Arnold Sauter

Transgenes Saatgut in Entwicklungsländern – Erfahrungen, Herausforderungen, Perspektiven

Berlin: Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) 2008, TAB-Arbeitsbericht Nr. 128
[Volltext/pdf / 3.223 kb]   [Inhalt]   [Summary]   [Einleitung]


ZUSAMMENFASSUNG

großes Bild

Im Zuge der intensiven Debatte über eine nachhaltige Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln, von Bioenergie und nachwachsenden Rohstoffen hat die Diskussion über den Einsatz der Gentechnik in der Pflanzenzüchtung sowie die Verwendung des daraus resultierenden transgenen Saatguts in Europa und weltweit eine Schwerpunktverlagerung erfahren – gefragt wird nunmehr stärker nach den Potenzialen, den bisher erbrachten und den möglichen zukünftigen Beiträgen zur Lösung spezifischer Probleme. Auch der vorliegende Bericht legt hierauf ein besonderes Gewicht, ohne die Risikofragen auszublenden. Zentrale Ergebnisse des TAB-Projekts lassen sich in dieser Hinsicht wie folgt zusammenfassen:

Ausgangslage und Fragestellung

Auswirkungen des Einsatzes transgenen Saatguts auf die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Strukturen in Entwicklungsländern – ist dieses Thema überhaupt relevant? Dafür sprechen vor allem drei Gründe:

Hintergrund, Zielsetzung und Vorgehensweise

Sowohl Befürworter als auch Gegner eines Einsatzes von transgenem Saatgut in Entwicklungsländern gehen davon aus, dass die Gentechnologie unter den ökologischen, ökonomischen, sozialen und institutionellen Bedingungen von weniger entwickelten wie von Schwellenländern weitreichende Auswirkungen haben kann. Auf der einen Seite stehen große Erwartungen an einen Beitrag der Gentechnik zur Ernährungssicherung und zum wirtschaftlichen Anschluss an die Industrieländer, auf der anderen Seite gibt es große Befürchtungen bezüglich nachteiliger Auswirkungen auf kleinbäuerliche Wirtschaftsweisen und den traditionellen Umgang mit Saatgut. Durch das »Megathema« Bioenergie, das in den vergangenen Jahren die weltweite Debatte über Ziele, Wege und Prioritäten der zukünftigen Nutzung der natürlichen Ressourcen insgesamt intensiviert und verschärft hat, ist auch die Frage nach den Potenzialen der »Grünen Gentechnik« mit neuer Dynamik angestoßen worden. In der Perspektive der Befürworter gilt die Gentechnik sowohl als unverzichtbares Mittel für eine Steigerung der Flächenerträge im Ackerbau insgesamt als auch zur spezifischen Optimierung von »Energiepflanzen«. Kritiker der Agrogentechnik hingegen bezweifeln diese Einschätzungen und befürchten eine Potenzierung der von ihnen angenommenen negativen ökologischen, gesundheitlichen und vor allem sozioökonomischen Folgen.

Ziel des TAB-Projekts »Auswirkungen des Einsatzes transgenen Saatguts auf die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Strukturen in Entwicklungsländern«, angeregt durch den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und beschlossen vom Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, war es, die allgemeine Informations- und Debattenlage aufzuarbeiten (Kap. II) sowie möglichst konkret zu erfassen, wie sich der Einsatz transgenen Saatguts in den vergangenen zwölf Jahren tatsächlich entwickelt hat, welche Folgen identifizierbar sind und was daraus für die zukünftige Ausgestaltung der deutschen (bzw. auch europäischen) Entwicklungspolitik abgeleitet werden kann (Kap. V).

Inhaltlicher Schwerpunkt des Berichts sind vier Fallstudien (Kap. III) zu Ländern mit ausgedehntem (Brasilien, China) und solchen mit bislang begrenztem Einsatz (Chile, Costa Rica) von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVP). Neben diesen vier Ländern wäre eine Reihe weiterer für eine vertiefte Behandlung infrage gekommen (z. B. Argentinien, Indien, Mexiko, Paraguay, die Philippinen, Südafrika oder Uruguay,) zu denen jedoch – wegen schlechter Datenlage, begrenzter Projektmittel oder fehlender Angebote – keine Gutachten in Auftrag gegeben werden konnten. Die Ergebnisse dieser Länderstudien werden mit Blick auf zentrale Frage- bzw. Zielstellungen vergleichend diskutiert (Kap. IV): zum Bereich Forschung und Entwicklung, zur Frage der bisherigen ökonomischen Resultate des Anbaus transgener Pflanzen, zu sonstigen sozioökonomischen Effekten und Fragen der Teilhabe sowie zur Erfassung, Bewertung und Regulierung von Risiken.

Transgene Pflanzen in globaler Perspektive: Aktivitäten und Diskurse

Der weltweite Anbau

Im Jahr 2007 wurden transgene Pflanzen in insgesamt 23 Ländern auf rund 114 Mio. ha angebaut, was ca. 5 % der weltweiten Anbaufläche entspricht. Diese Flächen konzentrieren sich sehr stark auf fünf Länder in Nord- und Südamerika, in denen allein 88 % der Anbauflächen liegen (USA: 57,7 Mio. ha; Argentinien: 19,1 Mio. ha; Brasilien 15,0 Mio. ha; Kanada: 7,0 Mio. ha; Paraguay: 2,6 Mio. ha), auf Indien (6,2 Mio. ha), China (3,8 Mio. ha) sowie Südafrika (1,5 Mio. ha). Auch nach zwölf Jahren Anbau repräsentieren lediglich zwei gentechnisch übertragene Eigenschaften, nämlich Herbizidresistenz (»HR«) und Bacillus-thurin­giensis-Insektenresistenz (»Bt«), jeweils allein oder kombiniert 99,9 % der angebauten GVP und das in nur vier Pflanzenarten (51,3 % Soja, 30,8 % Mais, 13,1 % Baumwolle, 4,8 % Raps). Ein kommerzieller Anbau findet nahezu ausschließlich in den sog. Schwellenländern statt und beschränkt sich ganz überwiegend auf zwei sogenannte Cash Crops: HR-Soja in Südamerika (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay) sowie Bt-Baumwolle in Indien und China. Hinzu kommen HR- u./o. Bt-Maisflächen v. a. in Südafrika, in Argentinien und auf den Philippinen. Ein Anbau für die Ernährungssicherung oder für lokale Märkte spielt insgesamt kaum eine Rolle.

Die volkswirtschaftliche Bedeutung dieser als Futtermittel und zur Textilherstellung verwendeten und exportierten pflanzlichen Produkte ist teilweise groß. Baumwolle ist z. B. in China das wertmäßig wichtigste landwirtschaftliche Produkt überhaupt und wird zu ca. 70 % aus transgenen Sorten gewonnen. In Brasilien ist das zentrale landwirtschaftliche Produkt Soja, das einen Anteil von ca. 10 % am Gesamtexport des Landes hat und 2007 zu etwa zwei Dritteln mithilfe transgener Sorten produziert wurde.

Nutzenfragen: Eignung, Wirkungsebenen und Resultate

Der Begriff des Nutzens ist ähnlich vielschichtig wie der des Risikos. Im Bericht werden drei Bedeutungsebenen unterschieden:

Die erste Ebene – Auswirkungen auf Schutzgüter und Entwicklungsziele – bildet die höchste Aggregationsebene einer Gesamtbewertung des Einsatzes transgenen Saatguts und ist hochgradig wert- bzw. positionsabhängig. Entscheidend sind das zugrundegelegte Entwicklungsmodell, die Annahmen und Erklärungen zu den Ursachen von Armut und Hunger, ökologische Konzepte und Zielvorstellungen sowie die Auswahl der betrachteten Wirkungsdimensionen. Deshalb kommen hier die beteiligten Stakeholder zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen.

Zwei Perspektiven stehen sich, vereinfacht gesagt, gegenüber: eine (welt)markt­wirtschaftliche und eine regional-ökologische. Erstere betrachtet GVP als ein innovatives Betriebsmittel, das der Landwirtschaft, durchaus auch der kleinbäuerlichen in Entwicklungs- und Schwellenländern, helfen kann, effizienter, d. h. kosten- und arbeitssparend, sowie ertragssichernd zu produzieren; letztere sieht Gentechnik bzw. GVP als eine unangepasste Technologie, welche die traditionellen lokalen, teils indigen tradierten Bewirtschaftungsweisen zerstört. Dazwischen finden sich offenere, »suchende« Haltungen und Herangehensweisen, welche die Potenziale gentechnischer Ansätze zur Erreichung pflanzenzüchterischer Zielstellungen oder die Leistungsfähigkeit transgener Sorten gegenüber konventionellen Sorten und gegebenenfalls alternativen Anbautechniken erkunden wollen, ohne in der Bewertung vorher bereits festgelegt zu sein.

