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Bechmann, G.

Technik als Medium - ein konstruktivistischer Technikbegriff

Vortrag beim Russischen Kongreß für Philosophie, Jekatarienburg, 15. - 18. Juni 1999


Angesichts der Entwicklung moderner Hochtechnologien (Kern-, Bio- und Informationstechnologie) fragt es sich, ob man an dem traditionellen Technikbegriff noch festhalten kann oder soll. Dies ist insofern von Bedeutung, da gerade Begriffe, das steuern, was man beobachten kann und was man nicht beobachten kann.

Der traditionelle Technikbegriff lebte im wesentlichen von zwei wichtigen Leitunterscheidungen: Natur/Technik und Mensch/Technik.

Beiden Sichtweisen liegt die Annahme eines außerhalb technischer Zusammenhänge stehendes Subjekt zugrunde, welches sich der Technik bedient, ohne selbst der Technostruktur anzugehören. Die Forderung lautet dann, der Mensch dürfe sich sein Selbstverständnis nicht durch die Technik bestimmen oder von ihr sich übermächtigen lassen(Hans Jonas).

Orientiert man sich nicht ausschließlich am Zweck-Mittel- oder Maschinenmodell für die Interpretation der Technik, so gerät eine andere Leistung der Technik in den Blick, die evolutionär gesehen bedeutsamer sein könnte. Technik ist formales Operieren unter Absehen von lebensweltlichen Sinn (Edmund Husserl). Das Abstrahieren vom laufenden Mitvollzug aller konkreten Sinnesimplikationen ermöglicht eine ungeheure Beschleunigung der gesellschaftlichen Kommunikation. Damit verbunden ist einerseits eine Steigerung der Kontingenz aller Handlungsvollzüge, andererseits eine Entlastung von konkreten sozialen Bezügen. Kontingenzsteigerung insoweit, da durch den Einsatz von Technik Handlungsmöglichkeiten erschlossen werden, Entlastung insofern, als technisches Handeln nicht mehr an sozialen Konsens, sondern nur noch an das Funktionieren gebunden wird.

Technik ist, auf ihr Prinzip reduziert, eine strikte Kopplung kausaler Elemente mit hoher Indifferenz gegen alles andere. Ihre Vorzüge liegen in der Wiederhohlbarkeit der Vollzüge unter Absehen konkreter sozialen Beziehungen, in der Berechenbarkeit der für ihren Betrieb erforderlichen Ressourcen und in der Erkennbarkeit von Störungen mit der Möglichkeit, diese durch Reparatur oder Ersatz zu beheben.

Eine Gesellschaft, die sich in ihren wesentlichen Bereichen vom Funktionieren der Technik abhängig gemacht hat, produziert, gerade weil die Technik funktioniert, ökologische Gefahren.

Zwar lassen sich auch die unerwünschten und nicht-beabsichtigten Nebenfolgen des Technikeinsatzes, wenn hinreichend bekannt, mehr oder weniger als technisch zu lösende Probleme auffassen, aber das heißt nur, daß diese Sekundär- oder Kontrolltechniken dann ihrerseits wieder ökologische Probleme auslösen können. Die Anwendung der Technik auf sich selbst als ein zirkulärer Prozeß macht das Neuartige der Technik heute aus, das weder durch eine Flucht in die Natur jenseits der Technik, noch durch das Erreichen eines vernünftigen Konsens zu regulieren ist. Technik ist somit evolutionäres Geschehen.


Stand: 26.02.2001 - Bemerkungen und Kommentare bitte an: Gotthard Bechmann

Anschrift:

Gotthard Bechmann
Forschungszentrum Karlsruhe
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Postfach 36 40
76021 Karlsruhe
Tel.: +49 (0) 721 / 608 - 22705


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