Armin Grunwald

Technik und Politikberatung

Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 2008, Reihe: suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1901, ISBN 978-3-518-29501-4, 403 Seiten, Broschur 14.00 Euro
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VORWORT

Der technische Fortschritt bringt gesellschaftliche und politische Gestaltungsaufgaben besonderen Formats mit sich. Die vielfach erkannten Ambivalenzen von Technik, das Auftreten nichtintendierter, häufig aber weitreichender Folgen, gesellschaftliche Konflikte um Technik, die Forderung nach nachhaltiger Entwicklung sowie grundsätzliche Fragen nach der Reichweite menschlicher Eingriffe in die natürliche Umwelt und in seinen eigenen Körper und Geist machen deutlich, dass die Gestaltung der zukünftigen technischen Entwicklung erheblicher Anstrengungen bedarf.

Entscheidungen über Technik werden in vielen Teilbereichen der Gesellschaft getroffen: in den Wissenschaften durch die Festlegung der Forschungsrichtungen, in Wirtschaft und Arbeitswelt, auf den Märkten im Wechselspiel von Angebot und Nachfrage, begleitet von den Massenmedien, all dies regional, national und international - und im politischen System. Nur im politischen Systemkönnen für die Gesellschaft insgesamt verbindliche Entscheidungen getroffen werden. Geht es um Zukunftsfragen des technischen Fortschritts, steht damit die Politik in einer besonderen Verantwortung - Politik in Gestalt demokratischer Institutionen, aber auch als politische Kommunikation in einer demokratischen Öffentlichkeit.

Zur Wahrnehmung dieser Verantwortung sind Gesellschaft und Politik auf wissenschaftlichen Rat angewiesen. Zu den Aufgaben der Politikberatung gehören, Technikfolgen und Technikkonflikte frühzeitig zu erkennen, komplexe Abwägungen zu Chancen und Risiken durchzuführen und die Kriterien hierfür zu explizieren, unterbelichteten oder übersehenen Perspektiven nachzugehen, Suchräume nach alternativen Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen und zu einem rationalen Umgang mit den dabei unvermeidlichen Unsicherheiten des Wissens aufzuzeigen. Dabei geht es grundsätzlich sowohl um Informierung als auch um Orientierung gesellschaftlicher Meinungsbildung und politischer Entscheidung.

In diesem Buch geht es speziell um philosophische Perspektiven in den konkreten Fragen der Technik wie z. B. zur zukünftigen Energieversorgung, zur Raumfahrt oder zur technischen Aufrüstung des menschlichen Körpers. Der Philosophie kommt in der gesellschaftlichen Technikgestaltung und der diesbezüglichen Politikberatung, wie sollte es anders sein, eine vor allem aufklärende Funktion zu. Das Hauptanliegen des Buches ist, die Relevanz dieser aufklärenden Funktion in der Gestaltung des technischen Fortschritts herauszuarbeiten und sie an Beispielen aus konkreten Technikfeldern und entsprechenden gesellschaftlichen Debatten zu verdeutlichen. Sichtbar werden hier Verbindungen von Theorie und Praxis, von Reflexion und Entscheidung, von empirischem Wissen und normativer Orientierung. In der Komplexität des technischen Fortschritts und seiner Gestaltung, an der viele Akteure, Disziplinen und gesellschaftliche Teilbereiche beteiligt sind, kommt der Philosophie sicher nur eine bescheidene Rolle zu. In dieser Bescheidenheit ist allerdings darauf zu bestehen, dass diese Rolle ausgefüllt wird, als Selbstverpflichtung der Philosophie zur Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, aber auch als Anspruch nach außen, sollen nicht Rationalitäts- und Reflexionspotentiale ungenutzt bleiben.

Die vorliegende Aufsatzsammlung besteht zum Teil aus bereits an anderer, häufig schlecht zugänglicher Stelle publizierten und teils überarbeiteten Aufsätzen des Autors sowie aus einer Reihe von Originalbeiträgen. Ihnen gemeinsam ist die Verbindung konkreter Fragen wissenschaftlicher Politikberatung mit einer philosophischen Perspektive auf den technischen Fortschritt. Zu einem großen Teil verdanken sich die Themen konkreten Vorhaben wissenschaftlicher Politikberatung für den Deutschen Bundestag oder für Regierungsinstitutionen, an denen der Autor beteiligt war.

Die in diesem Band versammelten Analysen sind zu einem Teil das Ergebnis eigener Überlegungen, aber zu einem großen Anteil nicht denkbar ohne eine Vielzahl interdisziplinärer Diskussionen und teils langjähriger Kooperationen. Allen Beteiligten sei, ohne dass hier eine Nennung einzelner Namen möglich wäre, herzlich gedankt, voran meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des Forschungszentrums Karlsruhe und im Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag, aber auch vielen externen Diskussionspartnern. Namentlich herausheben möchte ich an dieser Stelle Gotthard Bechmann, Carl Friedrich Gethmann und Peter Janich, die seit über fünfzehn Jahren meinen Weg in diesem Feld auf je verschiedene Weise anregend und kritisch begleitet haben.

Karlsruhe, im April 2008

Armin Grunwald

 

Erstellt am: 06.11.2008 - Kommentare an: webmaster