Die zweite Betrachtungsebene bzw. Frage – nach der betriebs- oder volkswirtschaftlichen Gewinnhöhe und -verteilung aus Entwicklung und Anbau – stellt vordergründig die konkreteste dar und sollte eigentlich einer empirischen Erfassung und einer quantitativen Analyse zugänglich sein, zumindest nach über zehn Jahren kommerziellen Anbaus. Eine ausführlichere Diskussion des (erstaunlich begrenzten) Wissensstandes hierzu erfolgt im Zusammenhang der Auswertung der Fallstudien.

Auch die dritte Ebene – die Einschätzung der Eignung und Nutzung der Gentechnik in der Pflanzenzüchtung – erscheint als vordergründig innerwissenschaftliche Frage grundsätzlich durch eine nüchterne wissenschaftliche Analyse bearbeitbar. Weil es dabei aber insbesondere um eine Prognose möglicher zukünftiger Erfolge geht, öffnet sich hier ein weites Feld für interessengeleitete Spekulation sowie einen Expertenstreit verschiedener Disziplinen (Molekularbiologie, Pflanzenzucht, Agrarökonomie) und gesellschaftlicher Akteure (öffentlich finanzierte Pflanzen- bzw. Züchtungsforschung, »klassische« Pflanzenzucht- oder aber Biotechnologieunternehmen, Natur- und Umweltschutzverbände, Entwicklungsorganisationen).

Züchtungsziele und gentechnische Ansätze

Eine umfassende Potenzialanalyse der Nutzung der Gentechnik für entwicklungsländerspezifische Züchtungsziele konnte im Rahmen des Projekts nicht geleistet werden (hierfür müssten die pflanzenzüchterischen Herausforderungen und Ziele nach Ländern oder zumindest größeren Regionen differenziert und detailliert den bisherigen und absehbaren gentechnischen und nichtgentechnischen Ansätzen gegenübergestellt werden). Geboten wird hingegen ein kurzer Überblick über Züchtungsziele und gentechnische Ansätze.

Die Ertragsleistung von Pflanzen, sowohl einzelner Teile als auch der Gesamtpflanze, wird als komplexes Merkmal multifaktoriell bestimmt und ist einer gentechnischen Beeinflussung bislang nur wenig zugänglich. Eine Verbesserung der Widerstandskraft der Pflanzen gegen ertrags- oder qualitätsmindernde Einwirkungen, wie Krankheiten und Schädlinge oder Nährstoff- und Wassermangel, also die Erzeugung von Resistenzen bzw. Toleranzen zur Ertragssicherung, kann zum Teil durch einzelne oder wenige Merkmale vermittelt werden und ist der Gentechnik dadurch prinzipiell leichter zugänglich. Neben den bislang angebauten insekten- und herbizidresistenten Sorten werden v. a. virus- und pilzresistente Varianten seit vielen Jahren intensiv erforscht. Zugelassen und auf begrenzten Flächen angebaut wurden bislang einige virusresistente Sorten, u.  a. Paprika und Tomaten in China, Kürbis und Papaya in den USA. Gentechnisch nutzbare Resistenzen bzw. Toleranzen gegen Kälte, Trockenheit oder Versalzung werden ebenfalls seit Langem beforscht und sind im Zuge der aktuellen Debatte verstärkt in den Mittelpunkt gerückt, ohne dass hier aber Konkretes absehbar wäre. Als erstes konkretes Beispiel wurde im Herbst 2008 von BASF und Monsanto die fortgeschrittene Entwicklung einer trockentoleranten Maissorte berichtet.

Im Bereich der Qualitätseigenschaften von Pflanzen steht die gentechnische Veränderung zur Gewinnung neuer, industriell nutzbarer Inhaltsstoffe wie »Plant Made Industrials« oder »Plant Made Pharmaceuticals« im Mittelpunkt vieler FuE-Projekte, die konkrete Nutzung ist bislang jedoch wenig bedeutend. Dabei lassen sich kaum entwicklungsländerspezifische Aspekte erkennen, mit Ausnahme des sog. Biofortificationansatzes, d.  h. der (gentechnischen) Anreicherung von Grundnahrungsmitteln mit Vitaminen oder lebenswichtigen Mineralien. Entsprechende Projekte werden für die Zielgruppe armer Bevölkerungsschichten in Afrika und Asien verfolgt und seit einiger Zeit in großem Umfang durch die Bill- und Melinda-Gates-Stiftung gefördert; das besonders weit gediehene Beispiel des »Goldenen Reises« wird im Bericht vertieft diskutiert.

Risiken: Dimensionen und Debatten

Angesichts des Umfangs und der Vielfältigkeit der Risikothematik konzentriert sich der Bericht auf eine knappe Übersicht zu Risikodimensionen und ‑debatten und arbeitet heraus, welche Fragen für Entwicklungsländer besonders relevant sind oder werden könnten. Unterschieden werden gesundheitliche und ökologische sowie sozioökonomische Risiken.

Ob bzw. welche Effekte des Einsatzes transgener Sorten als Risiko oder Schaden angesehen werden, ist entscheidend vom angelegten Vergleichsmaßstab abhängig. Dieser wird u. a. geprägt durch den Status quo der landwirtschaftlichen Praxis sowie das jeweilige Leitbild der Landwirtschaft. Unterschiede zeigen sich bereits zwischen den vergleichsweise homogenen EU-Ländern und sind angesichts der Verschiedenartigkeit der Schwellen- und Entwicklungsländer noch stärker ausgeprägt.

Bei der Betrachtung, welche Risikoaspekte, Wirkungsebenen und -ketten für Entwicklungs- und Schwellenländer besonders relevant oder sogar spezifisch sind, können zwei Dimensionen unterschieden werden: Die Art und Höhe der Risiken wird stark von den geografisch-naturräumlichen Gegebenheiten geprägt, ihre Beherrschbarkeit von »entwicklungsbezogenen« und institutionellen Parametern. Bei den geografisch-naturräumlichen Parametern stellen sich Fragen des Einflusses auf die biologische Vielfalt in einigen Entwicklungs- und Schwellenländern viel stärker als z. B. in europäischen Ländern, insbesondere dann, wenn sie die als besonders wichtig und schützenswert betrachteten sog. Zentren der biologischen Vielfalt oder sonstige Ursprungsregionen landwirtschaftlicher Nutz­pflanzen beherbergen.

Bei den »entwicklungsbezogenen« Parametern bilden Fragen der Regulierung bzw. deren Etablierung und Umsetzung ein wichtiges Thema, wobei geradezu als Konsens in der Debatte gilt, dass in vielen bzw. den meisten Entwicklungs- und Schwellenländern nach wie vor ein großes institutionelles und kapazitatives Manko besteht. Aufseiten der Anwender können die Effekte der Verwendung transgenen Hochleistungssaatguts insbesondere durch den Ausbildungs- und Kenntnisstand sowie durch die Kapitalausstattung der Betriebe geprägt werden. Für die möglichen Umwelt- und teils auch die Gesundheitswirkungen entscheidend ist die Einhaltung der »Guten Fachlichen Praxis« z. B. bei der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln. Neue Sorten können auch zu einer großflächigen Veränderung der Landnutzung führen und dadurch ökologische Effekte hervorrufen. Das dominierende Thema der Risikodebatte zum Einsatz transgener Sorten in Entwicklungs- und Schwellenländern sind hier aber die verbundenen sozioökonomischen und teils auch soziokulturellen Fragen, z. B. nach den Auswirkungen auf traditionelle Anbauweisen und Saatgutmärkte.

