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Vom Subjekt zum autopoietischen System - Konstruktionsprobleme einer modernen Gesellschaftstheorie

Vortrag beim Soziologischen Seminar an der TU-Dresden, 11. Januar 2001

Abstract

Mit dem Erscheinen Niklas Luhmanns "Gesellschaft der Gesellschaft" ist die Debatte um die Gesellschaftstheorie wieder neu eröffnet worden. Gleichzeitig nimmt er auf der Basis der Systemtheorie gewichtige Revisionen der soziologischen Grundbegrifflichkeit vor.

Sobald man Gesellschaft nicht als ein soziologisches Forschungsobjekt unter anderen begreift, sondern ihre operative Bedeutung als Bedingung der Möglichkeit soziologischer Erkenntnis überhaupt, hervorhebt, dann wird Gesellschaftstheorie Selbstthematisierung genau in dem Sinne, in dem die Subjektphilosophie von Reflexion gesprochen hat. Reflexion ist in dieser Tradition Handlungsvollzug des seiner selbstbewussten Subjekts, wobei Reflexion Kontrolle und Kritik des Könnens beinhaltet. Sie ist Handlungsvollzug und bezieht sich auf Handlungsvollzüge. Genau an diesem Punkt stellt Luhmann die Begrifflichkeit von Subjekt auf autopoietisches System um. Wie immer besteht die Möglichkeit der Theorieentwicklung darin, Kontinuität und Diskontinuität im Verhältnis zur Tradition zu klären.

Um die möglichen Gewinne und Verluste solch einer radikalen Veränderung der begrifflichen Grundlagen der Gesellschaftstheorie zu erfassen, wird im Vortrag gezeigt, wird begriffsgeschichtlich gezeigt, wie im Laufe der Zeit der Begriff des Individuums mit dem des Subjektes identifiziert und als Grundlage für eine individualistische Gesellschaftstheorie benutzt wurde. Mit dem Begriff des Subjekts - genauer: mit der Subjektivität des Selbstbewusstseins - war der take off zur modernen Welt formuliert worden. Die Reflexionsphilosophie hatte die Reflexion prozessual an die intentionale Bewegung des Denkens und substantiell an die Vorstellung eines Denkens des Denkens des sich selbst betätigenden Subjektes gebunden. Die Gesellschaft blieb dabei ausgeblendet.

Im Begriff des autopoietischen Systems werden die systematischen Ansprüche der Reflexionsphilosophie aufbewahrt und für eine moderne, empirisch orientierte und interdisziplinär ausgerichtete Gesellschaftstheorie furchtbar gemacht.


Gotthard Bechmann
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Stand: 23.02.2001 - Kommentare und Bemerkungen an: info@itas.kit.edu