Peter Hocke-Bergler, Martin Stolle, Fritz Gloede

Ergebnisse der Bevölkerungsumfragen, der Medienanalyse und der Evaluation der Tätigkeit des AkEnd

Endbericht im Rahmen der fachlichen Unterstützung des AkEnd durch das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Karlsruhe: Forschungszentrum Karlsruhe 2003
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Zusammenfassung der ITAS-Ergebnisse

Die Evaluation der Arbeit des AkEnd durch ITAS ist überwiegend positiv. An Schlüsselstellen kommen wir jedoch zu ambivalenten Ergebnissen.

Positiv festzuhalten ist, dass der AkEnd zentrale Ziele erreicht hat. Er legte sowohl ein Set geowissenschaftlicher wie auch ein Set sozialwissenschaftlicher Kriterien für die Eignung eines Endlagerstandortes vor. Darüber hinaus unterbreitete er einen Verfahrensvorschlag für die Suche und Auswahl eines Endlagers für radioaktive Abfälle in Deutschland.

Allerdings hat der AkEnd mit seiner Arbeit auch spezifische Teilziele nicht erreichen können, die Voraussetzungen für ein dialogorientiertes Verfahren einer vergleichenden und kriteriengestützten Standortsuche mit breiter Öffentlichkeitsbeteiligung sein sollten. Hier ist im Wesentlichen an die nicht hinreichend erfolgte Mobilisierung der auf „nukleare Entsorgung“ und „Endlager“ fokussierten Teile der interessierten Öffentlichkeiten zu denken, aber auch an gewisse Defizite bei der Adressierung der Medien.

Insgesamt bedeutet die Arbeit des AkEnd den Versuch, einen Neubeginn für die Lösung des Endlagerproblems zu wagen. Dieser Neubeginn war notwendig geworden, da es nicht nur massive Proteste der Bevölkerung um Gorleben und Schacht Konrad gab, sondern der Konflikt um die Endlagerung von radioaktiven Abfällen insgesamt auch zu einer blockierten politischen Entscheidungssituation geführt hatte.

Mit diesem Versuch des Neubeginns wurde es notwendig, die Konfrontation zwischen Kernenergiebefürwortern und -gegnern aufzubrechen und so Voraussetzungen für einen Dialog und spätere Verhandlungen über eine neue Endlagersuche zu schaffen. Der AkEnd hat zwar eine ganze Reihe von Gesprächen mit Vertretern verschiedener Interessengruppen durchgeführt, es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass die Konfrontation in diesem Bereich grundlegend aufgebrochen werden konnte.

Die Haltung der allgemeinen Öffentlichkeit

Bereits an der Dringlichkeit des Entsorgungsproblems - so die Ergebnisse der repräsentativen Bevölkerungsumfragen - scheiden sich die Geister. Während die Kernenergiebefürworter das Entsorgungsproblem als nicht besonders dringlich bewerteten und die vorhandenen Endlagerprojekte als geeignet einstuften, fanden sich bei den Kernenergiegegnern die gegenteiligen Einschätzungen. Sie bewerteten das Entsorgungsproblem als besonders dringlich und stuften die Endlager als völlig ungeeignet ein.

Den in den allgemeinen Bevölkerungsbefragungen zur Bewertung vorgelegten Kriterien für eine sichere Endlagerung (besonders strenge Sicherheitsstandards, Schutz von Umwelt und Gesundheit, Rückholbarkeit, Berücksichtigung der Anwohnerinteressen, Freiwilligkeit der betroffenen Region u. a.) wird durchgehend eine sehr hohe Bedeutung zugemessen - mittlere oder niedrige Bedeutungszuweisungen sind nur in geringem Maße vorhanden. Fragt man nach der Glaubwürdigkeit der Information, die von verschiedenen Akteuren zum Thema der Nutzung der Kernenergie gegeben werden, so zeigte sich, dass es extreme Unterschiede gab. Gerade einige zentrale Akteure in der Endlagersuche wurden sehr unterschiedlich bewertet. Während die Informationen der Umweltforschungsinstitute und der Umweltverbände von mehr als der Hälfte der Bevölkerung als glaubwürdig bewertet wurden, erreichte die Atomwirtschaft nur bei weniger als jedem Fünften diese Bewertung.

Die Umfrageergebnisse zeigen weiterhin, dass die Endlagerproblematik nicht als eigenständiges Thema wahrgenommen wird, sondern immer als Unterthema der Nutzung der Kernenergie betrachtet wird - dies zeigt weitgehend auch die Medienanalyse.

Die Reaktion der Medien

Die mediale Resonanz auf das Expertenhandeln des AkEnd ist als relativ überschaubar einzustufen. Dies hat einerseits damit zu tun, dass das Thema der Endlagerung radioaktiver Abfälle 2001 und 2002 kein herausragendes Thema der Berichterstattung in den Massenmedien war. Andererseits auch damit, dass über Wissenschaftler und Experten sehr wenig berichtet wurde, während politische Entscheidungsträger in diesem Themenfeld deutlich stärker zu Wort kamen.