Eine Systematisierung sozioökonomischer Risiken des Einsatzes transgenen Saatguts fällt besonders schwer, weil es sehr unterschiedliche Auffassungen gibt, welche Auswirkungen der Verbreitung und Nutzung von GVP überhaupt zuzuschreiben und ob diese als Risiken bzw. Schäden anzusehen sind. Während mögliche ökologische und gesundheitliche Folgen aus den neuen Eigenschaften der transgenen Sorten und der damit verbundenen Verwendung zumindest bis zu einem gewissen Grad auch prospektiv abgeleitet und untersucht werden können, ergeben sich sozioökonomische Konsequenzen zum größten Teil erst in der realen Vermarktungs-, Anbau- und Verwendungssituation. Die Datenlage hierzu ist allerdings selbst in den Industrieländern erstaunlich schwach.

In den Schwellen- und Entwicklungsländern spielt die Frage nach der Marktmacht und dem Marktverhalten der großen »gentechnischen« Saatgutanbieter eine große Rolle, zum Teil verbunden mit weitreichenden Befürchtungen bezüglich einer Zerstörung traditioneller Produktionsweisen einer multifunktionellen Landwirtschaft. Insgesamt können die komplexen und heterogenen sozioökonomischen Auswirkungen als das eigentliche Zentrum der Risikodebatten in den Schwellen- und Entwicklungsländer betrachtet werden, da mit ihnen häufig die Frage nach den grundsätzlichen Entwicklungsmodellen, -zielen und -wegen verbunden ist.

Besondere Rahmenbedingungen in Entwicklungsländern

Auch nach über 20 Jahren Forschung und zwölf Jahren Anbau gibt es bislang kaum entwicklungsländerspezifische transgene Sorten im eigentlichen Sinn. Umstritten ist, ob dieses vorrangig technologieimmanente Gründe hat, an den Interessen der Technologieinhaber liegt oder aber durch (zu) strenge Zulassungsauflagen verursacht wurde. Es gibt jedoch angepasste HR- und Bt-Sorten, meist als Resultat der Einkreuzung in regionale Sorten.

Die Zahl und Vielfalt der FuE-Projekte zu transgenen Pflanzen mit besonderem Nutzen für die Landwirtschaft in Entwicklungsländern war und ist – in den betreffenden Ländern, in den internationalen Agrarforschungszentren, zum Teil in Kooperation mit Einrichtungen in Industrieländern – insgesamt zwar durchaus groß, aber nach wie vor anscheinend meist in eher frühen Stadien (und schwer überschaubar). Weithin wird angenommen, dass weltweit bislang vergleichsweise wenig Mittel aufgewendet wurden, woraus geschlossen wird, dass das tatsächliche Potenzial transgener Pflanzen für Entwicklungsländer noch gar nicht richtig eruiert worden ist. Von Befürwortern einer stärkeren Nutzung von GVP wird zudem betont, dass regulativ-administrative Zulassungs- und Anbauauflagen in Verbindung mit nach wie vor mangelhaften wissenschaftlich-administrativen Kapazitäten größere Entwicklungserfolge verhindert hätten. Unbestritten ist, dass unabhängig von der Art und Umsetzung, die spezifische Regulierung transgener Pflanzen ihre Erforschung und Entwicklung teurer macht als die von nichttransgenen, konventionellen Pflanzen bzw. -sorten.

Mit Blick auf die Entwicklung und den Einsatz transgenen Saatguts in Entwicklungsländern spielen Fragen des geistigen Eigentums und der Etablierung und Durchsetzung von Schutz- und Lizenzansprüchen eine zentrale Rolle. Als Modell zur Überwindung des Problems der Lizenzfragen werden seit einigen Jahren zunehmend sog. Public-Private-Partnership-Projekte gesehen, bei denen die Technologieinhaber öffentlich finanzierten Forschungseinrichtungen ihre geschützten Gentechnikanwendungen oder Sorten für bestimmte Zwecke lizenzfrei zur Verfügung stellen. Ein solches Vorgehen bildet eine wichtige Grundlage des »Golden-Rice«-Projekts. Dieses erscheint als Beispiel für eine gezielte Nutzung der Pflanzengentechnik für ein übergeordnetes Entwicklungsziel (die Reduktion der Mangelernährung und daraus resultierender gesundheitlicher Schäden) mit durchaus realistischen Erfolgschancen, wenn es Teil einer umfassenderen Gesamtstrategie ist. Gleichzeitig belegt es aber den enormen Einfluss der großen gentechnologisch orientierten Saatgut- und Agrarchemikalienunternehmen, und es wirft die Frage auf, ob diese Art der Kooperation für die Entwicklungszusammenarbeit ein zukunftsweisendes und praktikables Modell ist – eine Frage, die im Rahmen der Gesamtschau und des Ausblicks auf mögliche Handlungsoptionen wieder aufgegriffen wird.

Internationale Regulierung

Die wichtigsten weltweiten Regulierungsbemühungen und ‑ebenen mit Bedeutung für die Nutzung transgenen Saatguts in Entwicklungs- und Schwellenländern betreffen den Umgang mit biologischer Vielfalt und pflanzengenetischen Ressourcen, den Welthandel (einschließlich der Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte) sowie Ansätze zu einer Standardisierung von Risikoabschätzung und -bewertung.

Zur Biodiversitätskonvention ist festzuhalten, dass die durch die Rio-Konferenz 1992 angeregten Prozesse äußerst langwierig sind – so gibt es immer noch kein verbindliches Reglement für den Vorteilsausgleich bei der Nutzung der biologischen Vielfalt, sondern lediglich (laut Beschluss der jüngsten Vertragsstaatenkonferenz) den Auftrag, unter deutscher Federführung bis zur nächsten Vertragsstaatenkonferenz 2010 einen beschlussfähigen Text auszuarbeiten. Das deutlich fortgeschrittenere Biosafety- oder Cartagena-Protokoll ist im Jahr 2003 in Kraft getreten und regelt erstmals völkerrechtlich bindend den grenzüberschreitenden Transport, die Handhabung und den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen. Gegenwärtig sind 148 Staaten Vertragspartner des Protokolls. Wichtige GVP-Anbauländer wie Argentinien, Kanada und USA sind dem Cartagena-Protokoll bislang allerdings nicht beigetreten. Noch nicht abschließend geregelt ist bisher die Kennzeichnung von Agrarprodukten, die Anteile aus gentechnisch veränderten Organismen (GVO) enthalten können. Derzeit reicht eine Deklaration »[...] kann GVO enthalten« aus, wenn der mögliche betreffende GVO im Ausfuhrland zugelassen und als sicher bewertet wurde. Ein zentrales Thema des jüngsten Vertragsparteientreffens im Mai 2008 in Bonn war die Frage der Haftung und Wiedergutmachung bei »Schäden an der Biodiversität« durch GVO. Das Resultat waren noch nicht die dafür möglichen Regeln selbst, sondern die Entscheidung, dass diese verbindlich aufgestellt werden sollen.

Entsprechend dem Geist der Rio-Konferenz sollen die Industrieländer die Entwicklungsländer bei der Implementierung der Biodiversitätskonvention und ihrer Beschlüsse unterstützen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fördert den Aufbau von Kapazitäten zur Bewertung von Risiken der Gentechnik im Rahmen der deutschen Biosafety-Capacity-Building-Initiative, u. a. durch Unterstützung des afrikanischen Modellgesetzes zur Biosicherheit (»African Model Law«), das die Afrikanische Union im Jahr 2001 als Orientierungsrahmen und Ausgangspunkt für nationale Regelungen ihrer Mitgliedstaaten entwickelt hat.

Bereits vor der Rio-Konferenz gab es Bemühungen einer internationalen Regulierung des Zugangs zu den sogenannten pflanzengenetischen Ressourcen, die eine wichtige Quelle für die Züchtung insgesamt und damit auch für die Entwicklung von GVP darstellen. Auf der 22. FAO-Konferenz wurde 1983 das »International Undertaking on Plant Genetic Resources« verabschiedet, das festlegt, dass die pflanzengenetischen Ressourcen als gemeinsames Erbe der Menschheit von Einzel­ansprüchen freigehalten werden sollten. Nachdem die Biodiversitätskonvention die genetischen Ressourcen aber generell unter die Souveränität der Nationalstaaten stellte, musste ein langwieriger Prozess zur Harmonisierung des »Undertakings« und der Konvention angestoßen werden. Der im Jahr 2001 resultierende internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft legt für die wichtigsten 35 Nahrungs- und 29 Futterpflanzen den Zugang zu pflanzlichem Zuchtmaterial fest und regelt gleichzeitig einen Vorteilsausgleich für die Herkunftsländer im Sinn der Biodiversitätskonvention.

