KIT-Logo Michael Friedewald, Oliver Raabe, Peter Georgieff, Daniel J. Koch, Peter Neuhäusler

Ubiquitäres Computing
Das „Internet der Dinge“ – Grundlagen, Anwendungen, Folgen

Berlin: edition sigma 2010 (Studien des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag, Bd. 31), ISBN 978-3-8360-8131-3, 300 Seiten, kartoniert, Euro 27.90
[ Inhalt / htm ]  

Zusammenfasung

Was ist Ubiquitäres Computing?

Unter dem Begriff "Ubiquitäres Computing" (UbiComp) wird die Allgegenwärtigkeit von Informationstechnik und Computerleistung verstanden, die in prinzipiell alle Alltagsgegenstände eindringen. Computerleistung und Informationstechnik können damit auf einem neuen Niveau gesellschaftliche Bereiche erfassen - von der industriellen Produktion bis in den privaten Alltag.

Vorstellbar sind zahllose kleinste, miteinander über Funk kommunizierende Mikroprozessoren, die mehr oder weniger unsichtbar in Dinge eingebaut werden können. Mit Sensoren ausgestattet, können diese kleinen Computer die Umwelt des Gegenstands, in den sie eingebettet sind, erfassen und diesen mit Informationsverarbeitungs- und Kommunikationsfähigkeiten ausstatten. Diese Möglichkeit verleiht Gegenständen eine neue, zusätzliche Qualität - sie "wissen" zum Beispiel, wo sie sich befinden, welche anderen Gegenstände in der Nähe sind und was in der Vergangenheit mit ihnen geschah. Auf lange Sicht kann Ubiquitäres Computing sämtliche Lebensbereiche durchdringen: Es steigert den Komfort des privaten Wohnbereichs und erhöht die Energieeffizienz; "intelligente" Fahrzeuge machen Verkehrswege sicherer; lernfähige persönliche Assistenzsysteme steigern die Arbeitsproduktivität im Büro; und im medizinischen Bereich überwachen implantierbare Sensoren und Kleinstcomputer den Gesundheitszustand des Nutzers.

Diese Allumfassendheit schlägt sich auch in einer Vielzahl fast deckungsgleicher Begriffe nieder, wie z. B. "Pervasive Computing", "Ambient Intelligence" oder "Internet der Dinge". Die Unterschiede dieser Begriffe sind allerdings in der Praxis eher akademischer Natur: Gemeinsam ist allen das Ziel einer Unterstützung des Menschen sowie einer durchgängigen Optimierung und Förderung wirtschaftlicher und sozialer Prozesse durch eine Vielzahl von in die Umgebung eingebrachten Mikroprozessoren und Sensoren. Ubiquitäres Computing zeichnet sich demnach durch folgende Eigenschaften aus:

Zu den typischen Endgeräten zählen kleine mobile Computer, Weiterentwicklungen heutiger Mobiltelefone, sogenannte "Wearables" wie intelligente Textilien oder Accessoires sowie computerisierte Implantate.

Ubiquitäres Computing im Internationalen Vergleich

Ubiquitäres Computing und die damit verbundenen Vorstellungen haben in den vergangenen etwa zehn Jahren Eingang in die Forschungspolitik der meisten entwickelten Staaten gefunden, die allerdings verschiedenen Leitbildern folgen. Die neuen Technologien werden dabei als Mittel für die Realisierung sehr unterschiedlicher Ziele verwendet, die von der Wahrung einer wissenschaftlich-technologischen Spitzenposition über die Sicherung und den Ausbau der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit bis hin zur Transformation und Modernisierung der Gesellschaft reichen.

In den Vereinigten Staaten wurde das Ubiquitäre Computing schon in den späten 1990er Jahren von den wichtigsten zivilen und militärischen Forschungsförderungsinstitutionen aufgegriffen. Seit dem Jahr 1999 sind Themen des Ubiquitären Computings (allumfassende Vernetzung, eingebettete Systeme) auf der Liste der wichtigsten Trends in der Informationstechnik dieser Institutionen vertreten, allerdings wurde auf die Entwicklung einer umfassenden gesellschaftspolitischen Vision verzichtet.

In Japan stellte die Schaffung der sogenannten Ubiquitären Netzwerkgesellschaft spätestens seit 2003/04 einen bedeutsamen Schwerpunkt der staatlichen und industriellen Forschungsagenda dar. Ziel dieses Programms, das maßgeblich von der Industrie formuliert wurde, war eine massive Verbreitung von schnellen, drahtlosen Netzwerken und konsumentenorientierten Diensten - ganz in der Tradition des Mobilfunks in Japan. Diese Vision wird als "u-Japan" bezeichnet, wobei "u" nicht nur für ubiquitär, sondern auch für universell, benutzerfreundlich ("user-oriented") und einzigartig ("unique") steht, was den individualistischen Charakter der japanischen Initiative verdeutlicht.

Ähnlich wie Japan hat sich auch Südkorea zum Ziel gesetzt, eine der führenden ubiquitären Netzgesellschaften zu werden. Korea hat in den vergangenen Jahren insbesondere den Ausbau seines Breitbandnetzes forciert und ist auch ansonsten einer der Vorreiter bei der Umsetzung innovativer IKT in Produkte. Insgesamt ist Korea heute ein Pionier bei der Implementierung der Informationsgesellschaft und "schwimmt", nach Einschätzung der Internationalen Fernmeldeunion, "bereits heute in Information". Anders als in Japan, Europa oder den USA haben die koreanischen Pläne weniger einen individuellen als einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen im Blick.

Singapur ist bereits heute vollständig breitbandig und drahtlos vernetzt und gilt als ideales Testumfeld für neue Anwendungen. Über die Netzwerkinfrastruktur hinaus soll sich das Land nach Regierungsplänen zu einer "ubiquitous information society" weiterentwickeln. Neben wirtschaftspolitischen Zielen wird dabei der soziale Nutzen, etwa die Pflege der kulturellen Diversität des Vielvölkerstaates Singapur konkret adressiert.

