Gerhard Banse, Herbert Hörz, Heinz Liebscher

Von Aufklärung bis Zweifel
Beiträge zu Philosophie, Geschichte und Philosophiegeschichte. Festschrift für Siegfried Wollgast

Berlin: trafo verlag 2008, Abhandlungen der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften, Band 25, ISBN 978-3-89626-655-2, 483 Seiten, Paperback 42.80 Euro
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VORWORT DER HERAUSGEBER

Wer sich mit der Geschichte philosophischen Denkens in der Frühen Neuzeit befasst, kann an den exzellenten Arbeiten von Siegfried Wollgast zu Problemen und Personen dieser Zeit nicht vorbeigehen. Sie befassen sich mit einer kulturellen Traditionslinie, die in aktuellen Debatten immer wieder, von manchen unbemerkt, aufscheint. Das hat er generell und im Detail in seinen Publikationen nachgewiesen. Unermüdlich forscht und lehrt der Philosophiehistoriker seit Jahrzehnten. Nun feiert er seinen 75. Geburtstag. Das ist Anlass für die Herausgeber, die alle mit ihm zusammengearbeitet haben und weiter engen Kontakt mit ihm pflegen, ihm diese Festschrift zu widmen. Das Thema "Von Aufklärung bis Zweifel" benennt zum einen das Spezialgebiet des Jubilars, die historischen Wurzeln der Aufklärung aufzudecken, und zeigt zum anderen die Wirkungsbreite seiner Forschungen auf dem Gebiet der Philosophie, Geschichte und Philosophiegeschichte. Zwar ist er in erster Linie Philosophiehistoriker und beschäftigt sich vor allem mit der Philosophiegeschichte des Mittelalters und der Frühaufklärung, doch seine Arbeiten greifen weiter. Was zeichnet sie besonders aus:

Erstens: Wer mit dem Jubilar zu tun hat, wird immer wieder durch sein enzyklopädisches Wissen über Kultur- und Philosophiegeschichte beeindruckt. Kaum wird ein Problem, sei es historisch oder aktuell, angesprochen, verdeutlicht er mit Hinweisen auf bedeutende Denker, kulturelle Leistungen und Bibelzitate dessen Geschichte und regt damit Lösungen an. Er betont und belegt stets, dass die Aufklärung auch eine religiöse Wurzel hat. Es geht ihm nicht um festgefügte Meinungen, sondern um eine tiefere Problemsicht. Es ist der Zweifel an Vorurteilen, an dogmatisch verfestigten Einschätzungen, den er wecken will. So bewegen sich seine Forschungen und seine Vorträge zwischen Aufklärung und Zweifel.

Zweitens: Mit seiner Akribie, dem exakten Nachweis von Literatur, der genauen Angabe von Quellen, einschließlich der Lebensdaten behandelter Personen, die er als Maßstab an seine Arbeiten ebenso anlegt, wie an die von ihm herausgegebenen Schriften, hat er schon manchen Autor überrascht. Oberflächlichkeit ist ihm fremd, Quellensuche ein Bedürfnis. Vor allem wehrt er sich dagegen, nur das als existierend anzusehen, was bisher im Internet vorkommt. Seine Erfahrungen mit Jung"wissenschaftlern", die meinen, bestimmte historische Arbeiten für die Geschichte des Denkens vernachlässigen zu können, lassen ihn feststellen: "Eine solche despektierliche Wertung sieht nicht den untrennbaren Zusammenhang von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie negiert den Respekt des Wissenschaftlers vor der Vergangenheit. Doch diese Haltung nimmt zu!"[1]  Ihm geht es um solide historische Aufarbeitung der Wurzeln unseres heutigen Denkens und Handelns. Er betont "in der Philosophiegeschichte die Kleinarbeit, vornehmlich den historischen, nicht den systematischen Aspekt".[2] 

