www.itas.kit.edu     [ITAS-Literatur]     [ITAS-Literatur 1999]     [ITAS-News]

Konzept der Studie "Stoffströme und Kosten in den Bereichen Bauen und Wohnen"

Das Untersuchungskonzept dieser Studie geht von einer Kombination zweier Ansätze aus:

Der sogenannte Top-down-Ansatz zeigt eine Momentaufnahme der Stoff- und Energieströme sowie der damit verbundenen Emissionen von Luftschadstoffen für das Referenzjahr 1991. Betrachtet wird dabei der Hochbau und das Ausbaugewerbe; der Tiefbau wurde nicht mit berücksichtigt. Bezugsgebiet sind die alten Bundesländer Deutschlands. Stoffströme, Energieverbräuche und Emissionen werden aus Daten ermittelt, die auf amtlichen bzw. allgemein zugänglichen Statistiken basieren. Zusätzlich zu den unmittelbar im Hochbau und Ausbaugewerbe auftretenden sog. direkten Stoffströmen, Energieverbräuchen und Emissionen werden auch die entsprechenden Größen ermittelt, die zusätzlich in anderen Wirtschaftsbereichen durch die Nachfrage nach Bauleistungen hervorgerufen werden (stoffliche bzw. energetische Rucksäcke, indirekte Emissionen). Die stofflichen Rucksäcke können dabei zwei Ursachen haben. Bei der Herstellung von Produkten und ggf. deren Vorprodukten entstehen Reststoffe und Abfälle, die insgesamt zu einer mengenmäßigen höheren Entnahme von Reststoffen aus der Natur führen, als den an die Bauwirtschaft gelieferten Produktmengen entspricht. Dienstleistungen, die für die Bautätigkeit geleistet werden, sind nicht mit Stoffströmen verbunden, die in die Bauwirtschaft fließen, wohl aber werden zur Erfüllung dieser Dienstleistungen stoffliche Materialien benötigt. Auch hierfür sind die Rohstoffentnahmen aus der Natur in die gesamten Stoffstrombetrachtungen einzubeziehen.

Methodische Basis für die Bestimmung der Rucksäcke bzw. der indirekten Emissionen ist eine erweiterte Input-Output-Analyse, die es erlaubt, auch die gesamten Vorleistungen für das Baugewerbe und die damit verbundenen Energieverbräuche und Emissionen zu ermitteln. Für die Bestimmung der Stoffströme, der kumulierten Energieverbräuche und der Emissionen für das Baugewerbe waren erhebliche Disaggregationen notwendig, da die Input-Output-Tabelle nur Daten für Hoch- und Tiefbau insgesamt, nicht jedoch für die beiden Teilbereiche getrennt enthält. Die Abfälle aus dem Sektor "Bauen und Wohnen" wurden beim Top-down-Ansatz separat auf Basis einer Auswertung der Abfallstatistik ermittelt. Getrennt ermittelt wurden auch die kumulierten Primärenergieverbräuche und damit verbundenen Emissionen für die Gebäudeheizung, und zwar unter Verwendung des IKARUS-Modells (direkte Emissionen) bzw. des GEMIS-Modells (indirekte Emissionen). Die Ermittlung der Kosten im Sektor "Bauen und Wohnen" beruht auf der Auswertung amtlicher Statistiken und Spezialerhebungen.

Mit Hilfe des schon angesprochenen Bestandsmodells wurden Stoff- und Energieflüsse, Emissionen und Kosten auf Gebäudebestandsebene ermittelt. Dieses methodische Vorgehen wird im folgenden als Bottom-up-Ansatz beschrieben. In diesem Verfahren werden die Flüsse, die durch unterschiedliche Baumaßnahmen ausgelöst werden, über detaillierte Prozeßkettenanalysen von Gebäuden über Bauelemente, Baustoffherstellung und Vorstufen errechnet. Neben quantitativen Ergebnissen erlaubt dieses Verfahren auch qualitative Angaben und Aussagen darüber, wann und durch welche Maßnahmen (Neubau, Erneuerung, Abriß) die Flüsse ausgelöst werden.

Abb. 1-1: Gebäudebestand 12 / 1991 in Deutschland in Mio. m2 Nutzfläche

Ermittlungsgrundlage für den Bestand sind m2 Nutzfläche, unterteilt in Alters- und Nutzungsklassen. Es zeigte sich, daß (mitbedingt durch die föderale Struktur der Bundesrepublik) die Daten zum Bestand außerordentlich lückenhaft und schwer zugänglich sind - vor allem im Bereich der älteren Gebäude (Altersklassen vor 1945) und im Bereich der Nichtwohngebäude (hier vor allem Industrie und Landwirtschaft) zeigen sich große statistische Fehlbestände.