Bei der Europäischen Kommission wurde lange Zeit der Begriff Ambient Intelligence präferiert, bei dem weniger die Möglichkeiten der Technik als die Bedürfnisse des Menschen im Vordergrund stehen sollten. Damit sollten nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Wirtschaftsraums gefördert, sondern auch der Übergang zu einer dynamischen Wissensgesellschaft unterstützt und dabei auf die gesellschaftlichen Bedürfnisse reagiert und die soziale Kohäsion gefördert werden.

Obwohl in Deutschland Aspekte des Ubiquitären Computings bereits frühzeitig im Rahmen des Futurprozesses und der Strategiefindung der großen Forschungsorganisationen aufgegriffen wurden, hat die Bundesregierung erst mit der Innovationsinitiative im Jahr 2005 dem Thema größere Aufmerksamkeit geschenkt. Mit der Hightech-Strategie hat sich das "Internet der Dinge" schließlich zu einem "Leuchtturmthema" entwickelt, wobei der Fokus weniger auf konsumnahen als auf geschäftlichen bzw. industriellen Nutzungen liegt.

Technische Grundlagen des Ubiquitären Computings

Vieles treibt den Fortschritt der Informationstechnik auf ganz unterschiedlichen Ebenen voran: Die Leistungssteigerung wichtiger Bauelemente und Produktionsverfahren, bessere Methoden zum Erstellen von Software, effizientere Programmiersprachen und Betriebssysteme, innovative Konzepte für die Mensch-Maschine-Interaktion und noch manches mehr. Als typische Querschnittstechnologie nutzt das Ubiquitäre Computing die ganze Breite moderner Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), wobei vor allem die Fortschritte in der Kommunikationstechnik, der Mikroelektronik, der Energieversorgung, bei Benutzungsschnittstellen, der Informationssicherheit, Sensorik und Lokalisierungstechnik von besonderer Bedeutung sind.

Im Bereich der Mikroelektronik kann man davon ausgehen, dass nach dem Mooreschen Gesetz Logik- und Speicherelemente in den kommenden 10 bis 15 Jahren weiterhin immer kleiner und leistungsfähiger bzw. billiger werden. Neue Werkstoffe wie halbleitende Polymere helfen darüber hinaus, dass elektronische Systeme in fast alle denkbaren Gegenstände eingebettet werden können und weniger Energie für den Betrieb benötigen.

Die Kommunikationstechnik, insbesondere die mobile Kommunikation gilt als die Schlüsseltechnologie des Ubiquitären Computings. Hier ist damit zu rechnen, dass neben "klassischen" Technologien wie Ethernet oder UMTS zunehmend sich spontan organisierende Netzwerke und eine Reihe von leistungsfähigen Nahübertragungstechnologien treten. Zu den wichtigen Technologien gehören bei den Personal Area Networks vor allem die Nahfeldkommunikation und die Ultrabreitbandtechnologie, die eine sichere und vor allem breitbandige Übertragung ermöglicht, wie sie im Datenaustausch zwischen Endgeräten und zwischen Endgerät und Kommunikationsinfrastruktur künftig üblich sein wird.

Um mit unsichtbaren, eingebetteten Informationssystemen interagieren zu können, sind innovative Benutzungsschnittstellen notwendig, die eine "natürliche" Interaktion (z. B. durch Spracheingabe oder körperliche Interaktion) erlauben. Zur neuen Art der Interaktion gehört auch die automatische Erfassung des Kontextes, bei der es nicht nur um die Registrierung äußerer Parameter (z. B. Standort) geht, sondern zunehmend auch um die Ermittlung emotionaler Zustände des Nutzers oder seiner Handlungsabsichten (z. B. die automatische Erkennung kritischer Situationen bei medizinischen Überwachungssystemen). Nur mit der möglichst genauen Kenntnis des jeweiligen Kontextes ist es möglich, individuell orts- und situationsabhängig angepasste Dienste anzubieten und bestimmte Aufgaben vollständig an die Technik zu delegieren.

Für die Kontexterfassung werden leistungsfähige, leichte und kostengünstige Sensoren benötigt, die teilweise schon heute in Pilotanwendungen genutzt werden (z. B. die Überwachung von Kühlketten). Zukunftsträchtig sind darüber hinaus sogenannte Sensornetze, d. h. Sensoren mit Kommunikationsfähigkeiten, die mehr oder weniger autark ihre Umgebung überwachen und die registrierten Daten regelmäßig oder auf Anfrage an den Betreiber/Nutzer übermitteln.

Eine besondere Rolle unter den Lokalisierungstechniken spielt die Radio-Frequenz-Identifikation (RFID), mit der sich die Identität von Dingen aus der Distanz feststellen lässt. Diese automatische Identifizierung (Auto-ID) ist eine wichtige Grundlage für vielfältige heutige Anwendungen des Ubiquitären Computings. Auf dem RFID-Chip lassen sich - je nach Bauform - eine eindeutige Identifikationsnummer und weitere Informationen speichern bzw. auslesen und umgekehrt Informationen bis zu einigen hundert Bits drahtlos auf dem Chip speichern. Dies erfolgt in Sekundenbruchteilen und über Entfernungen von bis zu einigen Metern. RFID-Chips inklusive einer papierdünnen Antenne (zusammen als RFID-Transponder bezeichnet) kosten derzeit je nach Leistungsfähigkeit zwischen wenigen Cents und mehr als 100 Euro. Vorangetrieben wird die RFID-Technik von Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Logistik: Wenn Produkte ihre Identität auf Anfrage automatisch preisgeben können, dann kann ohne manuelle Eingriffe eine lückenlose Verfolgung der Warenströme über die gesamte Lieferkette hinweg sichergestellt werden.

Zusätzlich zur Identifikationsnummer auf dem RFID-Chip kann weitere Information zu einem Objekt in einer entfernten Datenbank gespeichert werden. So kann nach dem Auslesen der Identifikationsnummer diese zusätzliche Information über eine mobile oder Festnetzverbindung abgefragt werden, sodass beliebigen Dingen oder Personen Informationen beliebiger Detailliertheit "angeheftet" werden können. Dies eröffnet Anwendungsmöglichkeiten, die über eine automatisierte Lagerhaltung und Überwachung der Versorgungskette hinausgehen.

