumenten wie der Agenda 21 oder der Rio-Erklärung (beide im Juni 1992 verabschiedet) als auch dem 5. EURahmenprogramm für Umweltschutz und Nachhaltige Entwicklung (1993) und dem Umweltaktionsprogramm „Umwelt für Europa“ (1993) zuvorkam.

Wir treffen uns heute, 20 Jahre nach dem Brundtland-Bericht, hier in Katowice und leisten damit einen Beitrag zur Fortsetzung und Weiterentwicklung von Diskussionen, die auf dem internationalen Parkett vor etwa 20, 30 Jahren begannen und bis zum heutigen Tag in vielen Orten in Polen und in der ganzen Welt immer noch andauern. Ich möchte ebenfalls daran erinnern und betonen, dass das Nachhaltigkeitskonzept drei Dimensionen zusammenführt: die soziale, die wirtschaftliche und die ökologische Dimension. Ich betone das deshalb so ausdrücklich, weil die soziale Dimension heute allzu oft unter der Dominanz von Wirtschaftsfragen vernachlässigt wird, während die Idee, über die wir hier heute reden, auf Humanitätswerte baut. Dies haben wir in Polen ausdrücklich betont, indem wir den Grundsatz nachhaltiger Entwicklung in unsere Verfassung einbezogen haben. So darf ich hier auf den Artikel 5 des Grundgesetzes der Republik Polen verweisen, welcher lautet: „Die Republik Polen [...] schützt das nationale Erbe und sichert Umweltschutz gemäß dem Grundsatz nachhaltiger Entwicklung“. Staatspolitische Dokumente höchsten Ranges, zu denen sicherlich auch die zurzeit geltenden Richtlinien der staatlichen Umweltpolitik gehören, die durch den Ministerrat am 13. Juni 2000 angenommen und dann im August 2001 durch das Parlament verabschiedet wurden, respektieren wiederum das Prinzip „Grundlegender Wert in der Politik der Dritten Republik ist der Mensch“ – der Mensch gilt als „ein unhinterfragbares Kriterium der Umweltpolitik auf allen Stufen“. Der Mensch wird dabei als ein in soziale, wirtschaftliche und ökologische Zusammenhänge verflochtenes Wesen aufgefasst.

Angesichts der geschilderten staatspolitischen Hintergründe achte ich Ihr Vorhaben umso höher, je mehr ich feststelle, welch ein breites Spektrum von Nachhaltigkeitsfragen das Konferenzprogramm umfasst: von der Produktion bis hin zur Politik über die Bildung von entsprechenden Lebenshaltungen und die Wissensvermittlung. Denn man muss sich im Klaren sein, dass die grundlegende Frage der Konferenz mit vielen Handlungsbereichen (sowohl öffentlichen als auch privaten, sowohl kollektiven als auch individuellen) zusammenhängt. Indem Sie auf solche Probleme eingehen, tragen Sie zum besseren Erkennen und Auffinden von richtigen Entwicklungspfaden bei. Ich hoffe, dass Ihr heutiges Engagement sowohl im Beruf als auch im Alltag fruchtbar wird.


Anmerkung

[1] Rede zur Eröffnung der Konferenz „Nachhaltige Entwicklung – Von der wissenschaftlichen Forschung zur politischen Umsetzung“.



Erstellt am: 20.04.2005 - Kommentare an: Gerhard Banse