Drittens: Geschichte ist ihm kein Selbstzweck. Er will ihre Aktualität herausfinden und äußert sich deshalb zu Gegenwartsproblemen mit Hinweisen auf ihre Geschichte. Das wird in den "Gesammelten Aufsätzen" deutlich, die aus den letzten fünfzehn Jahren stammen und sich brennend aktuellen Themen, wie dem Patriotismus, der Rolle von Utopien und der wechselhaften Geschichte von Toleranzbestrebungen in ihrer aktuellen Ausprägung zuwenden. Zu seinen Studien, die sich mit Themen der aktuellen Gegenwarts- und Zukunftsgestaltung befassen, betont er: "Auch sie basieren auf der Philosophiegeschichte, die stets meine wissenschaftliche Heimstatt war."[3]  Er geht eben aktuellen Auseinandersetzungen an die historische Wurzel. Das erweitert die Problemsicht.

Viertens: Nicht unerwähnt bleiben soll der kritische Geist, der unseren Jubilar beseelt und mit dem er auf fehlerhafte Analysen, einseitige Einschätzungen und unhistorische Betrachtungen aufmerksam macht. Sein Auftreten belebt die Diskussion und zwingt denjenigen, der angesprochen ist, sich mit den konstruktiven Hinweisen auseinanderzusetzen. Doch die Kritik richtet sich nicht nur gegen andere. Sie ist mit selbstkritischen Hinweisen verbunden. So betont er: "Wenn man geistig arbeitet, weiß man, dass die Welt nie fertig ist. Auch ein Weltbild ist nie fertig! Es muss zudem auf die jeweiligen Verhältnisse angewandt und damit als richtig erwiesen werden. Manches, was ich vor 40 Jahren geschrieben oder gesagt habe, ist heute nicht mehr vertretbar! Auch wenn meine Grundposition gleich geblieben ist, verlangt sie doch Anwendung auf, Beachtung von bestehenden Verhältnissen!"[4]  Unser Jubilar ist kein Opportunist, der sich gegebenen Verhältnissen einfach anpasst oder dem Zeitgeist beugt. Er steht nicht nur zu seiner Biografie, sondern auch zu den erarbeiteten prinzipiellen Erkenntnissen, die weiter Bestand haben und haben werden. Jüngeren, die sich mit Philosophiegeschichte befassen, sind deshalb die Arbeiten unseres Jubilars zur Lektüre und Weiterentwicklung empfohlen.

Die Herausgeber schätzen diese Haltung und Arbeitsweise. Sie danken ihm mit dieser Schrift für viele Anregungen, die sie selbst von ihm erhalten haben. Einer kennt ihn seit dem gemeinsamen Studium in Jena. Die Verbindung riss nie ab. Es war und ist stets ein fruchtbares Miteinander zwischen dem Philosophiehistoriker und dem philosophischen Systematiker. Mit einem anderen der Herausgeber hat sich der Jubilar vor allem mit der Technikphilosophie befasst. Gemeinsam wirken sie nun auf interessanten Veranstaltungen, auf denen das umfangreiche Wissen des Jubilars dankend aufgenommen wird. Dieser Herausgeber ist zugleich der Initiator der Ehrung für den Jubilar. Er übernahm die nicht einfachen Absprachen mit den Autoren, die Klärung offener Probleme und den gesamten Schriftverkehr bis zur Publikationsreife, einschließlich der Verhandlungen mit dem Verlag. Die akribische Arbeit an Texten und deren inhaltlicher Gestaltung verband schon seit der gemeinsamen Redaktion des Wörterbuchs "Philosophie und Naturwissenschaften" in einer seiner späteren Auflagen den von uns zu Ehrenden mit dem dritten Herausgeber, der auch diesmal wieder eine umfangreiche Redaktionsarbeit zu leisten hatte. Ihm kommen seine Fertigkeiten im Umgang mit den qualitativ neuen elektronischen Medien zugute. Für alle Herausgeber gilt: Uns verbindet neben der Würdigung der fachlichen Kompetenz des Jubilars vor allem eine Freundschaft, die sich auch in schwierigen Zeiten bewährt hat.

