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Zahlungsverfahren für den Internet-Handel

Vortrag auf dem Kongreß "Europas Verbraucher Online. Chancen und Risiken im elektronischen Markt" der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 10.-11.6.1999 in Bonn


Ulrich Riehm
Forschungszentrum Karlsruhe - Technik und Umwelt
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
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Während in der Diskussion über elektronisches Geld und elektronische Zahlungssysteme im Internet die neuartigen Systeme wie "ECash" von DigiCash oder "CyberCash" im Vordergrund der Aufmerksamkeit stehen, kommen im sich rasant entwickelnden Internet-Handel in erster Linie die herkömmlichen Zahlungsverfahren zum Einsatz. Ein Beleg für diese These findet man, wenn man sich beispielsweise die angebotenen Zahlungsverfahren im Online-Buchhandel, einem wichtigen Segment des elektronischen Handels, ansieht. Von den 59 Bonner Buchhandlungen bieten bereits 15 eine Internet-Bestellmöglichkeit an.

Bei den sechs wichtigsten, großen Internet-Buchhandlungen Deutschlands, zeigt sich folgendes Bild:

Es zeigt sich, daß die Buchhandlungen im Internet in der Regel mehrere Zahlungsverfahren anbieten, und es sich dabei um die etablierten und bekannten Zahlungsverfahren handelt, die auch aus der Welt des stationären Handels und des Versandhandels bekannt sind.

Zahlungsverfahren im Internet-Handel

In Deutschland kommen die folgenden Zahlungsverfahren im Internet-Handel zum Einsatz:

Bemerkungen zur Situation in den europäischen Ländern

Die Situation in den europäischen Ländern ist insofern mit der in Deutschland zu vergleichen, als überall in erster Linie die etablierten Zahlungsverfahren auch im Internet zum Einsatz kommen. Diese sind beispielsweise in den skandinavischen Länder eher Überweisungen und in Frankreich und England eher Zahlungen mit Kredit- bzw. Debitkarten. Die direkte Integration von Überweisungen in Internet-Shopping-Malls findet man beispielsweise in Finnland ("electronic giro"). SET-Kreditkartenzahlungen sind in allen europäischen Ländern in der Diskussion und werden pilotiert, haben aber bisher nirgends eine große Bedeutung. Die Vielfalt der chipkartenbasierten elektronischen Geldbörsen ist bisher kaum ins Internet vorgedrungen. Man kann bisher nur mit der Geldbörse "Avant" in Finnland und "Proton" in Belgien im Internet bezahlen und die elektronische Börse dort auch aufladen.

Interessant sind Systeme, die unterschiedliche Zahlungsverfahren in einer Oberfläche und über einen Finanzdienstleister integrieren. Dazu gehört in Deutschland CyberCash mit Zahlungen per Lastschrift, Kreditkarte und Micropayments (CyberCoins), in Frankreich das System von Kleline (Kreditkarte und Micropayment), in Italien TELEPay (mit Kredit- und Debitzahlungen, Micropayments angekündigt) oder in den Niederlanden I-Pay (mit Kontoanbindung oder Kreditkartenzahlung).

Bewertung der Zahlungsverfahren

Eine vergleichende Bewertung der vorfindbaren Zahlungsverfahren zeigt folgende Defizite im Zahlungsverkehr des Internet auf:

  1. Es fehlen Zahlungsverfahren für den internationalen, grenzüberschreitenden Internet-Handel. Zur Zeit ist man dabei immer auf Kreditkartenzahlungen angewiesen.

  2. Es fehlen Zahlungsverfahren speziell für digitale Produkte und Dienste und für niedrige Beträge (Micropayments). Soweit solche Systeme vorhanden sind, gelten sie nur innerhalb geschlossener Online-Systeme und nicht für das Internet oder haben den Nachteil, daß Vorauskasse verlangt wird.

  3. Es fehlen Zahlungsverfahren, die keine besondere Registrierung erfordern, also für einen spontanen Kauf ohne etablierte Händler-Kundenbeziehung geeignet sind.

  4. Es fehlen Zahlungsverfahren, die einen direkten Zahlungstransfer zwischen Kunde und Händler und eine Weitergabe von "elektronischem Geld" an beliebige andere Personen erlauben.