Wirtschaftsrechtliche Aspekte des Handels mit GVO werden in den Abkommen der Welthandelsorganisation WTO geregelt. Für den Bereich der Grünen Gentechnik sind mehrere WTO-Handelsabkommen relevant, insbesondere aber das sog. SPS- (Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures) und das TRIPS-Abkommen (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights). Letzteres verpflichtet die Mitgliedstaaten der WTO, Rechtssysteme für geistiges Eigentum zu etablieren, wobei für transgene Sorten eine »Patentbewehrung« möglich bzw. vorgesehen ist, was bei konventionellen Sorten nicht der Fall gewesen war. Ob Schutzsysteme für geistiges Eigentum wirklich vorrangig innovationsfördernd und wohlstandsmehrend für eine Volks­wirtschaft insgesamt sind, kann fundiert nur landesspezifisch, differenziert nach Art des Schutzsystems und betroffenem Schutzobjekt (Technologie, Verfahren, Produkt) beantwortet werden.

Neben diesen aus übergeordneten Politikzielen (Erhalt der biologischen Vielfalt, Ernährungssicherung, freier Welthandel, Schutz des geistigen Eigentums) abgeleiteten weltweiten Regulierungsbemühungen gibt es Ansätze zu einer internatio­nalen Angleichung der Risikoabschätzung und -bewertung für transgenes Saatgut bzw. GVP. Da das Cartagena-Protokoll zu einer gesundheitlichen Risikoabschätzung keinerlei Vorgaben macht, beschäftigt sich damit eine Arbeitsgruppe der für internationale Aspekte der Lebensmittelsicherheit zuständigen Codex-Alimentarius-Kommission von FAO und WHO. Dabei werden nicht nur grundlegende Prinzipien formuliert, sondern detaillierte Richtlinien für die (gesundheitliche) Sicherheitsbewertung transgener Lebensmittel erarbeitet. Bereits seit Mitte der 1990er Jahre arbeitet außerdem die OECD zu Fragen der Risikobewertung und Regulierung, unter dem speziellen Blickwinkel einer Harmonisierung zur Ermöglichung des Welthandels.

Diese (und andere) Anleitungen zur Durchführung von Sicherheitsbewertungen bieten letztlich jedoch nur einen Rahmen. Für die Resultate der Risikoabschätzung und -bewertung an sich ist es entscheidend, wie die zuständigen Institutionen verankert, ausgerichtet und bezüglich ihrer Kapazitäten und Kompetenzen ausgestattet sind. Dabei ist eine zentrale Frage, inwieweit die Prozeduren und Standards der Industrieländer auf die Entwicklungs- und Schwellenländer übertragen werden können, müssen oder dürfen. Dies ist deshalb so relevant, weil zum einen die wissenschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Kapazitäten zur Bewertung der biologischen Sicherheit zumindest in den meisten Entwicklungsländern nach wie vor als sehr defizitär gelten und weil zum anderen in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern die sozioökonomischen Fragen eine größere Rolle spielen, weshalb ihnen auch im Rahmen der Risikobewertung ein anderer Stellenwert eingeräumt werden könnte bzw. müsste.

Neben den internationalen Regelungen bzw. Aktivitäten existieren unilaterale Anforderungen, die für die Nutzung transgener Pflanzen in Entwicklungs- und Schwellenländern von Bedeutung sind. Als besonders wichtig gelten dabei die Auswirkungen der EU-Gentechnikregulierung sowie die wachsenden Anforderungen der weltweit agierenden Lebensmittelindustrie bezüglich Qualitätsstandards und Herkunftsdokumentation. Für viele (Entwicklungs-)Länder stellt sich die Frage, ob ein Anbau transgener Sorten die Exportmöglichkeiten nach Europa mindert oder gar zunichte macht. Die Etablierung effizienter Herkunfts- und Rückverfolgbarkeitssysteme (sog. »identity preservation«) für landwirtschaftliche Produkte gilt als äußerst aufwendig und für wenig entwickelte Länder kaum leistbar.

Die Fallstudien

Bei den vier Beispielländern, Brasilien, Chile, China und Costa Rica, handelt es sich um relativ weitentwickelte Länder. Der Schwerpunkt auf Lateinamerika weist insofern Vorzüge auf, als dort nach Nordamerika die mit Abstand größten Flächen mit GVP zu finden sind und für Brasilien der weltweit größte Zuwachs bei der landwirtschaftlichen Nutzung überhaupt angenommen wird. Gleichzeitig gibt es eine starke zivilgesellschaftliche (Oppositions-)Bewegung in ganz Lateinamerika, sodass auch die gesellschaftliche Auseinandersetzung über den Anbau transgener Pflanzen besonders intensiv geführt wird. Mit China wurde das Schwellenland mit der weltweit größten ökonomischen Bedeutung behandelt, das sehr stark auf eine Entwicklung seiner wissenschaftlichen Kapazitäten setzt, darunter explizit auch die der Bio- und Gentechnologie.

China

China, das bevölkerungsreichste Land der Erde mit enormen wirtschaftlichen und technologischen Kapazitäten, setzt seit vielen Jahren auf die Entwicklung und Nutzung von GVP. Angebaut wird in sehr großem Maßstab transgene insektenresistente Baumwolle, das derzeit wichtigste Cash Crop Chinas, mit einem transgenen Anteil von etwa 70 %. Andere Pflanzenarten spielen im Vergleich dazu eine sehr untergeordnete Rolle. Nachdem die Bt-Baumwollsorten ursprünglich von Monsanto stammten, dominieren mittlerweile von der Chinesischen Akademie der Landwirtschaftlichen Wissenschaften entwickelte, preislich günstigere Bt-Sorten den Markt. Entsprechend der Struktur der chinesischen Landwirtschaft sind die Anwender praktisch ausschließlich Kleinbauern, die Baumwolle typischerweise auf Feldgrößen unter 1 ha anbauen (weshalb es bislang nicht für nötig befunden wurde, Refugienflächen zur Verhinderung einer Resistenzentstehung des Baumwollkapselwurms explizit vorzuschreiben). In den Jahren 1999 bis 2001 konnten laut Stichproben in verschiedenen Provinzen durch den Einsatz der Bt-Sorten Insektizide in großem Umfang eingespart werden, gleichzeitig stiegen die Erträge, sodass insgesamt deutliche Gewinnsteigerungen für die untersuchten Farmen ermittelt wurden. In den Folgejahren reduzierten sich diese Effekte aufgrund einer Sekundärschädlingsproblematik, deren Ursache umstritten ist.

Bezüglich der Zulassung transgener Lebensmittelpflanzen ist eine deutliche Zurückhaltung festzustellen. Ein Anbau der eigentlich zugelassenen reifeverzögerten und/oder  virusresistenten Tomaten, Paprika und Chili findet anscheinend kaum statt, am umfänglichsten wohl von virusresistenter Papaya. Bei Reis, der zentralen Nahrungsmittelpflanze Asiens, verweist die chinesische Zulassungsbehörde explizit auf das Vorsorgeprinzip und hat bislang eine Kommerzialisierung transgener Sorten abgelehnt. Die Fallstudie macht deutlich, dass die chinesische Regierung eine umfassende Gentechnikregulierung implementiert hat, die u. a. bereits seit 2002 eine den EU-Vorschriften ähnliche, prozessbasierte Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln mit Inhaltsstoffen aus transgenen Pflanzen vorsieht. Denn es gibt trotz der restriktiven Zulassungspolitik für den Anbau einen Lebensmittelsektor, in dem transgene Produkte eine große Rolle spielen: der Sojamarkt. Obwohl der Nordosten des Landes bis heute ein traditionelles Sojabohnenanbaugebiet ist, ist China der mit Abstand größte Sojaimporteur weltweit. Die Sojaimporte gehen in erster Linie in die Sojaölproduktion, haben aber dennoch zu einem massiven Preisverfall für chinesische Soja geführt, die vorrangig für die Tofuproduktion verwendet wird.