Der Gedanke einer Ehrung der umfangreichen wissenschaftlichen Leistungen durch eine Festschrift schwebte uns schon lange vor. Nun bietet der 75. Geburtstag Anlass dazu. Im Mittelpunkt steht die immer wieder interessante Behandlung der Aufklärung in ihren historischen und aktuellen Aspekten. Schon das Kolloquium der Rosa-Luxemburg-Stiftung Dresden, das dem 65. Geburtstag von Siegfried Wollgast gewidmet war, behandelte das Thema "Die Aufklärung in der geistigen Auseinandersetzung unserer Tage". Fachkollegen sprachen dort über die Kritik an der "Dialektik der Aufklärung" von Horkheimer und Adorno, über aktuelle Herausforderungen und über die Notwendigkeit einer neuen Aufklärung, die sich gegen den wachsenden Kulturverfall wendet, die sich anbahnende Krise des Wissens analysiert und dagegen steuert. Der damalige Jubilar nahm mit einem gewichtigen Beitrag Stellung zu einem seiner zentralen Forschungsthemen: "Die deutsche Frühaufklärung. Grundlagen - Aspekte - Schlußfolgerungen". Er stellte fest: "Das neue Jahrtausend verlangt nach einer Neubestimmung von Aufklärung, wobei auch die Erfahrungen der Frühaufklärung in Deutschland, einer ca. 50 Jahre andauernden Übergangsperiode mit ihre ca. 150 Jahre währenden unmittelbaren Vorbereitung schlußfolgernd genutzt werden sollten".[5] 

Dieser Aufgabe hat er sich selbst weiter gewidmet und die verschiedensten Aspekte in tiefgründigen Studien zu Personen und Problemen behandelt. Davon zeugen seine 2005 veröffentlichten Aufsätze aus den letzten fünfzehn Jahren zur deutschen Geistesgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts.[6]  Es ist der unermüdliche Einsatz für seine Fachdisziplin, die Philosophiegeschichte, die Siegfried Wollgast auszeichnet. Er kann an seinem 75. Geburtstag stolz auf ein erfolgreiches Wissenschaftlerleben mit wichtigen Forschungsergebnissen zurückblicken und er wird, wie wir ihn kennen, weiterarbeiten. Solange es geht. Denn wissenschaftliche Arbeit ist sein Leben, was Erholung durch kulturelle Erlebnisse mit seiner Ehefrau Edith einschließt.

Vor nunmehr 51 Jahren erfolgte der Studienabschluss des jetzigen Jubilars mit dem Diplom eines Philosophen an der Humboldt-Universität zu Berlin. Die Zeit danach hat er ausgezeichnet genutzt, um Geschichte und Philosophie durch eigene Arbeiten zu bereichern. Seine Bibliographie zeichnet die Arbeit eines Gelehrten nach, der sich stets neuen Herausforderungen stellte. Es war ein langer Weg, der von ihm bisher gegangen wurde, und nicht immer nur Anerkennung brachte. Selbst die Zeit der Ausgrenzung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit DDR-Sozialisation nach der Vereinigung, manchmal in rüder Form erfolgt, war zu überstehen. Probleme sind da, um gelöst zu werden. Stets vertrat der Jubilar die Auffassung, gestützt durch Ehefrau und Freunde: Meine wissenschaftliche Arbeit erhält mich aufrecht. Den aufrechten Gang hat er beibehalten!