  5. Es fehlen Zahlungsverfahren, die Anonymität gewährleisten.

  6. Es gibt eine Tendenz, die teilweise noch vorhandenen Stornomöglichkeiten bei herkömmlichen Zahlungsverfahren mit Einführung internetspezifischer Zahlungsvarianten abzubauen.

Verbraucherforderungen

Daß Verbesserungen notwendig sind, zeigt sich, wenn man einige Forderungen diskutiert, die aus Verbrauchersicht geäußert werden.

  1. Eine erste grundlegende Forderung ist die nach der Wahlfreiheit bei den Zahlungssystemen.

  2. Eine zweite grundlegende Forderung ist die nach anonymen Zahlungsverfahren.

  3. Die dritte grundlegende Forderung betrifft eine faire Risikoverteilung zwischen den Teilnehmern am Zahlungsverkehr und entsprechende Haftungsregeln.

Weitere wichtige Forderungen aus Verbrauchersicht an Zahlungsverfahren im Internet sind:

Wenn es richtig ist, daß der Haupttrend bei den Zahlungsverfahren im Internet auf die Nutzung der etablierten, kontobasierten Zahlungsverfahren der Kreditwirtschaft hinausläuft, dann wird deutlich, daß damit bestimmte Verbraucherforderungen nur schwer in Einklang zu bringen sind. Es werden deshalb zwei ergänzende Leitbilder für die Entwicklung von Zahlungssystemen im Internet skizziert:

Mit dem Leitbild "elektronisches Bargeld" kann man anknüpfen an einem staatlichen Infrastrukturauftrag für den Zahlungsverkehr, dem der Staat mit seiner Zentralbank und der Herausgabe von Bargeld als staatlich garantiertem Zahlungsmittel nachkommt. Die Zentralbanken haben sich bisher in ihren Stellungnahmen die Option, selbst elektronisches Geld herauszugeben, immer ausdrücklich offen gehalten, wenn sie auch momentan nicht aktiv verfolgt wird. Bargeldähnliches elektronisches Geld würde wie herkömmliches Bargeld anonyme Zahlungen ermöglichen, wäre für Kleinbeträge geeignet, könnte ohne Einschaltung Dritter direkt übermittelt werden, wäre durch die Zentralbank abgesichert und in der Nutzung gebührenfrei.

Das zweite Leitbild steht in gewisser Weise dem "elektronischen Bargeld" diametral gegenüber. Es setzt darauf, daß Systeme wie eCash nicht unbedingt als "Geld" betrachtet werden müssen, sondern auch als elektronische Gutscheinsysteme für eine begrenzte Zahl von Anbietern gedacht werden könnten. Elektronische Rabattmarken, Bonussysteme oder Tauschwährungen (Barter-Systeme) könnten in einem solchen Konzept ebenfalls berücksichtigt werden. Die Hoffnungen, die mit einem solchen Ansatz verknüpft werden, bestünden darin, daß die enge Einbettung in die Geldregulierung vermieden, und ein Innovationspfad im Sinne der basisorientierten, dezentralen, internetspezifischen Ansätze eröffnet werden könnte.

Beide Leitbilder weisen über die Grenzen der bisher in Politik und Wirtschaft geführten Diskussion zum Thema "elektronisches Geld" und "Internet-Zahlungsverfahren" hinaus. Für beide Leitbilder stehen bisher keine mächtigen Akteursgruppen ein. Gerade aus Verbrauchersicht wäre es lohnend, diese Konzepte stärker in die Diskussion zu bringen.

Im Vortrag wird auf Ergebnisse einer Studie für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zu elektronischen Zahlungssystemen im Internet und auf eine Studie für das Europäische Parlament Bezug genommen, an denen der Vortragende beteiligt ist. Die Ergebnisse der Studie für das BMBF sind publiziert unter dem Titel "Blütenträume - Über Zahlungssysteminnovationen und Internet-Handel in Deutschland" (Autoren: Knud Böhle und Ulrich Riehm, Karlsruhe: 1999). Der Bericht für das Europäische Parlament mit einem Ländervergleich zu den Zahlungssystemen im Internet wird demnächst abgeschlossen. Eine Draft-Version ist abrufbar auf dem Web-Server von ITAS. Dort wird auch die Endfassung angezeigt werden.


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Stand: 21.06.1999 - Bemerkungen und Kommentare bitte an: ulrich.riehm@kit.edu