Über die innergesellschaftlichen Debatten kann auch die Fallstudie kein detailliertes Bild liefern – angesichts der Größe des Landes sowie der nach wie vor beschränkten Informationsfreiheit konnte dies auch nicht erwartet werden. Aber es werden Facetten einer durchaus heterogenen Situation erkennbar: Während die Zulassungssituation von GVP für die Normalbevölkerung im Einzelnen nur wenig transparent sein dürfte, gibt es zunehmend öffentliche Diskussionen in den Medien zu speziellen Fragen, so zu den Folgen der Sojaimporte oder zum unerlaubten Anbau von transgenem Reis. Insgesamt scheint die Bevölkerung (sehr) technologieoffen zu sein, allerdings mit einem geringen Kenntnisstand über die tatsächliche Diffusion transgener Nahrungsmittel. Unter den urbanen, wohlhabenderen Bevölkerungsteilen wächst außerdem eine skeptischere Verbrauchergruppe heran. In diesem Umfeld beginnen auch gentechnikkritische NGOs Einfluss auszuüben.

Für die Zukunft können weitere Zulassungen von GVP erwartet werden, insbesondere von landeseigen entwickelten Sorten, orientiert an den Anforderungen der chinesischen Landwirtschaft mit ihrer kleinbäuerlichen Struktur. In die volkswirtschaftlichen Strategieüberlegungen der chinesischen Führung scheinen dabei auch explizit die Rücksichtnahme auf die öffentliche Meinung, eine Berücksichtigung der gentechnikskeptischen Exportmärkte (nicht nur europäischer Länder, sondern auch von Japan, Südkorea und Hongkong) sowie die Beachtung der am Vorsorgeprinzip orientierten Biosicherheitsregulierung einzugehen.

Mit Blick auf die übergeordneten Debatten zu GVP und Entwicklungsländern prägen daher insgesamt folgende Punkte die Situation in China:

Brasilien

Brasilien hat zwar eine deutlich geringere Einwohnerzahl als China, jedoch ist die Landesfläche ähnlich groß, und die landwirtschaftliche Kapazität gilt als die mit Abstand größte weltweit, die noch lange nicht ausgereizt ist. Beim Einsatz transgenen Saatguts zeigt sich eine völlig andere Situation als in China. Die wichtigsten Ergebnisse sind hier:

Zu den sozioökonomischen Effekten gibt es bislang praktisch keine belastbaren Zahlen. HR-Pflanzen können Betriebskosten für die Unkrautbekämpfung fraglos reduzieren, allerdings ist die Höhe dieses Effekts sowie einer möglichen Gewinnsteigerung von der Betriebsart, den Saatgutpreisen und der Preisentwicklung des Produkts, z. B. Soja, abhängig. Eine zu starke Konzentration auf eine temporär besonders lukrative Anbaufrucht macht gerade kleine Betriebe besonders störanfällig (grundsätzlich natürlich unabhängig von der Art des Saatguts) für Nachfrageeinbrüche. Volkswirtschaftlich ist die Frage relevant, ob Brasilien im Rahmen einer Doppelstrategie noch für längere Zeit in größerem Umfang Soja und Mais zertifiziert gentechnikfrei produzieren und exportieren will.

Die Biosicherheitsgesetzgebung des Landes erscheint umfassend, ihre Anwendung (z. B. der Kennzeichnungsvorschriften) wird aber kontrovers beurteilt bzw. zum Teil stark kritisiert. Charakteristisch für die Entwicklung der Regulierung war und ist die stufenweise Legalisierung von GVO-Anbau und -Import durch Präsidialdekrete mit nachfolgender parlamentarischer Billigung.

Für die Zukunft wird erwartet, dass die Zahl der transgenen Sorten und die Größe der Produktionsflächen deutlich steigen werden. Insbesondere die Sojaflächen sollen u. a. für die Biodieselproduktion noch einmal enorm ausgedehnt werden. Auch im Zuge der Ausweitung des Zuckerrohranbaus (als Bioenergieträger) dürften transgene Sorten eingesetzt werden, sobald sie verfügbar und zugelassen sind. Der konventionelle Produktionssektor wird nach Ansicht Vieler auf Dauer ein Nischen- bzw. Spezialmarkt werden.

Von vielen Seiten werden Bedenken geäußert bezüglich der Monopolstellung der internationalen Biotechnologieunternehmen sowie Befürchtungen, dass einige landwirtschaftliche Sektoren, insbesondere der ökologische Landbau, Nachteile erleiden werden, wenn es keine Regulierungsvorgaben gibt, die eine echte Koexistenz gewährleisten können.

Costa Rica

Das nicht nur im Vergleich zu Brasilien und China kleine mittelamerikanische Land, das für lateinamerikanische Verhältnisse durch eine relativ umfassende demokratische Entwicklung und soziale Stabilität geprägt ist, steht für den Einsatz transgenen Saatguts und dessen Auswirkungen unter ganz anderen Bedingungen. Besonders markant erscheinen hier:

Durch diese spezielle Konstellation erscheint Costa Rica in mehrerer Hinsicht ein recht prägnantes Beispiel für viele von NGOs aus der Entwicklungszusammenarbeit geäußerte Bedenken gegen den Einsatz transgenen Saatguts in Entwicklungsländern: Der sozioökonomische Effekt für das Land scheint marginal gewesen zu sein, weil die eigentliche Wertschöpfung außer Landes erfolgte und in Costa Rica lediglich einige wenige unqualifizierte Arbeitsplätze entstanden. Das Geschäftsgebaren der internationalen Saatzuchtunternehmen war zumindest in einigen Fällen fragwürdig, wenn z.  B. in den »Herkunftsländern« (der GVP-Ent­wicklung) noch nicht zugelassene Linien in Costa Rica im Freiland getestet oder vermehrt werden durften, ohne dass eine umfassende und landesspezifische Risikobewertung und kompetente Überwachung durch die Regulierungsbehörden durchgeführt wurde.

Schwer zu beurteilen ist die Qualität der costaricanischen Erforschung und Entwicklung transgener Sorten, nicht nur bezüglich der erreichten Stadien, sondern insbesondere hinsichtlich der Angepasstheit und Zukunftspotenziale der Zielstellungen. Insgesamt zeigt sich die Notwendigkeit einer umfassenden Stärkung der landesinternen Kapazitäten bei Forschung, Entwicklung und Risikobewertung transgener Pflanzen. Das UNEP-GEF-Verfahren hat diverse Mängel deutlich gemacht, erkennbar ist aber nicht nur bei den gentechnikkritischen NGOs, sondern auch bei Teilen der zuständigen Behörden ein Bemühen um Verbesserung insbesondere von Kontrolle und Überwachung. Dennoch erscheint das Informationsverhalten der zuständigen Stellen unzureichend und die Teilhabe zivilgesellschaftlicher Gruppen zumindest aus deren Sicht unbefriedigend.

Chile

Auch in Chile ist ein Anbau zur Kommerzialisierung transgener Produkte im Land selbst nach wie vor nicht zulässig, sondern ausschließlich für die Saatguterprobung, -vermehrung und den anschließenden Export. Allerdings handelt es sich hierbei mittlerweile um ein auch volkswirtschaftlich durchaus relevantes Geschäftsfeld der überaus leistungsstarken chilenischen Landwirtschaft, dessen Umfang besonders stark seit 2005/2006 zunimmt. So erfolgte in der Anbauperiode 2007/2008 eine transgene Saatgutvermehrung auf über 25.000 ha, darunter zu über 80  % Mais. Überhaupt ist Mais die mit Abstand wichtigste konventionelle wie transgene Vermehrungskultur (ca. 50 % der Saatgutexporte 2007, die wiederum etwa 7,5 % des Gesamtwerts pflanzlicher Exportprodukte repräsentierten). Neben Saatgutproduktion und -export ist auch der Import mehrerer in den USA oder Europa zugelassener transgener Mais- und Sojasorten als Futtermittel erlaubt, die vor allem in der wachsenden Geflügel-, Schweine- und Lachszucht verwendet werden.

Unter den Saatguterzeugern in Chile finden sich u.  a. Monsanto, DuPont/Pioneer und Syngenta, die vorrangig Mais, Sonnenblumen und Sojabohnen vermehren. Bei den zur Vermehrung angebauten GVP handelt es sich v. a. um HR- und Bt-Sorten. Ähnlich wie in Costa Rica findet eine Saatgutvermehrung auch als Dienstleistung für ausländische Firmen oder Forschungsinstitute während der Entwicklungs- und Erprobungsphase statt. Unter den transgenen Eigenschaften finden sich einige Beispiele für weitere biotische und abiotische Resistenzen bzw. Toleranzen sowie für sogenannte »plant made pharmaceuticals«.