Am 27. September 1933 wurde Siegfried Wollgast in Schönlanke (Netzekreis) geboren. Er besuchte von 1940 bis 1948 die Grundschule in Stieglitz (Netzekreis), Döbbersen (Kreis Hagenow) und Jena. Wichtig für die spätere Arbeit als Philosophiehistoriker war der Besuch des C-Zweiges der Oberschule in Jena mit erweitertem Griechisch- und Lateinunterricht von 1948 bis 1952. Er kann so die für seine Forschungen erforderlichen wichtigen Originale lesen, ohne auf ungenaue Übersetzungen angewiesen zu sein. Nach dem Abitur studierte er Philosophie und Geschichte in Jena und Berlin von 1952 bis 1957. Nach der Assistentenzeit an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften in Potsdam-Babelsberg von 1957 bis 1960 und praktischer Tätigkeit in anderen Bereichen wirkte er als Lektor und Leiter des Lektorats Philosophie beim Verlag der Wissenschaften von 1961 bis 1964. Dort leistete er eine wichtige Arbeit bei der Publikation von Forschungen junger Kolleginnen und Kollegen. Er sah Talente und förderte sie. Zugleich forschte er auf seinem Gebiet weiter und promovierte 1964 an der Humboldt-Universität zu Berlin zum Thema "Eine Entwicklungslinie in der deutschen Frühaufklärung (Verbindungen häretischer Bewegungen in Mittel- und Westeuropa zur Nowgoroder-Moskauer Häresie)". Die Beschäftigung mit der Frühaufklärung ließ ihn dann nicht mehr los. Er wurde zu einem anerkannten Spezialisten auf diesem Gebiet.

Nach der Promotion 1964 war Siegfried Wollgast bis Ende 1967 als Übersetzer und Journalist freiberuflich tätig. In dieser Zeit sammelte er Erfahrungen im Umgang mit Massenmedien, erweiterte seine Kenntnisse auf seinem Forschungsgebiet und befasste sich, wie später auch, mit dem Zusammenhang von Aktualität und Historizität, also mit den historischen Quellen aktueller Auseinandersetzungen. Ab 1968 fand er seine wissenschaftliche Wirkungsstätte an der Technischen Universität Dresden (TUD). Seine Habilitation 1968 bestätigte, dass er die bis dahin vergangene Zeit gut genutzt hatte. Von 1968 bis 1973 war er an der TUD am Institut für Philosophie Wissenschaftlicher Oberassistent. Forschung und Lehre bestimmten nun allein seine Arbeitszeit, die er ausgezeichnet nutzte, um neue Problemfelder zu erschließen. Seine Studenten schätzten seine interessanten Veranstaltungen zur Philosophiegeschichte. Doktoranden und Mitarbeiter erfuhren Förderung. Kolleginnen und Kollegen profitierten bei der Weiterbildung und in persönlichen Gesprächen von seinem Wissen, seinen Denkanstößen und seinem undogmatischen Herangehen an die philosophischen Grundprobleme. Vor allem die Technikwissenschaftler waren davon angetan, dass er nicht nur philosophiehistorische Forschungsergebnisse vermittelte, sondern sich mit der Technikphilosophie auseinandersetzte. So publizierte er 1979 mit einem der Herausgeber (Gerhard Banse) das Buch "Philosophie und Technik", das in West und Ost Aufsehen erregte. Es wird auch heute noch wegen seiner Materialfülle und umfassenden Analyse zur Kenntnis genommen.

1973 erfolgte die Berufung von Siegfried Wollgast zum Hochschuldozenten für Geschichte der Philosophie. Nach heutiger Lesart war das eine C3-Professur. 1973/74 suchte er bei einem Studienaufenthalt an der Lomonossow-Universität Moskau neue Kontakte und fand sie zum Nutzen seiner Forschungen. Internationale Beziehungen nutzte er stets zur Erweiterung des Erkenntnishorizonts. So baute er Beziehungen nach Polen auf. Auf Konferenzen in vielen Ländern Europas vermittelt er seine Erkenntnisse. 1975 erhielt er für seine umfangreichen Forschungsleistungen den Preis der TU Dresden II. Klasse, der ihm auch 1989 noch einmal zugesprochen wurde. Die angemessene Würdigung seiner Forschungen und Lehrtätigkeit erfolgte 1976 durch die Berufung zum ordentlichen Professor für Geschichte der Philosophie an der TUD. Obwohl nun voll in der Hochschullandschaft etabliert, war sein Drang nach neuen Erkenntnissen ungebrochen. Die abgedruckte Bibliografie macht deutlich, dass er sich keine Ruhepause gönnte. 1978 wählte ihn die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig zu ihrem Ordentlichen Mitglied und seit 1995 gehört er der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften an. Zwei deutsche Akademien anerkannten seine herausragenden Ergebnisse durch geheime Wahl. Die Leibniz-Sozietät ist stolz auf seine Aktivitäten, die zur Erhöhung ihrer Reputation beitragen, wie das Geleitwort des Sekretars der Klasse Sozial- und Geisteswissenschaften belegt.

