Gibt es eine interdisziplinäre Methodologie?

Bechmann, G.
Vortrag auf dem Workshop "Auf dem Weg zu interdisziplinären Methodologien".
Karlsruhe, 24. - 25.06.2004


Abstract

Das rasche Wachstum und die enorme Leistungssteigerung der Wissenschaft beruht im Wesentlichen auf zwei Voraussetzungen: der funktionalen Ausdifferenzierung als Wissenschaftssystem, die zur hohen gesellschaftlichen Autonomie wissenschaftlicher Arbeit geführt hat und der Organisation nach Disziplinen, die zu einer komplexen wissenschaftlichen Arbeitsteilung und Spezialisierung geführt haben. Beide Prozesse sind aber auch mit Kosten belastet, die bei gesteigerter Wissenschaftsentwicklung zunehmend bewusst werden: Verlust der gesellschaftlichen Relevanz und der Einheit der Wissenschaft.

Der Ruf nach Interdisziplinarität oder Transdisziplinarität verdankt sich diesen Defiziten. Von Interdisziplinarität wird beides erwartet: Die Reorientierung der Wissenschaften an praktischen Problemen der Gesellschaft und die Integration von Disziplinen zu stärker einheitlichen Forschungsansätzen, um die Parzellierung des Wissens aufzuheben. Stand im Kontext der Universitätsreformdebatte zunächst die Frage nach der Integration der Wissenschaften und die Korrektur des akademischen Spezialistentums im Zentrum (Interdisziplinarität) so hat sich heute die Debatte auf die Frage nach der Gesellschaftsrelevanz wissenschaftlichen Wissens verlagert (Transdisziplinarität). Unter methodologischem Gesichtspunkt ist die Interdisziplinarität mit den Gedanken des Holismus und Transdisziplinarität mit dem Prinzip der Problemorientiertheit verbunden. Im Vortrag soll gezeigt werden, dass es sich bei beiden Prinzipien nicht um methodologische Kriterien handeln kann, sondern dass hinter ihnen Fragen der Organisation und des Transfers von wissenschaftlich produzierten Wissen zur Diskussion stehen. Insofern treten methodologische Probleme der Erzeugung gegenüber Fragen nach den Qualitätskriterien und der Kontrolle transdisziplinären Wissens in den Hindergrund.



Erstellt am: 19.08.2004 - Kommentare an: Gotthard Bechmann