Auch wenn das Grundprinzip der automatischen Identifikation mit RFID relativ einfach ist, gibt es eine Vielzahl von offenen Fragen und ungelösten Problemen, die eine breite Durchsetzung noch behindern. Die Kosten der RFID-Transponder und der Systemintegration sind noch das größte Hemmnis für eine Einführung im Handel mit Konsumgütern. Hier zeichnen sich aber durch neue Materialien und Produktionsverfahren (Polymerelektronik) Kostensenkungen und damit eine größere Wirtschaftlichkeit ab. Die Realisierung von Skaleneffekten aber hängt in nicht unerheblichem Maße von der Standardisierung der RFID-Technik ab, die momentan die wichtigste internationale Herausforderung ist. Dabei gilt es, in möglichst generischen Standards auch existierende Lösungen und die unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Anwendungen zu berücksichtigen.

Fragen der Informationssicherheit sind sowohl für die Nutzer von RFID von entscheidender Bedeutung, weil RFID-Systeme zwar offen sein sollen, um Netzwerkeffekte nutzen zu können, als aber auch häufig den Zugang zu sicherheits- oder wettbewerbskritische Informationen erlauben. Erschwerend ist hierbei, dass die Leistungsfähigkeit von RFID-Chips normalerweise nicht ausreicht, um etwa leistungsfähige Kryptografieverfahren zu implementieren. Schließlich ist momentan noch offen, welche Folgen die Herstellung und Entsorgung von Millionen Wegwerf-RFID-Chips für die Umwelt aufwirft.

Die Realisierung des Ubiquitären Computings wird in zwei Phasen ablaufen:

Anwendungen des Ubiquitären Computings

Für das Ubiquitäre Computing gibt es wegen seines Querschnittscharakters eine Vielzahl denkbarer Anwendungen im wirtschaftlichen, öffentlichen und privaten Umfeld. Diese Studie konzentriert sich auf wirtschaftliche oder gesellschaftlich besonders wichtige und zukunftsweisende Anwendungen in Handel, Logistik, Industrie (insbesondere die Automobilproduktion), Verkehr und Gesundheitsversorgung sowie zur Personenidentifikation.

Handel

Anwendungen im Handel basieren auf der Nutzung von preiswerten RFID-Transpondern, die (als Ergänzung oder Ersatz für Barcodes) auf Warenverpackungen oder größeren Gebinden angebracht sind. Dadurch wird es möglich, Waren jederzeit zu identifizieren und entlang der Lieferkette zu verfolgen. Auf der Basis dieser Information ist es möglich, Angebot und Nachfrage nach bestimmten Produkten schneller und genauer vorherzusagen und die Beschaffung, Kommissionierung und Distribution effizienter zu gestalten.

Zu den vielfältigen Möglichkeiten des Ubiquitären Computings im Handel gehören die automatische Registrierung und Identifizierung von Warenlieferungen, ein effizienteres Lagermanagement und die automatische Erfassung des Warenbestandes sowie von Waren im Einkaufskorb des Kunden, die Möglichkeit zur Rückverfolgung von Produkten anhand eines elektronischen "Stammbaums" und nicht zuletzt eine bessere Diebstahlsicherung. Voraussetzung für die breite und erfolgreiche Einführung von UbiComp-Anwendungen im Handel sind einheitliche Standards, die einen Austausch von Informationen entlang der Lieferkette ermöglichen. Darüber hinaus ist es notwendig, dass sich möglichst viele Wirtschaftsakteure an den Systemen beteiligen. Aufgrund der Dominanz weniger großer Handelsunternehmen, die ihren Zulieferern entsprechende Vorgaben machen können, bestehen hierfür gute Voraussetzungen. Auf der anderen Seite ist der Handel mit Konsumgütern sehr wettbewerbsintensiv und der Preisdruck entsprechend hoch. Folglich sind die Spielräume für die Investition in neue IT-Infrastrukturen und die Ausstattung von Produkten mit RFID-Transpondern sehr eng. So sind RFID-Etiketten bislang für viele niedrigpreisige Güter oder solche mit sehr geringer Gewinnmarge noch zu teuer. Auf der anderen Seite sind die Kosten und der erwartete Nutzen zwischen den Akteuren ungleich verteilt. Bevor sich Ubiquitäres Computing im Handel zur Erfolgsgeschichte entwickeln kann, sind also weitere technische Fortschritte, aber auch ein generelles Übereinkommen der Unternehmen über die Aufteilung von Kosten und Nutzen notwendig. Eine Gewinnsteigerung durch UbiComp lässt sich zunächst wohl nur durch weitere Rationalisierung und Prozessoptimierung erreichen. Verlierer dieser Entwicklung dürften vor allem kleinere Fach- und Einzelhandelsgeschäfte sowie Beschäftigte mit geringer Qualifikation sein.

Ein ökonomischer Zugewinn durch Ubiquitäres Computing ist allenfalls mittelfristig zu erwarten und auch nur, wenn es den Anbietern gelingt, neue Zusatzfunktionen und Dienste zu entwickeln, für die es bei den Kunden einen echten Bedarf und entsprechende Zahlungsbereitschaft gibt. Bei solchen vernetzten und individualisierten Einkaufswelten werden alle Produkte von reichhaltigen Zusatzinformationen begleitet, die es nicht nur erlauben, durch automatische Erfassung und Abrechnung der gekauften Waren den Einkaufsvorgang selbst stärker zu rationalisieren, sondern auch zusätzliche Angebote zu schaffen. Diese reichen von kundenindividueller Werbung, von der hauptsächlich der Verkäufer profitiert, bis hin zu Informationen über Inhaltsstoffe oder Haltbarkeitsdaten, die dem Kunden mehr Transparenz verschaffen. Schließlich sind auch neuartige Dienstleistungen denkbar, die von der kundenindividuellen Lieferung bis zu Kundendienstangeboten reichen und von denen beide Seiten gleichermaßen profitieren sollen.