Der TUD blieb Wollgast bis zu seiner Abberufung durch den Minister für Wissenschaft des Freistaates Sachsen 1992 treu. Es ist ein trauriges Kapitel deutscher Hochschulgeschichte, das hier anzusprechen ist. Die von vielen gefeierte Vereinigung Deutschlands verkam zu einem Anschluss der DDR an die BRD mit der Überstülpung eines vorher kritisierten Wissenschaftssystems, gebrochenen Karrieren, leidvollen Schicksalen und dem Ausschluss führender Wissenschaftler aus Forschung und Lehre. Die Stellen wurden neu, nicht unbedingt besser, besetzt. Nur wenige Gelehrte aus der DDR bekamen einen Platz. Geistige Konkurrenten sollten sich nicht im Wettbewerb mit anderen bewähren. Das wurde ihnen verwehrt. Von manchen der damaligen Akteure bei der harten Politik gegen DDR-Eliten hört man heute nicht selten kritische Töne. Doch die Chance zu einem reformerischen Neubeginn mit fruchtbarer Zusammenarbeit wurde vertan. Unser Jubilar hatte manche ungerechtfertigte Diffamierung zu verkraften, doch er beugte sich nicht. Durch seine weitere Arbeit bewies er, dass die Technische Universität Dresden einen ihrer besten Philosophen von der Hochschule verwies. Das war ein Verlust für Lehre und Forschung.

Zentrum der philosophischen Forschungen von Siegfried Wollgast war und ist seit seinem Eintreten in die wissenschaftliche Laufbahn das Mittelalter und besonders die Frühaufklärung. Schon die erwähnte Promotionsarbeit von 1964 befasste sich mit diesem Thema. Er wandte sich stets gegen die Unterschätzung dieser Periode philosophischen Denkens. In seinem umfangreichen Werk "Philosophie in Deutschland zwischen Reformation und Aufklärung 1550 - 1650", das erstmals 1988 erschien (2. Auflage Berlin 1993), sind viele seiner Gedanken begründet dargelegt, aufbauend auf umfangreichen Recherchen zu Traditionslinien und zu einzelnen Denkern. Man kann es inzwischen als Standardwerk für die Behandlung dieser Periode des Denkens bezeichnen.

Stets verweist der Jubilar auf die Problemgeschichte, die nicht plötzlich beginnt, sondern Vorläufer hat. Die Frühaufklärung in Deutschland datiert er auf die Zeit von 1672 bzw. 1675 bis 1718. Er betont deren Bedeutung für die "Neubewertung einer Reihe von Problemen wie Trost, Hoffnung, Glaube", die im scientistischen Herangehen an die Wirklichkeit, in der Überbetonung einer wissenschaftlichen Weltanschauung, unterzugehen drohten.[7]  Trotz unterschiedlicher Auffassungen, die bei den Vertretern der Frühaufklärung zu heftigen Auseinandersetzungen führten, zeigt Wollgast wesentliche gemeinsame Punkte, wie den Kampf um die Freiheit der Philosophie und Wissenschaft von der Theologie, den Kampf gegen den Konfessionalismus, "um religiöse Toleranz, die später zur Idee der universellen Toleranz fortgeführt wird"[8]  . Auch die Frühaufklärung als Wurzel der Aufklärung hat ihre Geschichte. Sie beschäftigte den Jubilar ebenfalls. 1968 befasste er sich in der Habilitation mit dem Thema "Sebastian Franck (1499 - 1542) - ein Beitrag zu seiner Biographie, seiner Darstellung in der wissenschaftlichen Literatur und zu seinem philosophischen Schaffen". Es sind Traditionslinien, die Siegfried Wollgast nicht nur generell verfolgt, sondern im Detail erforscht, wie seine Studien bezeugen. Die prinzipiellen Überlegungen basieren so auf umfangreichem Spezialwissen.