Die landeseigene Forschung an transgenem Saatgut erscheint durchaus vielfältig, allerdings mit sehr begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen ausgestattet, zum überwiegenden Teil auf Universitäten beschränkt und in nach wie vor frühen Stadien. Geforscht wird zu einem großen Teil an landesspezifischen Problemstellungen bei für Chile wichtigen Kulturpflanzen, darunter Trockenheits-, Salz- und Kältetoleranz, Krankheits- und Schädlingsresistenz sowie Verlängerung der Haltbarkeit von Früchten für den langen Transport auf dem Seeweg in die Absatzländer.

Ein umfassendes Gentechnikgesetz gibt es nach wie vor nicht, jedoch eine Reihe einschlägiger Dekrete und Verordnungen. Eine Kennzeichnungspflicht transgener Lebensmittelbestandteile gilt nur, wenn diese als substanziell andersartig eingeschätzt würden, was bisher weltweit auf keine zugelassene transgene Lebensmittelpflanze zutrifft. Größere Kapazitäten für eine eigenständige Risikobewertung wurden bislang nicht etabliert. Im parlamentarischen Verfahren befinden sich verschiedene Gesetzentwürfe zur Biotechnologie und zur Biosicherheit. Erwartet wird, dass ein zukünftiges Rahmengesetz zur biologischen Sicherheit unter der jetzigen Regierung nicht allzu restriktiv ausfallen dürfte. Bemängelt werden von gentechnikkritischen NGOs grundsätzlich die schwach entwickelte Gesetzgebung, zu geringe Kontrollkapazitäten sowie eine ungenügende Informationsbereitschaft gegenüber der Bevölkerung. Es ist anzunehmen, dass die Kontrolle der Sicherheitsauflagen bei der GVP-Vermehrung fundierter erfolgt als in Costa Rica. Hierfür sprechen die größere ökonomische Bedeutung des Geschäftsfeldes Saatgutvermehrung sowie der hohe Organisationsgrad der Vereinigung der chilenischen Saatgutanbauer.

Verglichen mit Brasilien und Costa Rica erscheint die gesellschaftliche Debatte zwar in ihrer Grundstruktur nicht weniger kontrovers, aber nicht so prominent bzw. vernehmlich. Gegen einen Anbau transgener Sorten sind die ökologisch anbauenden Landwirte und zum überwiegenden Teil die Vertreter von Kleinbauern und indigenen Gruppen. Die konventionellen Landwirtschaftsverbände sind hin- und hergerissen zwischen der Befürwortung einer Zulassung aus Effizienzgründen und der Befürchtung, bei einer weiter gehenden Öffnung gegenüber dem Anbau transgener Pflanzen möglicherweise Nachteile beim Export landwirtschaftlicher Produkte erleiden zu müssen.

Diskussion der Fallstudienergebnisse: Der mögliche Beitrag transgenen Saatguts zu einer nachhaltigen Entwicklung

Forschung und Entwicklung: Kapazitäts- und Zugangsprobleme

Eine erfolgreiche nationale Eigenentwicklung transgener Sorten ist nur bei erheblicher wirtschaftlicher Potenz und umfassenden Forschungskapazitäten realistisch – unter den Beispielländern ist dies nur in China der Fall. Hinzu kommen hier als begünstigender Faktor die besonders großen Steuerungsmöglichkeiten des autoritären Staates. In den anderen Ländern werden Forschung und Entwicklung zum Teil stark von internationalen Firmen dominiert (Brasilien) oder der Umfang der Aktivitäten und Kapazitäten erscheint begrenzt (Costa Rica und Chile). Wichtige Hemmnisse und Schranken sind die Patentierung vieler Verfahren und Produkte (dazu noch in der Hand weniger großer Unternehmen) sowie die zum Teil unklare Regulierungslage, welche die Erfolgsaussichten eines FuE-Engagements schwer kalkulierbar machen.

Insbesondere in kleinen oder armen Ländern sind die wissenschaftlichen und infrastrukturellen Kapazitäten für eine eigenständige landwirtschaftliche Forschung im Allgemeinen und zu gentechnologischer Entwicklung im Speziellen unzureichend. Daher muss in den betreffenden Ländern geklärt werden, welche Art der Kooperation (mit privaten Firmen, internationalen Institutionen/Organi­sationen, öffentlicher FuE in Industrieländern) bei der Suche nach bestmöglichen Lösungen für landesspezifische Problemstellungen besonders erfolgversprechend und wünschenswert ist. Eine Beteiligung von Kleinbauernvertretern und anderen sozialen Gruppen bei der Formulierung von Forschungsbedarf und der Suche nach neuen (technologischen) landwirtschaftlichen Strategien ist bislang meist gering entwickelt.

Grundsätzlich fehlt in den meisten Ländern ein klares und praktikables Konzept, eine wissenschaftliche, gesellschaftliche und politische Verständigung über die Ziele, Strategien und Wege einer nachhaltigen Landwirtschaft in Gang zu bringen – dies trifft allerdings auch auf die Industrieländer zu.

Bisherige ökonomische Resultate: SChwache Datenlage

Eine abschließende Bewertung der betriebs- und volkswirtschaftlichen Höhe und Verteilung der Gewinne, die durch den Anbau transgener Pflanzen in Entwicklungs- und Schwellenländern erzielt worden sind, ist aufgrund unzureichender Daten derzeit nicht möglich. Studien, die beanspruchen, dies leisten zu können, sind wissenschaftlich nicht untermauert und basieren auf nichtbelastbaren Hochrechnungen. Auch die Fallstudien zu China und Brasilien konnten hier keine Abhilfe schaffen: Die bisher publizierten Untersuchungen zu den ökonomischen Ergebnissen des Bt-Baumwollanbaus in China basieren auf Daten aus wenigen Jahren von wenigen Hundert ha (bei einer Gesamtanbaufläche von 5,5 Mio. ha) und zeigen enorme Schwankungen; und zu Brasilien existieren überhaupt keine Veröffentlichungen zu Anbauergebnissen, sondern lediglich Schätzungen. Unumstritten ist, dass insbesondere in China und Indien, aber auch auf den Philippinen und in Südafrika die transgenen Sorten überwiegend von kleinen und mittleren Betrieben angebaut werden. Diese Beobachtung lässt aber keine Schlüsse auf Anbauergebnisse oder über Gewinnhöhe und ‑verteilung zu.

Seriöse wissenschaftliche Übersichtsstudien verweisen auf das grundsätzliche Problem, dass der tatsächliche bzw. mögliche Nutzen und Gewinn aus der Verwendung transgenen Saatguts in vielfacher Weise durch regionale und betriebliche Faktoren beeinflusst wird, u. a. durch die vorhandene bzw. vorher verwendete Anbautechnik, die Schädlingsintensität, den stark schwankenden Saatgutpreis, die Konkurrenzsorten u. v.  m. Es ist zwar möglich, durch Einzelfallbetrachtungen unter umfassender Berücksichtigung der spezifischen Bedingungen sowie im Vergleich mit sorten- und anbautechnischen Alternativen quantitativ zu ermitteln, wie sich der Anbau einer bestimmten (transgenen) Pflanzensorte unter bestimmten Bedingungen in einem definierten Zeitraum entwickelt hat und welche ökonomischen (und ökologischen) Implikationen dabei aufgetreten sind. Der Einfluss einzelner Faktoren, z. B. des gentechnisch übertragenen Merkmals, auf die einzelnen Effekte und den Gesamtertrag wird aber in den meisten Fällen nicht exakt zu bestimmen sein. Deshalb ist nicht zu erwarten, dass methodisch verbesserte ökonomische Untersuchungen die fundamentalen Kontroversen über die Potenziale der Grünen Gentechnik substanziell entschärfen können.

Sozioökonomische Aspekte und Fragen der Teilhabe

Weitere sozioökonomische Folgen einer verbreiteten Nutzung transgener Sorten sind auf zwei Ebenen zu beobachten: dem Saatgutmarkt (einschließlich der Ausgestaltung der Schutzsysteme für geistiges Eigentum) sowie den agrarstrukturellen Gegebenheiten wie Betriebsgrößen und Eigentumsverhältnissen. Angesichts der teils monopolartigen Machtstellung der großen Biotechsaatgutunternehmen im Bereich transgener Sorten, die zum Teil auf wenig entwickelte, dezentrale Saatgutmärkte trifft, ergeben sich drängende Fragen zu den Möglichkeiten einer Steuerung der weiteren Entwicklung.