Angesichts der hohen Investitionskosten für eine "vernetzte Einkaufswelt" ist allerdings noch offen, ob solche Angebote wirtschaftlich betrieben werden können. Hier sind auch Mischfinanzierungen denkbar, bei denen neben Nutzungsgebühren auch Werbeeinnahmen und die Vermarktung von Kundendaten infrage kämen, wobei allerdings nicht klar ist, wie sich dies auf die Akzeptanz solcher Dienste auswirken wird.

Industrielle Produktion und Materialwirtschaft

Die Automobilindustrie als eine der Säulen der deutschen Industrie ist bereits seit Jahren ein Pionier bei der Nutzung von RFID, wobei die Technologie bisher vor allem in unternehmensinternen Prozessen zum Einsatz kommt. Sie kann als stellvertretend für Anwendungen des Ubiquitären Computings in der industriellen Produktion und Materialwirtschaft gelten. Hauptaufgaben sind dabei die Verfolgung von Rohstoffen, Gütern und Zwischenprodukten sowie der Einsatz intelligenter Transportbehälter. Ähnlich wie im Handel und in der Logistik stehen dabei die Optimierung bestehender Prozesse und die Steigerung von Effizienz und Produktivität im Vordergrund. Anwendungen ergeben sich insbesondere für die Bereiche der Produktionslogistik, der Steuerung von Maschinen und Anlagen sowie der Optimierung der Auslastung und Verfügbarkeit von Produktionsanlagen. Den Ausgangspunkt stellt die während der Produktion automatisch erfasste Information dar, die eine Vielzahl manueller Zähl-, Scan-, Erfassungs- und Kontrollvorgänge ersetzt und für die Steuerung des Produktionsprozesses und die Synchronisation der Schnittstellen mit anderen Stufen in der Wertschöpfungskette verwendet werden kann. Dadurch lassen sich Schwund sowie Produktionsstillstände wegen fehlender Ladungsträger reduzieren und Irrläufer fast vollständig vermeiden.

Produktionsunternehmen nutzen Ubiquitäres Computing aber nicht nur intern zur Effizienzsteigerung der Produktion, sondern auch darüber hinaus. So lassen sich beispielsweise Rückrufaktionen präziser planen, wenn nur einzelne Chargen oder Tranchen betroffen sind, die über die Datenerfassung detailliert dokumentiert sind. Weitere Anwendung finden sich im Behältermanagement oder in der Qualitätsüberwachung für bestimmte Werkzeuge.

Bei den RFID-Projekten in der Automobilproduktion handelt es sich momentan meist noch um Pilotprojekte. Eine durchgängige Unterstützung des Waren- und Informationsflusses in Kombination mit einem geschlossenen Behälterkreislauf vom Zulieferer bis hin zu Händler und Werkstatt durch Ubiquitäres Computing gehört aber zu den langfristigen Plänen der Herstellerunternehmen. Ähnlich wie im Handel ist dafür aber eine weltweite Standardisierung der Technik und der verwendeten Datenformate notwendig. Parallelen zu Handelsanwendungen bestehen ebenfalls bei Herausforderungen, die sich aus der Branchenstruktur mit wenigen Herstellerunternehmen und einer Vielzahl meist mittelständischer Zulieferunternehmen ergeben. Auch hier muss die Frage beantwortet werden, wer die notwendigen Investitionen tätigt und wie ein zusätzlicher Nutzen gerecht auf die Beteiligten verteilt werden kann.

Transportlogistik

In der Logistik ist es wichtig, stets zu wissen, wo sich welche Waren befinden. Langfristig unterstützt das Ubiquitäre Computing dieses Ziel, indem Transportobjekte mit Kommunikationsfähigkeiten und Rechenleistung ausgestattet werden. Damit der Waren- und Informationsfluss von Lieferanten für Unternehmen effizienter gestaltet werden kann, werden Container, Paletten und Produkte mittelfristig flächendeckend mit RFID-Transpondern versehen, die die Verfolgbarkeit und Transparenz in der Lieferkette verbessern. Damit lassen sich die Logistikprozesse von der Prozessplanung und -steuerung bis zur Abwicklung von Güter- und Informationsflüssen optimieren. Die Erhöhung der Effizienz in Form von Automatisierung und Rationalisierung ist für Unternehmen im umkämpften internationalen Logistikgeschäft schon aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit notwendig. Die Rationalisierungspotenziale liegen dabei sowohl bei internen Abläufen als auch in der Kooperation mit Partnern aus Industrie und Handel, mit deren Systemen die eingesetzte Technik kompatibel sein muss.

Mittel- bis langfristiges Ziel ist die Schaffung von Logistiknetzen, in denen "intelligente" Objekte, die ihre Umgebung über fortschrittliche Sensoren wahrnehmen, autonom ihren Weg zum Empfänger finden können. Dazu ist allerdings zunächst eine Reihe von technischen Voraussetzungen zu schaffen: etwa die Definition internationaler Standards für Technik und Anwendungen oder die exklusive Reservierung weiterer Frequenzbereiche, möglichst in Übereinstimmung mit den USA und Japan.

Durch den Einsatz von UbiComp werden Logistikdienstleister noch stärker zu umfassenden Dienstleistern im Management der bei der Steuerung des Güterstromes anfallenden Daten.

Personenidentifikation und -authentifizierung

Der Nachweis der Identität einer Person ist ein wichtiges Merkmal vieler Anwendungen des Ubiquitären Computings. Heute spielt dies vor allem eine Rolle bei Anwendungen der Zugangskontrolle bzw. bei Bezahlvorgängen. Diese Bedeutung dieser Funktion wird in Zukunft weiter zunehmen, weil innovative Anwendungen nicht nur orts- und kontextabhängig, sondern auch auf den individuellen Nutzer zugeschnitten sein sollen.

