Digital Divide und seine Folgen

Krings, B.-J.; Riehm, U.
Vortrag auf dem 32. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Sektion Wissenschafts- und Technikforschung.
München, 04. - 08.10.2004


Abstract

Die Diskussion um Digital Divide beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern die Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) eine Ungleichheit stiftende Wirkung entfaltet hat und auf welche Weise dieser Prozess noch anhält. Die Analyse des Digital Divide oder der digitalen (sozialen) Spaltung bezieht sich hierbei auf das technische Artefakt des Internets. Das Internet hat sich in den letzten zehn Jahren zu einer „Supertechnologie“ (Mirko Marr) entwickelt, deren Einsatz in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen kaum mehr in Frage gestellt wird. Vor allem in der Wirtschaft trug das Internet zur Verbesserung von Flexibilität und Schnelligkeit im Produktionsprozess bei. Aber auch in den Bereichen der Administration, des Management, der Forschung und im privaten Leben ist die Bearbeitung sowie die Distribution von Informationen ein zentrales Merkmal des „digitalen Alltags“ (Werner Rammert) geworden.

Die Debatte um Digital Divide, die sich zu Beginn der 90er Jahre in den USA entwickelt hat, wird inzwischen sehr vielseitig geführt. Eine Analyse dieses Diskurses im Hinblick auf seine wesentlichen Inhalte und die verfolgten Ziele und Erwartungen, führt u. E. zu folgenden Ergebnissen:

Bezeichnenderweise wird die Forderung nach einem „Internet für alle“ mit einem demokratietheoretischen Postulat begründet, d. h. allen Menschen sollen gleiche gesellschaftliche Chancen eröffnet werden. Strategien zur Umsetzung dieser Forderung berücksichtigen jedoch wenig, dass die Bedürfnisse von Personen in der Nutzung dieser Technologie vielfach sehr unterschiedlich gelagert sind. Vielmehr wird die Forderung nach einem allgemeinen Zugang an das technologische Potential rückgebunden und zum politischen Ziel erklärt: „that no citizen in the twenty-first century should be without [the world of information, Anmerkung der Autoren ] “ (Cullen 2001:311 ff.).

Der Diskurs um Digital Divide zeigt sehr anschaulich, dass die Forderung nach allgemeinen Zugangschancen sehr häufig vor dem Hintergrund der Vision einer Informationsgesellschaft geführt wird, deren Realisierung in einigen gesellschaftlichen Bereichen schon fortgeschritten ist, andere Bereiche jedoch noch wenig davon berührt sind. Wird der Diskurs differenziert geführt, so sollte sich das Erkenntnisinteresse auf die Gründe für die Entscheidung zur Nichtnutzung des Internet genauso wie auf die tatsächlichen Benachteiligungen, die aus den Zugangsunterschieden resultieren, beziehen. Diese Analyse beruht auf der Vorstellung, dass eine einheitliche „digitale Zukunft“ nicht existiert, sondern dass sich die Informatisierung als ein technologisches Projekt neben anderen technologischen Entwicklungen im Rahmen sozialer und kultureller Prozesse integriert. Erst wenn Alternativen zur Internetnutzung offen gehalten werden, kann die Nutzung bzw. Nicht-Nutzung sowie die Art der Nutzung des Internets Gegenstand einer individuellen Entscheidung werden.


Literatur

Cullen, Rowena (2001):
Adressing the Digital Divide. In: Online Information Review, Jg. 25, 5/2001, S. 311-320

Dijk, Jan van; Hacker, Kenneth (2003):
The Digital Divide as a Complex and Dynamic Phenomenon. In: The Information Society, Jg. 19, 4/2003, S. 315-326

Marr, Mirko (2004):
Wer hat Angst vor der digitalen Spaltung? Zur Haltbarkeit des Bedrohungsszenarios. In: Medien- & Kommunikationswissenschaft, Jg. 52,1/2004, S. 76-94

Rammert, Werner (2000):
Technik aus soziologischer Perspektive 2. Kultur - Innovation - Virtualität. Wiesbaden



Erstellt am: 03.06.2004 - Kommentare an:     Bettina-Johanna Krings