Kritiker der Verbreitung der HR-Soja in Brasilien gehen beispielsweise davon aus, dass ein möglicher ökonomischer Vorteil nicht den landwirtschaftlichen Familienbetrieben und traditionellen Erzeugergemeinschaften zugute komme. Diese seien vielmehr im Zuge der immer stärkeren Weltmarktorientierung der brasilianischen Landwirtschaft, die von der Verbreitung der HR-Soja weiter befeuert werde, zunehmend der Gefahr der Marginalisierung ausgesetzt. Nutznießer in der Landwirtschaft seien Großbauern und Genossenschaften, eindeutige Verlierer seien die Anbieter explizit gentechnikfreier Ware, darunter die ökologisch anbauenden Landwirte, deren Markt durch das Risiko der Kontamination mit transgener Soja gefährdet werde. Darüber hinaus ist im brasilianischen Sojaanbau ein negativer Einfluss durch die Dominanz der HR-Soja von Monsanto auf die Zahl der kleinen und mittleren Saatgutproduzenten und deren Sortenangebot erkennbar.

Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe stellen sich in praktisch allen Teilbereichen der Entwicklung und Nutzung transgenen Saatguts: bei der Frage nach der Zielsetzung und der Ausgestaltung der FuE-Agenda der Länder, der Suche und Einigung über ein Nachhaltigkeitskonzept, der Verteilung der ökonomischen Vorteile und auch bei der Frage nach dem Umgang mit möglichen Risiken. Insbesondere die Fallstudien zu Brasilien und Costa Rica machen deutlich, dass die heftigen Kontroversen in diesen Ländern ganz zentral um die Themen Teilhabe und Sozialverträglichkeit kreisen und nicht vorrangig um »technisch-naturwissen­schaftliche« Fragen von »biologischer Sicherheit«. Doch nicht nur im Bereich der Forschung, sondern auch bei der Risikoregulierung stellt eine Beteiligung von Interessengruppen außerhalb von Industrie und Wissenschaft nach wie vor eher ein Desiderat dar, das aber auch in der EU nach wie vor stark umstritten ist.

Risiken – Bewertung und Regulierung

Eine Bewertung der möglichen Risiken ebenso wie von tatsächlich beobachteten negativen Effekten der Nutzung transgener Sorten ist entscheidend abhängig vom gewählten Vergleichsmaßstab sowie den betrachteten Wirkungsebenen. Deshalb erscheinen sowohl eine unrelativierte (also ohne Vergleich mit der bisherigen bzw. sonstigen landwirtschaftlichen Praxis) als auch eine zu stark fokussierte Risikoanalyse (auf naturwissenschaftlich oder agrarökonomisch unzweifelhaft bewiesene Effekte) unangemessen.

Bei einer Betrachtung von Bt-Sorten als eine mögliche Option des Pflanzenschutzes – aber nicht als unbegrenzt nutzbare Lösung der Schädlingsproblematik –, die seriös gegen andere Optionen abgewogen werden muss, relativieren sich viele der in der Debatte angeführten besonderen Risiken (Wirkung auf Nichtzielorganismen, sonstige Ökotoxizität, Resistenzproblematik). Gleichzeitig ist zu fordern, dass als Vergleichsmaßstab für Bt-Sorten nicht nur die konventionelle Praxis, sondern andere innovative, wissensbasierte Optionen, z. 0pt'> B. aus dem Bereich des integrierten Pflanzenschutzes und des ökologischen Landbaus, herangezogen werden sollten.

Eine Risikobewertung von HR-Sorten erscheint noch komplexer, weil von ihrem Einsatz vielfältige und indirekte Effekte auf die Anbautechnik (Reduzierung der Bodenbearbeitung, Treibstoffeinsparung) und die Landnutzung (Fruchtfolgen, Flächenausdehnung) ausgehen. Diese müssten im Rahmen einer umfassenden Risikoabschätzung und -bewertung zusätzlich zu den »unmittelbaren« Wirkungen der verwendeten und der eingesparten Herbizide auf Mensch und Umwelt betrachtet und gegen diese abgewogen werden. Für eine Bewertung auf überbetrieblicher Ebene wäre dann eine Gewichtung nötig, welche Schutzgüter (z. B. Gesundheit, Bodenfruchtbarkeit, biologische Vielfalt, CO2-Ausstoß, ländliche Entwicklung, Ressourcenverteilung) Priorität haben (was wiederum nur aus den Entwicklungszielen einer Region oder eines Landes abgeleitet werden kann) und welchen Beitrag gentechnisch veränderte Sorten im Vergleich zu alternativen Optionen hierzu leisten können.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die übermäßige Nutzung einer Option, d. h. hier die flächen- und fruchtfolgenbezogene Konzentration auf eine oder wenige Anbaukulturen, gegen die Prinzipien guter fachlicher Praxis der Landwirtschaft verstößt und auf Dauer große Probleme schafft.

Mit Blick auf die biologische Vielfalt als übergeordnetes ökologisches Schutzgut gelten zwei Wirkungsketten transgener Sorten als besonders relevant: zum einen die Beeinflussung der Landsortenvielfalt (und sonstiger Agrobiodiversität) als Folge veränderter Anbautechnik und von Entwicklungen in den Saatgutmärkten und zum anderen der mögliche Einfluss einer Auskreuzung in natürliche bzw. konventionelle Bestände, insbesondere in den sog. Zentren der Vielfalt. Auch wenn das Wissen hierzu immer noch sehr begrenzt ist, besteht weitgehender Konsens darüber, dass eine unkontrollierte Transgenverbreitung unterbunden werden sollte, wofür die Maßnahmen in vielen Ländern nicht ausreichend sind.

Im Bereich der Risikoregulierung gelten in vielen Ländern die Regelungsstrategien und Regelwerke nach wie vor als mangelhaft, oder sie fehlen ganz. China und Brasilien haben seit Langem umfassende Vorschriften zum Umgang mit GVO, in Costa Rica und Chile sind entsprechende Gesetzentwürfe noch im parlamentarischen Verfahren. Wie effizient und umfassend die Umsetzung und Kontrolle der Vorschriften in China erfolgen, kann nicht verlässlich eingeschätzt werden, die Ressourcen wären zweifellos vorhanden. Das Beispiel Brasilien zeigt jedoch, dass auch eine entwickelte Gesetzgebung wenig nützt, wenn die politischen und ökonomischen Machtverhältnisse einer Anwendung entgegenstehen.

Das Beispiel Brasilien zeigt darüber hinaus, dass es auch bei vorhandenen umfassenden wissenschaftlichen, institutionellen und infrastrukturellen Kapazitäten einen Disput geben kann über das Ob und das Wie einer eigenen, tiefer gehenden landesspezifischen Risikobewertung transgener Sorten, wenn diese bereits in anderen Ländern zugelassen sind – eine auch in Europa kontrovers diskutierte Frage. Kleinere und arme Entwicklungsländer sind hiermit oft überfordert. Deshalb wäre eine Unterstützung bei der Entwicklung von Kriterien und Verfahren der Entscheidungsfindung darüber sinnvoll, welche Aspekte landes- bzw. regionenspezifisch zu untersuchen sind.

Schließlich ist festzuhalten, dass selbst dort, wo die gesellschaftliche Auseinandersetzung über die Nutzung transgenen Saatguts sehr intensiv geführt wird, eine umfassende Risikokommunikation vonseiten der Behörden meist wenig entwickelt ist.

Handlungsperspektiven

Zwei Aufgaben beim Umgang mit dem Einsatz transgenen Saatguts im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sind perspektivisch von besonderer Bedeutung: die (kontinuierliche) Aufgabe einer Förderung von Kapazitäten und Rahmenbedingungen im Bereich Biosicherheit und Regulierung sowie die Beantwortung der zentralen Frage, wie ein mögliches zukünftiges Potenzial transgener Züchtungsansätze für Entwicklungs- und Schwellenländer besser als bisher eruiert und genutzt werden könnte.

Förderung von Kapazitäten und Rahmenbedingungen im Bereich Biosicherheit und Regulierung

Wie die Projektergebnisse zeigen, sind nach »strengen« deutschen bzw. europäischen Maßstäben die wissenschaftlichen und regulativen Voraussetzungen in den meisten Entwicklungsländern immer noch nicht und selbst in weit entwickelten Schwellenländern nicht umfassend gegeben. Dies rechtfertigt die bisherige Konzentration der deutschen Entwicklungszusammenarbeit auf das »capacity building« im Bereich der biologischen Sicherheit im Sinne bzw. zur Umsetzung des Cartagena-Protokolls. Eine solche Unterstützung erscheint angesichts dessen, dass GVP in wachsendem Umfang angebaut werden und kontinuierlich, z. T. auf unkontrollierten Wegen in immer mehr Länder vordringen, sinnvoll und notwendig.