Deutsche Reisepässe beispielsweise sind seit November 2007 mit einem RFID-Chip ausgestattet, auf dem neben den üblichen Personenangaben die digitalisierten Abdrücke von zwei Zeigefingern abgespeichert werden. Nachdem es zunächst Zweifel an den Sicherheitsmechanismen gegen unbefugtes Auslesen gab, bewerten mittlerweile selbst Nichtregierungsorganisationen wie der Chaos Computer Club die verwendete Technik als sicher. Wesentlich umstrittener sind hingegen die generelle Zuverlässigkeit und Zweckmäßigkeit biometrischer Verfahren und der dafür zu erhebenden personenbezogenen Daten.

Ebenfalls bereits sehr verbreitet ist die Nutzung von UbiComp-Technologie, insbesondere RFID, in Eintrittskarten für Veranstaltungen oder in Skipässen. Obwohl hierbei nur wenige potenziell kritische Daten erhoben werden, ist die Verwendung im öffentlichen Raum und der Betrieb der Systeme durch privatwirtschaftliche Unternehmen nicht ohne Probleme, weil sich z. T. sehr detaillierte Bewegungs- und Verhaltensmuster erfassen lassen, die nicht nur zu Zwecken der öffentlichen Sicherheit verwendet werden können, sondern auch für das Marketing. Die Art der RFID-Nutzung bei den Eintrittskarten zur Fußballweltmeister-schaft 2006 hielten jedenfalls Datenschützer für unangemessen und nicht mit dem Datenschutz vereinbar.

Ethisch und datenschutzrechtlich besonders bedenklich sind RFID-Implantate, die explizit der dauerhaften Überwachung der "gechippten" Personen dienen, auch wenn dies vordergründig einem guten Zweck dient, wie der Vermeidung von Kindesentführungen.

Gesundheitswesen

Es besteht die Erwartung, dass der Einsatz ubiquitärer Informationstechnik auch helfen kann, die gesellschaftlichen Herausforderungen durch den demografischen Wandel anzugehen. Konkret hofft man, durch eine Steigerung der Effizienz und Produktivität von Prozessen die Kosten im Gesundheitswesen begrenzen zu können. Gleichzeitig eröffnet das Ubiquitäre Computing die Möglichkeit für eine bessere Qualität der Versorgung. Die Anwendungen im Gesundheitswesen haben eine eher mittel- bis langfristige Umsetzungsperspektive, da sie sehr viel höhere Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Technik, insbesondere der Sensorik stellen. Anwendungsfelder sehen die Befürworter der "Pervasive Healthcare" in diagnostischen, therapeutischen, pflegerischen und dokumentierenden Funktionen. Innerhalb von medizinischen Einrichtungen erwartet man beispielsweise eine höhere Qualität durch die umfassendere Information des medizinischen und pflegerischen Personals und deren Entlastung von administrativen Aufgaben.

Bei der Unterstützung älterer und/oder chronisch kranker Menschen im häuslichen Umfeld kann die Informationstechnik als eine wesentliche Ressource betrachtet werden, die zur Förderung der Lebensqualität und zur Bereicherung des Alltags im Alter eingesetzt werden kann. Ubiquitäres Computing wird in diesem Zusammenhang seit einigen Jahren unter den Begriffen Gesundheitstelematik und neuerdings "Ambient Assisted Living" (AAL) aufgegriffen. Darunter werden Konzepte, Produkte und Dienstleistungen verstanden, die neue Technologien und das soziale Umfeld der Betroffenen miteinander verbinden. Ziel ist die Verbesserung bzw. der Erhalt der Lebensqualität für ältere und kranke Menschen zuhause.

Ein Bestandteil solcher Systeme ist die automatische Fern- und Selbstüberwachung sowie -diagnose für Patienten, die die Möglichkeiten der häuslichen Pflege und medizinischen Versorgung verbessern und die Selbstversorgung sowie unabhängige Lebensführung unterstützen. Dabei werden Vital- und Bewegungsdaten des Menschen oder der Umgebung sowie die benutzte Technik überwacht. Die dazu benötigten Sensoren könnten in Kleidungsstücke integriert sein und die aufgezeichneten Daten an einen beispielsweise in den Gürtel integrierten Kleinstcomputer senden. Gegebenenfalls soll in Notfallsituationen eine Alarmierung der erkannten Situation in Abhängigkeit der Schwere der Notsituation erfolgen. Dabei stellt die Modellierung altersbedingter, medizinisch-psychologischer Szenarien eine besondere Herausforderung dar.

Ambient Assisted Living wird erst seit einigen Jahren massiv gefördert, sodass es bislang kaum praxistaugliche Produkte oder gar einen Markt für AAL-Produkte und -Dienstleistungen gibt. Neben der Vielzahl der betroffenen Akteure aus der IKT-Industrie, den Professionen im Gesundheitswesen, Herstellern medizinischer Geräte und der Wohnungswirtschaft stellen auch mangelnde Interoperabilität technischer Lösungen, fehlende Standards sowie die Frage der Finanzierung im Rahmen des Gesundheitswesens erhebliche Innovations- und Markthemmnisse dar.

Die Nutzung des Ubiquitären Computings für die Optimierung von Prozessen im Gesundheitswesen folgt weitgehend der Logik, die auch in Handel, Industrie und Logistik anzutreffen ist. Solche Systeme zum integrierten Patienten- bzw. Klinikmanagement sollen eine erhöhte Planungs- und Terminsicherheit bei der Festlegung von ärztlichen Untersuchungen sowie eine hohe Auslastung medizinischer Geräte sicherstellen. Heutige Systeme unterstützen allerdings erst einzelne Prozesse wie Berechtigungsmanagement und Pflichtdokumentation, die automatische Lokalisierung von Patienten, Materialien und Geräten oder die mobile Überwachung von Messdaten. Für den Übergang zum integrierten Klinikmanagement ist eine zeitnahe und detaillierte Erfassung der aktuellen Situation mithilfe von unterschiedlichen Sensoren und Eingabemedien technisch notwendig. Insbesondere muss der Aufenthaltsort von Geräten, Personen und Patienten mittels geeigneter Techniken innerhalb der gesamten Krankenhausumgebung ermittelbar sein. Um eine sinnvolle Unterstützung des Personals und der Patienten gewährleisten zu können, müssen auch unterschiedliche Kontexte automatisch erkannt werden. Mediziner stellen allerdings teilweise infrage, ob solche Szenarien im Einzelnen oder als Ganzes tatsächlich einen Beitrag zur Arbeitserleichterung oder Prozessvereinfachung leisten oder nur der Tendenz zum "gläsernen Patienten" Vorschub leisten.

