Karl-Werner Brand (Hrsg.)

Politik der Nachhaltigkeit -
Voraussetzungen, Probleme, Chancen - eine kritische Diskussion

Berlin: edition sigma 2002 (Global zukunftsfähige Entwicklung - Perspektiven für Deutschland, Bd. 3), ISBN: 3-89404-573-6, 229 Seiten, 17,90 Euro


Vorwort Buchcover

Dieser Diskussionsband beruht auf einer Sondierungsstudie, die unter dem Titel „Bedingungen einer Politik nachhaltiger Entwicklung“ im Rahmen des neuen BMBF-Förderschwerpunkts „sozial-ökologische Forschung“ vom 01.07.2000 bis 31.06.2001 unter Leitung von Günter Warsewa (Universität Bremen), Hellmuth Lange (Universität Bremen) und Karl-Werner Brand (MPS e.V.) durchgeführt wurde. Ihr Ziel war es, den Diskussionsstand zu dieser Thematik aufzuarbeiten, die zentrale Probleme einer Politik der Nachhaltigkeit zu benennen und den daraus sich ergebenden, an einer sozial-ökologischen Transformation orientierten Forschungsbedarf zu identifizieren.

Was die Chancen einer an der Umsetzung des Leitbilds nachhaltiger Entwicklung orientierten Politik betrifft, so kam die von Karl-Werner Brand und Volker Fürst durchgeführte Studie zu einem in vielerlei Hinsicht ernüchternden Ergebnis. Das stellt für alle, die in diesem Feld engagiert tätig sind, insbesondere aber für die Politik, die ihre Aktivitäten (im Konkurrenzkampf der Parteien) ja immer als Erfolg verkaufen muss, eine Herausforderung dar. Die Idee lag deshalb nahe, eine Reihe von Experten (Wissenschaftler, Politiker und Verbandsvertreter), die auf unterschiedlichen Ebenen in diesem Feld arbeiten, um eine pointierte Stellungnahme zu den in der Studie vertretenen Thesen zu bitten. Wie zu erwarten war, sahen sich die in politischer Verantwortung stehenden Experten, trotz hohem Interesse, aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage, einen Beitrag beizusteuern. So wurde es letztendlich eine rein wissenschaftliche Diskussionsrunde von AutorInnen, die alle aber eine relativ hohe Politiknähe aufweisen.

Inhaltlich werden in der Diskussion folgende Aspekte vertieft: Gotthard Bechmann und Armin Grunwald beleuchten die besondere Rolle der Wissenschaft, des Verhältnisses von (unsicherem) Wissen, (unsicheren) Bewertungen und (notwendigem) Handeln im Rahmen einer Politik der Nachhaltigkeit. In einer Reihe von Beiträgen werden Steuerungs- und Koordinationsfragen mit Blick auf die mögliche Rolle des Rechts (Walter Bückmann), die Strategiefähigkeit der Politik in komplexen, funktional differenzierten Handlungskontexten (Peter Feindt) und die Chancen einer auf aktives Lernen gerichteten „paradigmatischen Steuerung“ (Dieter Fürst) eingehender diskutiert. Ortwin Renn ergänzt diese Steuerungsperspektive durch den Verweis auf die Notwendigkeit diskursiver Verfahren zur Entwicklung von gesellschaftlich tragfähigen Bewertungsmaßstäben, Nachhaltigkeitszielen und Umsetzungsstrategien. Kristine Kern zeigt schließlich, dass - unter bestimmten Bedingungen - institutionelle Innovationen wie transnationale Netzwerke erheblich zur Diffusion nachhaltiger Politikmuster beitragen können.

Ergeben sich aus diesen jeweils unterschiedlich ansetzenden Diskussionsbeiträgen in vielen Fällen optimistischere Handlungsperspektiven, so verweist der Beitrag von Adelheid Biesecker auf ein Defizit nicht nur der Sondierungsstudie, sondern der politischen Nachhaltigkeitsdebatte insgesamt. Wenn, wie zumeist betont wird, Nachhaltigkeit bürgerschaftliches Engagement braucht, so kann dies seine Potenziale nur dann entfalten, wenn sich - so Biesecker - institutionelle Strukturen in zweierlei Hinsicht öffnen: in Bezug auf die „ökonomische Blockade“ (Ökonomie verstanden als bloße Marktökonomie, getrennt von der ‚untergeordneten' Versorgungsökonomie) und in Bezug auf die in dieser Spaltung implizierte „geschlechtshierarchische Arbeitsteilung“ (exklusive weibliche Zuständigkeit für Versorgungsarbeit). Auch in manch anderer Hinsicht böten sich Weiterführungen der Debatte an. Der vorliegende Diskussionsband kann so nicht alle - und vielleicht nicht einmal alle zentralen Aspekte - vertieft behandeln. Er erfüllt aber seinen Zweck, wenn es gelingt, eine breitere, nicht auf politisch-administrative Strategien und Instrumente verengte Debatte um Voraussetzungen, Möglichkeiten und Restriktionen einer Politik der Nachhaltigkeit anzustoßen.

Dass dieser Band in der Reihe „Global zukunftsfähige Entwicklung - Perspektiven für Deutschland“ erscheint, hängt mit dem im Rahmen des gleichnamigen Projektes der Helmholtz-Gemeinschaft (HGF) entwickelten integrativen Nachhaltigkeitskonzept zusammen (vgl. Band 1 dieser Reihe). Denn in diesem Konzept wird der politisch-institutionellen Dimension der Nachhaltigkeit eine besondere Bedeutung beigemessen, indem sie gleichberechtigt neben die ökologische, die ökonomische und die soziale Dimension gestellt wird. Die Sondierungsstudie „Bedingungen einer Politik nachhaltiger Entwicklung“, die den Kern des Buches bildet, erschien zu einem für die noch ausstehenden Arbeiten im Rahmen des HGF-Projektes günstigen Zeitpunkt. Mit dem vorliegenden Band wird der erreichte Diskussionsstand hinsichtlich einer Politik der Nachhaltigkeit dokumentiert, auf dem das genannte Projekt der Helmholtz-Gemeinschaft in der Erarbeitung von gesellschaftlichen Handlungsoptionen aufsetzen kann und soll.

Karl-Werner Brand
Armin Grunwald
April 2002




Stand: 14.10.2003 - Kommentare an:     info@itas.kit.edu