Drei Aspekte des Themenbereichs biologische Sicherheit und Regulierung dürften von besonderer zukünftiger Bedeutung für Entwicklungsländer sein (bzw. bleiben) und sind daher Aufgabenfelder für eine intensive Zusammenarbeit:

Über diese konkreten Aufgaben im Themenbereich biologische Sicherheit und Regulierung hinaus wäre es für viele Länder eine wichtige Zukunftsaufgabe, eine bessere Fundierung und Rahmung der Risikobewertung durch eine grundsätzliche Verständigung über die Ziele, Strategien und Wege einer nachhaltigen Landwirtschaft zu erreichen.

Grüne Gentechnik als landwirtschaftliche Zukunftsoption?

Die im Frühjahr 2008 aufgeflammte Debatte über die Zukunft der weltweiten Landwirtschaft bzw. über Ziele, Wege und Prioritäten der zukünftigen Nutzung der natürlichen Ressourcen insgesamt hat auch die Frage nach den Potenzialen der (Grünen) Gentechnik neu auf die Tagesordnung gesetzt (v.  a. durch Berichte der Weltbank und des IAASTD). Der vorliegende Bericht konzentriert sich auf die Frage, welchen Stellenwert transgene Züchtungsansätze für Entwicklungs- und Schwellenländer in Zukunft haben könnten und ob im Rahmen einer Entwicklungszusammenarbeit i. S.eine Neubewertung der Grünen Gentechnik nötig ist.

Einiges spricht dafür, dass es für eine Bewertung des zukünftigen Problemlösungspotenzials gentechnischer Züchtungsansätze nicht ausreicht, vorhandene Entwicklungen zu betrachten, weil die kommerziell verfügbaren und zumindest auch die in fortgeschrittener Entwicklung befindlichen transgenen Pflanzensorten nur einen beschränkten Ausschnitt repräsentieren. Die Erforschung gentechnischer Züchtungsansätze erfolgt zwar dezentral auch in öffentlich finanzierten Einrichtungen sowie in kleineren Firmen, die eigentliche Entwicklung von GVP erfolgt jedoch ganz überwiegend durch wenige große Saatgutunternehmen, von denen viele der bedeutendsten, allen voran Monsanto, aber auch DuPont/Pioneer, Syngenta, Bayer CropScience und BASF, auch wichtige Agrochemikalienproduzenten sind. In Verbindung mit der (im Wortsinn) exklusiven Bedeutung patentgeschützter Verfahren in der Pflanzengentechnik ist es daher mehr als naheliegend, dass die auf dem Markt verfügbaren GVP diejenigen repräsentieren, die am besten in das Portfolio dieser Firmen passen, und bei Weitem nicht all diejenigen, die potenziell auf den Saatgutmärkten erfolgreich sein könnten. Eine Fortschreibung der bisherigen Entwicklung lässt eine mindestens gleichbleibende, vermutlich sogar noch wachsende Dominanz dieser wenigen, großen Biotechsaatgutfirmen erwarten, die natürlich ein vorrangiges Interesse an erfolgreichen, gewinnbringenden Sorten haben, deren transgene Eigenschaften möglichst lange bei möglichst vielen Anwendern ihre Funktion erfüllen. Einer Diversifizierung sind unter den Bedingungen des Weltagrarmarktes relativ enge ökonomische Grenzen gesetzt, sodass eine spezielle Sortenentwicklung z. B. für arme Entwicklungsländer oder Regionen von den Firmen aus eigenem Antrieb realistischerweise nicht erwartet werden kann.

Viele Befürworter der Grünen Gentechnik sehen neben der Firmeninteressen- und Patentschutzproblematik weitere wichtige Gründe für die geringe Zahl entwicklungsländerspezifischer Sorten in der – nach ihrer Ansicht übertrieben strengen – Regulierung sowie den Kampagnen der Gegner. Doch unabhängig davon, welche Faktoren dominieren – fest steht: Die Entwicklung einer marktfähigen transgenen Sorte ist langwierig, aufwendig und teuer und kann daher von öffentlichen Institutionen, auf jeden Fall in kleineren Ländern, oder von kleineren Firmen nicht geleistet werden. Auch aus den Aktivitäten der IARC sind bislang keine transgenen Sortenentwicklungen hervorgegangen. Aus der Nichtanwesenheit angepasster Sorten kann aber seriös nicht geschlossen werden, dass die Gentechnik in der Pflanzenzucht für Entwicklungsländer prinzipiell ungeeignet ist.

Insgesamt herrscht auch 25 Jahre nach Entwicklung der ersten transgenen Pflanze und nach zwölf Jahren des großflächigeren Einsatzes von transgenem Saatgut eine große Unsicherheit,

Wie bei anderen Technologieanwendungen auch, sind Fragen wie diese oftmals nicht eindeutig und abschließend zu beantworten. Zudem finden Entwicklung und Anwendung transgener Sorten im Kontext eines so komplexen, multifaktoriellen Wirkungsgefüges statt, dass eine kausalitätsorientierte Folgenanalyse nur wenig erklärenden Wert haben kann. Die Komplexität der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Aus- bzw. Wechselwirkungen hat zur Folge, dass eine technologiefixierte Bewertung (»Chancen und Risiken der Grünen Gentechnik«) angesichts der großen Interessen- und Zielkonflikte verschiedener gesellschaftlicher Gruppen realistischerweise nicht der Schlüssel zu einer übergreifenden Verständigung sein kann. Die Projektergebnisse verdeutlichen schließlich, dass ökologische und gesundheitliche Auswirkungen gar nicht so sehr im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen über den Einsatz transgenen Saatguts stehen, sondern letztlich vor allem die sozioökonomischen Konsequenzen sowie Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe und des Interessenausgleichs.

In der Summe spricht dies stark für eine Hinwendung zu einer ernsthaft problem(lösungs)orientierten Herangehensweise bei der Suche nach zukunftsfähigen Agrartechnologien und Bewirtschaftungsweisen. Mit Blick auf transgene Pflanzen bedeutet dies, im Rahmen einer Prüfung gentechnische Optionen ohne Vorab­festlegung zu prüfen. So wäre mit Bezug auf die Folgen des Klimawandels und Probleme der Wasserverfügbarkeit oder sonstige Stressfaktoren zunächst einmal nach den vorhandenen und absehbaren landwirtschaftlichen Herausforderungen insgesamt zu fragen und erst dann nach Wegen einer möglichen bzw. nötigen Anpassung der Anbaumethoden. Dabei wird man in Teilfragen zum Beitrag der Pflanzenzucht gelangen, und erst dann lassen sich sinnvoll Optionen der Grünen Gentechnik prüfen. Analoges gilt für das Problem der Mikronährstoffdefizite und vieles andere mehr. Selbstverständlich entbindet dies nicht von einer Berücksichtigung technikspezifischer Dimensionen (z.  B. der höheren Anforderungen an Maßnahmen zur Gewährleistung der biologischen Sicherheit) – dies muss Teil des Abwägungsprozesses sein.

Die aktuellen Rahmenbedingungen dürften so gut wie lange nicht mehr für ernsthafte Verständigungsversuche sein: Die jüngsten Entwicklungen auf den weltweiten Märkten für landwirtschaftliche Produkte, für Lebensmittel, Bioenergie und sonstige nachwachsende Rohstoffe haben für eine neue Dynamik und Brisanz der Frage gesorgt, wie die weltweite Landwirtschaft in Zukunft nachhaltiger als bislang gestaltet und betrieben werden kann. Eine Mobilisierung deutlich größerer Finanzmittel zur Erforschung der wissenschaftlichen und technologischen Optionen als in der Vergangenheit wurde zumindest angekündigt und kann wohl auch erwartet werden. Im Licht dieser Tendenzen erscheint ein erneuter Anlauf bei der Suche nach einem pragmatischen (Teil-)Konsens zur Grünen Gentechnik und ihrem Stellenwert in der Entwicklungszusammenarbeit nicht von vorneherein aussichtslos

 

Erstellt am: 24.04.2009 - Kommentare an: webmaster