Insgesamt ist der Gesundheitsbereich aus vielfältigen Gründen gewiss das schwierigste Umfeld für die Einführung von Ubiquitärem Computing. So sind medizinische Daten die sensibelsten personenbezogenen Daten und erfordern daher entsprechende Vorkehrungen zum Datenschutz, wie abgestufte Zugangsverfahren, die Vermeidung neuer transitorischer Datenzugriffe oder unerwünschte Sekundärnutzungen. Die Finanzierung von "Pervasive Healthcare" könnte zudem unter den existierenden Regeln zur Kostenerstattung problematisch sein und entsprechende Verteilungskämpfe zwischen den verschiedenen Akteuren auslösen, etwa bei der Frage, ob das häusliche Umfeld als Gesundheits- und Pflegestandort gefördert werden sollte. Schon aus diesen Gründen haben Nutzungen im Gesundheitsbereich eher eine langfristige Perspektive und müssen schrittweise realisiert werden. Schließlich stellt sich eine Reihe weiterer ethischer Fragen, die man unter den Schlagworten Sicherheit, Autonomie und Teilhabe zusammenfassen kann.

Insgesamt muss sich die Diskussion von ihrem technischen Fokus lösen und sich mit systemischen Fragen auseinandersetzen, z. B. nach der Offenheit der Systeme oder der Einbettung in das nationale und regionale Gesundheitssystem. Letztlich stellt sich die entscheidende Frage, welche neuen Dienstleistungen einen echten Mehrwert bringen.

Mobilität und Verkehr

Der Einsatz von Ubiquitärem Computing im Bereich Mobilität und Verkehr wird als Basis für eine neue Generation von stärker vernetzten und integrierten Systemen zur Steuerung von Verkehrsströmen und zur Information der Verkehrsteilnehmer gesehen. Ausgangspunkt sind dabei Lösungen wie elektronische Fahrscheine auf Basis von RFID oder Nahfeldkommunikation, Navigations- und Verkehrserfassungssysteme sowie die herkömmliche Verkehrstelematik, die momentan durch sogenannte "Vehicular Ad-Hoc Networks" ergänzt werden.

Langfristig gehen die Befürworter von einer weitgehenden Integration solcher Systeme in ein umfassendes Verkehrsmanagementsystem aus, das auf Echtzeitdaten basiert und Betreibern wie auch Nutzern der Verkehrssysteme gleichermaßen Vorteile bietet:

Ähnlich wie bei Handelsanwendungen ist aber zu bedenken, dass es Auswirkungen auf die Souveränität und Privatsphäre gibt, wenn Verkehrsteilnehmer und Fahrzeuge selbst (aktiver) Teil des Verkehrssystems werden. Insbesondere ermöglicht die flächendeckende Erfassung von Verkehrsdaten neue Möglichkeiten zur Steuerung von Verkehr, etwa die Schaffung von Anreizen (oder Strafen) für die Nutzung bestimmter Verkehrswege zu bestimmten Zeiten, von denen aber erfahrungsgemäß angenommen werden kann, dass sie wenig Akzeptanz in der Bevölkerung finden. Es bestehen auch Zweifel, ob ein neuerlicher Anlauf für die Optimierung des Verkehrsflusses erfolgversprechender ist als in der Vergangenheit. Paradoxerweise scheint die Stärkung des individuellen Nutzers, so wie es die Szenarien vorsehen, langfristig zu weniger Autonomie des Einzelnen zu führen.

Ubiquitäres Computing im Spiegel der Presse

Die öffentliche Darstellung von Wissenschaft und Technik hat Einfluss auf Entscheidungsträger und deren Handeln und ist damit wiederum für Wissenschaft und Forschung folgenreich. Aus diesem Grunde wurde eine Analyse der Berichterstattung über das Ubiquitäre Computing, insbesondere RFID, in der überregionalen Tagespresse durchgeführt. Dies macht deutlich, welches Bild der Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren vom Ubiquitären Computing vermittelt und welche wichtigen Technikfolgen thematisiert wurden. Dabei zeigt sich, welche unterschiedlichen Positionen die verschiedenen Akteure vermitteln wollen.

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass erste vereinzelte Artikel über das UbiComp seit 1997 erschienen. Seit etwa 2004 wird kontinuierlich über das Thema berichtet, mit (leicht) steigender Tendenz. Die frühen Artikel berichteten über Entwicklungen im Umfeld von "Smart Homes" und zeigten sich fasziniert von der neuen Welt der "Heinzelmännchentechnologie". Neben den positiven Anwendungsmöglichkeiten erwähnten aber schon diese Beiträge das Überwachungspotenzial des Ubiquitären Computings und die Herausforderungen für den Datenschutz, die in den Folgejahren die Berichterstattung immer stärker prägten.

Aufgrund der Darstellung des Themas in der Presse könnte man annehmen, Daten- und Verbraucherschutz seien die problematischsten Aspekte des Ubiquitären Computings. So warnte die Süddeutsche Zeitung 2005 vor dem Schreckgespenst des gläsernen Menschen. Solche Warnungen korrespondierten mit der Einstellung vieler Verbraucher, die die Datenschutzrisiken höher einschätzten als den zusätzlichen Nutzen. Auf diese Vorbehalte wurde in der wirtschaftnäheren Presse mit dem Hinweis reagiert, dass die meisten der heute geplanten Anwendungen kaum personenbezogene Daten berühren. Wichtige Industrievertreter argumentieren in der Presse gelegentlich, die Betonung des Daten- und Verbraucherschutzes sei nicht nur unbegründet, sondern auch innovationshemmend, während der Daten- und Verbraucherschutz von Kunden als wichtiger Regelungsbereich angesehen wird.