Für die Abbildung des Gebäudebestands der Bundesrepublik Deutschland in dem "Bestandsmodell" wurde eine große Zahl von Referenzgebäuden erfaßt, die als zunächst möglichst idealtypische Vertreter Daten für die in den einzelnen Alters- und Nutzungsklassen existierenden Gebäude liefern. Die Erfassung kann zur weiteren Präzisierung jederzeit um weitere Vertreter ergänzt werden, auch bessere neue Datenerhebungen können eingefügt werden.

In einem ersten Schritt wurden 160 Referenzgebäude mit rund 2250 Bauelementen und rund 700 Baustoffbezeichnern erfaßt; die ausgewählten Bauten vertreten 12 Nutzungs- und 6 Altersklassen (s. Abb. 1-1). Die vermuteten Lebensgeschichten der Objekte seit ihrer Erbauung wurden für das Modell idealtypisch abgebildet, um die durch die Alterung und Nutzung der Objekte entstehenden Stoff-, Energie- und Kostenflüsse zu berechnen. Das so entstandene dynamische Modell des deutschen Gebäudebestandes erlaubt nun eine erste Berechnung des im heutigen Baubestand existierenden gesamten Stofflagers.

Während der Bearbeitung der Studie hat sich die Vermutung bestätigt, daß es für den Baubereich nicht ausreichend ist, über die Betrachtung einzelner Teilbestände (z. B. Wohnungsbau) zu Aussagen für ein künftiges Stoffstrommanagement kommen zu wollen. Alter, Verbrauch, Stofflager und Kosten sind in den einzelnen Bestandsgruppen sehr unterschiedlich und nur über ein integriertes Modell abzubilden. Es ist zudem unabdingbar, Kosten, Belastungen, Verbräuche und Stoffflüsse in einem durchgängigen Modell zu beschreiben. Frühere Modellansätze, die beispielsweise nur auf Energieverbräuche hin entwickelt worden waren, liefern keine brauchbaren Ergebnisse für eine ganzheitliche Abwägung.

Das Modell des Gesamtbestandes kann historische Veränderungen abbilden, wie auch voraussehbare und mögliche künftige Entwicklungen hinsichtlich Stoffströmen, Emissionen, Energieverbrauch und Kosten simulieren.

Basierend auf Neubauentwicklungsdaten anderer Untersuchungen wurde mit Hilfe des Modells eine Trendfortschreibung berechnet (die auch Erhaltungsmaßnahmen und Abbruch miteinbezieht), um die bereits unausweichlichen Entwicklungen des Bestandes aufzuzeigen und die Auswirkungen zu demonstrieren.

Angesichts der Ergebnisse dieser Trendfortschreibung werden die Bandbreite möglicher Entwicklungen, denkbare Strategien und ihre Auswirkungen diskutiert.

Abb. 1-2: Untersuchungskonzept und Vorgehen des Bottom-up-Ansatzes

Möglichkeiten und Grenzen der Kombination beider Ansätze

Bei der Kombination der Ansätze Top-down und Bottom-up waren folgende Schwierigkeiten zu erwarten:

Eine Verbesserung der Daten im Bereich der Sachbilanzen wäre wünschenswert, wobei als Ergänzung eine Untersuchung der Bereiche Tiefbau/Infrastruktur naheliegend wäre.

Trotz der in dieser Studie noch gegebenen Abweichungen der Ergebnisse der Stoffflußgrößen im Referenzjahr 1991 erscheint die Kombination der makroökonomischen Daten mit dem Bestandsmodell sinnvoll.

Die Ergebnisse aus der makroökonomischen Berechnung (Top-down-Ansatz) erlauben eine Referenzierung der Ergebnisse aus dem Bestandsmodell.

Durch die hohe Verweildauer der Stoffe im Gebäudebestand liefern die jährlichen Bilanzen (Top-down) zwar Hinweise auf die Dynamik der Veränderung der Massen (Aufbau Zwischenlager) und ermöglichen auch die Darstellung der Entwicklung der Emissionen; Belege für die qualitative Veränderung der Stoffbewegungen können aber nur über die Analyse der Alterung und Entwicklung des Bestands errechnet werden.

Diese sehr aufwendige und mit der Ermittlung großer Datenmengen verbundene Methode hat den Vorzug, daß Angaben nicht nur über die Größenordnungen der Stoffeinträge und -austräge möglich sind, sondern auch Rechengrößen darüber, wie sich die Müllmengen künftig qualitativ verändern werden.


www.itas.kit.edu     [ITAS-Literatur]     [ITAS-Literatur 1999]     [ITAS-News]     [Zum Seitenanfang]
Stand: 03.11.1999 - Kommentare und Bemerkungen an: ITAS-WWW-Redaktion