Erst im vierten Jahr seiner Tätigkeit wurde der AkEnd in den Massenmedien stärker berücksichtigt. Allerdings berichteten nur bestimmte Segmente der Medienlandschaft ausführlicher. Dazu gehörten die Frankfurter Rundschau, die Süddeutsche Zeitung, die “tageszeitung" und das Neue Deutschland als bundesweit berichtende Printmedien sowie die Elbe-Jeetzel-Zeitung als Lokalzeitung der Region Gorleben. Bei politisch tendenziell konservativeren Medien wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Focus gelang es dem AkEnd nicht, Aufmerksamkeit zu finden.

In einem zukünftigen Prozess der Standortsuche für ein Endlager ist es aus unserer Sicht notwendig, zielgruppenspezifische Argumentationsstrategien zu entwickeln, die die unterschiedlichen Bewertungen von Gegnern und Befürwortern der Kernenergie aufgreifen. Gleichzeitig muss eine professionelle Presse- und Medienarbeit installiert werden, die das Ziel hat, Medien kontinuierlicher zu betreuen. Insbesondere sind dabei auch politisch tendenziell konservative Medien und die Wirtschaftspresse zu berücksichtigen. Dafür müssen allerdings wesentlich umfangreichere personelle und materielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.

Für eine solche PR-Arbeit ist es notwendig, dass Politiker in großer Zahl von den Endlagerexperten als Unterstützer für die neue Endlagersuche gewonnen werden, da sie wichtige Multiplikatoren in einer öffentlichen Debatte über einen neuen Endlagerstandort sein werden.

Die interessierten Öffentlichkeiten

Von einer anderen Perspektive her kommt die Analyse der AkEnd-Kommunikation mit VertreterInnen der interessierten Öffentlichkeiten, wie sie sich vornehmlich während der drei von ihm durchgeführten Workshops, aber auch in gezielten Stakeholder-Gesprächen dargestellt hat, zu einem vergleichbaren Ergebnis.

Legt man die Phaseneinteilung des vom AkEnd für eine Standortsuche vorgeschlagenen Prozesses zugrunde (Phase 1: Erarbeitung von Vorschlägen zu Verfahren und Kriterien, Phase 2: Gesellschaftliche Auseinandersetzung (Aushandlungen) und politische Entscheidung zu diesen Vorschlägen, Phase 3: Anwendung / Durchführung der in Phase 2 getroffenen Entscheidungen), dann lässt sich die Phase 1 unter prozeduralem Aspekt als diskursdominiert, die Phase 2 als verhandlungsdominiertund die Phase 3 als partizipationsdominiert ansehen.

Die Arbeit des AkEnd im Beobachtungszeitraum war in dieser Perspektive also primär danach zu beurteilen, ob und inwieweit es ihm gelungen ist, den gesellschaftlichen Diskurs zur Standortsuche für ein atomares Endlager durch seine Aktivitäten voranzubringen.

Obwohl die Bewertung der drei genannten Workshops auch durch deren Teilnehmer vorwiegend sehr positiv ausgefallen war, muss zugleich gesehen werden, dass immer wieder auch (sachlich oder zeitlich) eingeschränkte Diskussionsmöglichkeiten moniert worden sind. Der zum Berliner Workshop vorgelegte Abschlussbericht und die darin enthaltenen Empfehlungen konnten zwar eine Reihe der zuvor offen gebliebenen Fragen abdecken, hinterließen aber gleichwohl weitergehenden Konkretisierungs- bzw. kontroversen Erörterungsbedarf. Solche Probleme könnten und sollten also Gegenstand der vom AkEnd empfohlenen zweiten Phase des Gesamtprozesses sein, in der relevante gesellschaftlichen Akteure unter den Augen der allgemeinen Öffentlichkeit in die nähere Auseinandersetzung und Aushandlung zum vorgelegten Bericht eintreten.

Der AkEnd hat sich im gesamten Beobachtungszeitraum recht schwer damit getan, sich (öffentlich) reflektierend zu den gegebenen politischen und sozialen Rahmenbedingungen zu verhalten, obwohl ihn das Problem seiner „Einbettung“ in einen langjährigen und teils recht heftigen Konflikt um die Nutzung der Kernenergie im allgemeinen und die Endlagerfrage im besonderen seit Beginn seiner Tätigkeit begleitete und er nicht zuletzt diesem Konflikt seine Existenz verdankte.

Allerdings hat diese Einschränkung einer insgesamt recht positiven Aufnahme seiner Tätigkeit seitens der interessierten Öffentlichkeiten wohl wenig geschadet. Letztlich wurden von Sprechern dieser Öffentlichkeiten Schuldzuweisungen vorwiegend an die Adresse der Politik vorgenommen.

Schlussbewertung

Mit Referenz auf den Gesamtzusammenhang der Standortsuche im übergreifenden Konfliktfeld der Kernenergienutzung, erschien es uns für eine Expertengruppe wie den AkEnd dennoch nötig und möglich, die bereits um das Thema Endlagerung formierten„interessierten Öffentlichkeiten“ zu mobilisieren und zu erweitern - dies allerdings über den Kreis der unmittelbar durch die Veranstaltung von Workshops oder die Durchführung direkter Gespräche erreichbaren Personen hinaus. Genau diese Zielrichtung wurde vom AkEnd wohl auch im Ansatz angestrebt. Es muss jedoch konstatiert werden, dass eine solche Adressierung einer „erweiterten Themen-Community“, wie wir sie nennen, nicht in dem erforderlichen Maße erreicht worden ist.



Stand: 16.12.2003 - Kommentare an:     Fritz Gloede