Sicherheit und Schutz der Privatsphäre sind beim Ubiquitären Computing eng miteinander verbunden - entsprechend intensiv wird darüber in der Presse berichtet. Während mehr Sicherheit ausnahmslos als wünschenswertes Anliegen gilt, vermittelt die Berichterstattung, dass für diese Sicherheit ein Preis in Form von mehr Überwachung zu zahlen ist. Ein Teil der Presse betont im Zusammenhang mit der öffentlichen Sicherheit, dass die Neugierde von Staat und Wirtschaft durchaus neue Gefahren in sich birgt. In diesem Zusammenhang wird aber nur selten diskutiert, inwieweit mehr Überwachung vorbeugend zu mehr Sicherheit führen kann und welches Sicherheitsniveau überhaupt (finanziell wie auch sozial) machbar ist.

In den letzten Jahren ist die Berichterstattung über den RFID-Einsatz für verschiedene Anwendungen, vor allem in den Bereichen Logistik, Einzelhandel, Gesundheit und Wohnen am umfangreichsten. Die dabei angesprochenen Themen sind relativ übersichtlich: In der Logistik und im Einzelhandel geht es überwiegend um die Rationalisierung von Prozessen, beim Einzelhandel darüber hinaus auch gelegentlich um einen zusätzlichen Nutzen für den Verbraucher. Bei Anwendungen in den Bereichen Gesundheit und Wohnen steht die Unterstützung eines gesunden und unabhängigen Lebens im Alter im Vordergrund. Die Berichterstattung macht insgesamt deutlich, dass vor allem Anwendungen innerhalb oder zwischen Unternehmen momentan die größte Bedeutung haben und Kosten-Nutzen-Erwägungen bei der Technikeinführung entscheidend sind.

Die Frage der Technologieeinführung wird von der Presse meist allein auf die Frage des Preises von RFID-Chips reduziert, der über die Jahre zwar ständig gesunken ist, allerdings ohne bislang das für einen Marktdurchbruch notwendige Niveau zu erreichen. Dennoch werden durch Ubiquitäres Computing realisierbare Effizienzgewinne bzw. Einsparungen in der Berichterstattung als ganz erheblich eingeschätzt. Bei welchen Kostenarten letztlich eingespart werden kann, bleibt meist unerwähnt, auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass durch Rationalisierung vor allem Personalkosten verringert werden können. So wird in einigen Beiträgen angesprochen, dass die Einführung von RFID einfache Arbeitsplätze erheblich gefährde, da viele Prozesse durch RFID vereinfacht und automatisiert werden können.

Insgesamt hat die Presseberichterstattung über das Ubiquitäre Computing in den vergangenen Jahren eine typische Aufmerksamkeitskurve durchlaufen: Zunächst wurde es unkritisch in den Himmel gehoben, dann nach den ersten Misserfolgen übertrieben kritisiert. Schließlich setzte sich mit Realisierung und Tests erster Anwendungen eine realistischere Einschätzung der echten Vorteile, aber auch der Grenzen des Ubiquitären Computings durch. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Presse sachlich, abgewogen und nicht unkritisch über das Thema berichtet.

Rechtliche Aspekte des Ubiquitären Computings

Das Ubiquitäre Computing und seine unterschiedlichen Anwendungen stellen auch für die Fortentwicklung des Daten- und Verbraucherschutzes eine erhebliche Herausforderung dar. Die rechtlichen Herausforderungen sind primär im Schutz der informationellen Selbstbestimmung der Nutzer im Verhältnis zu den rechtlich geschützten wirtschaftlichen Interessen der Betreiber von UbiComp-Anwendungen zu sehen. Daneben ergeben sich durch den zu erwartenden Einsatz von autonomen Informatiksystemen aber auch Fragen im privatrechtlichen Bereich. Da die Technikentwicklungen insgesamt von hoher prognostischer Unsicherheit geprägt sind, stellt sich neben den inhaltlichen Anforderungen an konkrete Regelungen zum bestmöglichen Interessensausgleich der Akteure auch die Frage nach dem richtigen Regulierungsinstrumentarium. Die Spannweite der möglichen Regulierungsansätze reicht dabei vom klassischen Ordnungsrecht bis zu neuen selbstregulativen Instrumenten wie Verbandsvereinbarungen.

Zur Sicherstellung der informationellen Selbstbestimmung hat das Bundesverfassungsgericht eine Reihe von inhaltlichen Vorgaben und verfahrensrechtlichen Absicherungen definiert, die mit den Prinzipien des Ubiquitären Computings zwangsläufig kollidieren:

Vor diesem Hintergrund fragt es sich, ob das traditionelle Datenschutzrecht für die Herausforderungen des Ubiquitären Computings noch sachgemäß ist. Bei der Bewertung ist zu berücksichtigen, dass die im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) formulierten Prinzipien wegen ihrer Fundierung im öffentlichen Sektor und der Förmlichkeit von Verwaltungsverfahren noch von wenigen und wenig veränderlichen Datenverwendungen ausgehen konnte. Diese Grundbedingung löst sich bei Anwendungen im privatwirtschaftlichen Sektor weitestgehend auf.

Insofern überrascht es nicht, dass die inhaltlichen und verfahrensrechtlichen Regelungen des BDSG und der einschlägigen telekommunikationsrechtlichen Verbürgungen schon im Hinblick auf RFID-Anwendungen in ihrer Reichweite unklar sind und in der Folge die Gefahr von Rechtsunsicherheit für Anbieter und Nutzer von UbiComp-Anwendungen besteht. Um diese Unsicherheiten auszuräumen, sollte das Schutzprogramm des Bundesverfassungsgerichts neu umgesetzt und das Bundesdatenschutzgesetz entsprechend modernisiert werden.