Die Breite seines Wirkens ist beeindruckend. Eine umfangreiche Studie ist Karl Christian Friedrich Krause gewidmet. Er publizierte zum Pantheismus des 16. Jahrhunderts und zum Wirken von Johannes Kepler. Er edierte allein oder mit Anderen Arbeiten von Sebastian Franck, Paracelsus, Hermann von Helmholtz, Emil du Bois-Reymond, Valentin Weigel, Agrippa von Nettesheim, Erasmus von Rotterdam, Gabriel Wagner u. a. Das umfangreiche Literaturverzeichnis belegt die Vielfalt seiner, nicht auf eine historische Epoche beschränkte, doch immer wieder auf sie hinzielende, Beschäftigung mit hervorragenden Denkern der Vergangenheit.

Die wissenschaftlichen Leistungen von Siegfried Wollgast, die er auf den verschiedensten Gebieten erbracht hat, würdigen in diesem Band Kollegen aus dem In- und Ausland, aus Ost und West. Getragen von der Achtung für seine Hartnäckigkeit, mit der er seine Projekte verfolgte, seine wissenschaftlichen Ziele erreichte und Vorurteile anzweifelte, sind Originalarbeiten entstanden, die, ihm gewidmet, zugleich die Forschungsgebiete der Autoren repräsentieren. Sie machen die Festschrift zu einem Kompendium der Themen, die direkt oder indirekt mit der klassischen und der erforderlichen neuen Aufklärung verbunden sind. Es ist ein interdisziplinäres Konzert wissenschaftlicher Solisten, das zu Ehren des Jubilars angestimmt wird. Im Mittelpunkt stehen zwar philosophiehistorische und kulturgeschichtliche Arbeiten, doch zugleich werden andere Beiträge der Beschäftigung des Jubilars mit umfassenden Themen gerecht.

Dr. Wolfgang Weist, trafo Verlag, hat die Publikation der Festschrift stets unterstützt und für ihr rechtzeitiges Erscheinen gesorgt. Marie-Luise Körner stellte das Personenregister fertig. Die Herausgeber danken allen, die sich als Autor oder als Gratulant an der Würdigung unseres Kollegen und Freundes Siegfried Wollgast beteiligt haben.

Wir wünschen ihm weiterhin eine ungebrochene Leidenschaft für interessante Themen, eine anhaltende Freude zur Aufklärung anderer mit seinen Publikationen und erwarten für uns, wie bisher, Denkanstöße zum Zweifel an Überholtem. So stehen wir auch weiterhin im engen wissenschaftlichen Kontakt mit dem Jubilar und bewegen uns zwischen Aufklärung und Zweifel, um die Wissenschaft gemeinsam voranzubringen.

Gerhard Banse, Herbert Hörz, Heinz Liebscher

Anmerkungen

[1]  Wollgast, S.: Vorwort. In: Wollgast, S.: Zur Frühen Neuzeit, zu Patriotismus, Toleranz und Utopie. Gesammelte Aufsätze. Berlin 2007, S. 9.

[2]  Ebenda, S. 11.

[3]  Ebenda, S. 7.

[4]  Ebenda, S. 11.

[5]  Wollgast, S.: Die deutsche Frühaufklärung. Grundlagen - Aspekte - Schlußfolgerungen. In: Die Aufklärung in der geistigen Auseinandersetzung unserer Tage. Kolloquium am 2. Juni 1999 in Dresden. Leipzig (Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen) 2000, S. 53-87 (Texte zur Philosophie, H. 6).

[6]  Vgl. Wollgast, S.: Oppositionelle Philosophie in Deutschland. Aufsätze zur deutschen Geistesgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts. Berlin 2005.

[7]  Wollgast, S.: Philosophie in Deutschland zwischen Reformation und Aufklärung 1550 - 1650. Berlin 1988, S. 901.

[8]  Ebenda, S. 902.

 

Erstellt am: 11.11.2008 - Kommentare an: webmaster