Gleichzeitig ist bei der Frage nach dem "wie" der Neuausrichtung das grundrechtliche Fundament von entscheidender Bedeutung. Die Rechtsfragen des UbiComps betten sich in die Gesamtdiskussion um die Ausgestaltung der zukünftigen "Informationsrechtsordnung" ein. Hier stehen sich im Wesentlichen zwei Pole in der Bewertung gegenüber. Auf der einen Seite werden auch personenbezogene Informationen im privatwirtschaftlichen Bereich weitestgehend als eigentumsrechtlich relevante Sachmaterien und deshalb als Handelsgut begriffen. Auf der anderen Seite werden persönlichen Daten als Gegenstand des absoluten umfassenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts und daher als besonders schützenswert beurteilt. Die Verortung in dem einen oder anderen Grundrechtsregime hat weitgehende Auswirkungen auf den staatlichen Handlungsauftrag und die notwendigen inhaltlichen Ausgestaltungen.

Nicht zuletzt wegen der großen prognostischen Unsicherheiten der Technik- und Geschäftsmodellentwicklungen wird in den Initiativen der Europäischen Kommission für den fraglichen Bereich weitestgehend auf selbstregulative Instrumente statt auf ordnungsrechtliche Vorgaben gesetzt. Bei der Umsetzung in nationales Recht wären dann allerdings Zielvorgaben zu definieren um sicherzustellen, dass die Selbstregulation nicht hinter den Standard bestehender gesetzlicher Regelungen zurückfällt. Außerdem müsste eine Reservezuständigkeit des Staates für den Fall des Versagens der Selbstregulation definiert werden.

Inhaltlich wären gesetzliche Anpassungen zum einen im Hinblick auf die zu erwartende Änderung der beiden EU-Datenschutzrichtlinien vorzunehmen. Auch wenn die praktischen Auswirkungen wegen der Anknüpfung an die RFID-Verwendung in öffentlichen Kommunikationsnetzen gering sein werden, bedarf es hier einer Klarstellung im Telekommunikationsgesetz (TKG), dass RFID-Anwendungen in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen können. Daneben sind insbesondere Klarstellungen zum Anwendungsbereich des BDSG auch für einfache RFID-Chips und die Revision des Schriftlichkeitserfordernisses bei der datenschutzrechtlichen Einwilligung notwendig. Ebenso wäre die Ergänzung von Transparenzgeboten um langfristige Strukturinformationen erforderlich. Insbesondere die Anknüpfung der datenschutzrechtlichen Pflichten und Bewertungen an die Erhebungsphase bedarf einer Revision: Im Hinblick auf die Techniken des Dataminings sollte das Schutzprogramm auch in den Phasen der Verarbeitung Berücksichtigung finden. Schließlich wären die Schaffung der Möglichkeit der Verbandsklage im Datenschutzrecht sowie eines eigenständigen Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes weitere sinnvolle Optionen.

Gleichzeitig sollte der Datenschutz durch den Einsatz von Technik unterstützt und in den gesetzlichen Regelungen stärker als bislang explizit gefordert werden. Ein geeignetes Mittel wäre z. B. die technologieneutral formulierte Pflicht zur Integration eines Mindestbestandes datenschutzrechtlicher Zugriffsbeschränkungen auf Ebene der Anwendungsprotokolle. Auf dieser Grundlage könnten dann später, auf Basis einer entsprechenden Anwendungssoftware, ausschließlich die vom Nutzer erlaubten Datenverwendungen technisch zugelassen werden. Wie die Erfahrungen der Technikregulierung des klassischen Internets zeigen, sollte das Augenmerk der Legislative eher auf der Formulierung der Ziele, als auf materiellen Detailvorgaben für eine konkrete Technikgestaltung liegen.

Beobachtungs- und Handlungsoptionen

Obwohl die RFID-Technologie schon ein hohes Maß an technischer Reife erreicht hat, bedürfen andere technische Aspekte des Ubiquitären Computings noch erheblicher Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, bevor die erhofften Funktionalitäten auch für den praktischen Einsatz geeignet sind. Dies sind vor allem:

Ubiquitäres Computing besitzt ein erhebliches wirtschaftliches Potenzial, zum einen für die Steigerung von Effizienz und damit der Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb werden sich solche Nutzungen voraussichtlich mittelfristig durchsetzen. Zum anderen ermöglicht Ubiquitäres Computing eine Vielzahl von neuen Dienstleistungen, deren Nützlichkeit für den Bürger und deren Wirtschaftlichkeit sich allerdings erst erweisen müssen. Damit diese Potenziale tatsächlich realisiert werden können, ist allerdings eine Reihe von Voraussetzungen zu schaffen:

Jenseits der wirtschaftlichen Auswirkungen gibt es eine ganze Reihe von möglichen Auswirkungen des UbiComps, bei denen im Rahmen eines wissenschaftlichen und/oder gesellschaftlichen Dialogs abgewogen werden muss, ob Nutzen und Kosten in einem akzeptablen Verhältnis zueinander stehen.

Die wohl augenfälligste Wirkung des Ubiquitären Computings ist die auf die Privatsphäre bzw. informationelle Selbstbestimmung. Beide erfahren im Lichte der Allgegenwärtigkeit von Daten und Datenverarbeitung eine Neudefinition, wobei weder der Umfang noch die Nachhaltigkeit dieser Neubestimmung vollständig absehbar sind. Hier bieten sich folgende Aktivitäten an:

Darüber hinaus ist die gesellschaftliche Kompatibilität des Ubiquitären Computings am besten anhand konkreter Beispiele weiter zu diskutieren. Wichtige Fragen betreffen dabei die Nachhaltigkeit des Ubiquitären Computings nicht nur in wirtschaftlicher und ökologischer, sondern auch in gesellschaftlicher Hinsicht. Die Sicherstellung eines universellen Zugangs zu und der Teilhabe an den Vorteilen neuer Angebote ist dabei ebenso wichtig wie Fragen von Systemabhängigkeit und Entziehbarkeit, Kontrollverlust, Überwachung und verhaltensnormierenden Wirkungen. Neben dem notwendigen gesellschaftlichen Diskurs sowie weiterer sozialwissenschaftlicher Forschung gibt es eine Reihe von konkreten Ansatzmöglichkeiten:

 

Erstellt am: 06.05.2010 - Kommentare an: webmaster