Risiko Klima
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Einführung

Jürgen Kopfmüller

Der Hintergrund

Ohne Zweifel hat sich die Klimaproblematik zu einem der Themen der letzten Jahre entwickelt, die eine besonders intensive und gleichermaßen kontroverse Diskussion in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit hervorgerufen haben. Diese Entwicklung vollzog sich allerdings in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum. Viele Jahrzehnte lang, und noch bis in die 1960er Jahre hinein, wurde in der Klimaforschung den Treibhausgasemissionen und den durch sie möglicherweise verursachten Klimaänderungen weniger Beachtung geschenkt als den möglichen Auswirkungen natürlicher Klimafluktuationen auf den Menschen. Erst in den 1970er Jahren begann man, sich systematischer mit dem Einfluß des Menschen auf das Klima und den vielfältigen Mensch-Klima-Wechselwirkungen zu befassen. Damit hatte die Klimathematik eine entscheidende neue Dimension erhalten.

Mitte der 1980er Jahre traten dann einige Klimawissenschaftler mit sehr medienwirksamen Warnungen vor dramatischen Klimaänderungen - die Titelbilder etwa mit dem Kölner Dom unter Wasser dürften vielen noch in Erinnerung sein - an die Öffentlichkeit. Dieser Vorstoß traf auf eine Gesellschaft, die schon durch die seit den 1970er Jahren geführte Umwelt- und Ressourcendebatte sensibilisiert war. Auf einem derart bereiteten Nährboden konnten die Warnungen einen wesentlichen Anstoß dafür geben, daß das Thema Klimawandel allmählich auch in der Politik stärker wahrgenommen wurde und Eingang in die öffentliche Diskussion fand. Entscheidend hierfür war und ist nicht zuletzt, daß mit bis heute stetig zunehmender Gewißheit ein Zusammenhang zwischen bestimmten Klimaänderungen und menschlichen Aktivitäten angenommen wird. Klimapolitik besitzt seither einen eigenständigen Stellenwert auf der nationalen und internationalen und mittlerweile auch auf der lokalen politischen Agenda.

Die herausragende Rolle der Klimathematik, verglichen mit der Mehrzahl der bislang behandelten Umweltthemen, und die besonderen mit ihr verbundenen wissenschaftlichen und politischen Kontroveren sind vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen: zum einen die spezifischen und zum Teil neuen Charakteristika und Dimensionen des Problems. Zu nennen sind hier etwa die Stichworte Globalität, Irreversibilität oder auch die hohen Kosten durch mögliche Auswirkungen von Klimaänderungen sowie durch Maßnahmen zur Minderung solcher Wirkungen bzw. ihrer Ursachen. Zum anderen sind es die erheblichen mit diesem Thema verbundenen wissenschaftlichen und politischen Unsicherheiten, die den Umgang mit ihm in besonderer Weise prägen. Diese Unsicherheiten drücken sich in begrenztem Wissen sowohl über Zeitpunkt, Art oder regionale Differenzierungen von Klimaänderungen als auch über sozioökonomische Komponenten aus (wie die Entwicklung von gesellschaftlichen Rahmendaten, technischem Fortschritt, politischen Regelungsmustern, Auswirkungen von getroffenen Maßnahmen usw.).

Hinzu kommt, daß in bezug auf das Phänomen Klimawandel bisher kaum greifbare Alltagserfahrungen existieren. Einzelne schon heute vermehrt oder intensiver auftretende Extremereignisse wie Stürme, Überschwemmungen oder Dürreperioden sind letztlich nur Indizien, die sich nach heutigem Wissen in klimahistorischen Zeitdimensionen weder eindeutig als Momente eines schon sich vollziehenden Klimawandels, noch mit letzter Gewißheit bzw. vollständig als Folgen menschlicher Aktivitäten festmachen lassen. In diesem Sinne signifikante Klimaänderungen und deren Folgen haben daher hypothetischen Charakter. Damit kommt Faktoren wie gesellschaftlichen Erwartungshaltungen oder der Kommunikation, Verarbeitung und Bewertung von Informationen, also der sozialen Dimension des Themas, eine zumindest ebenso wichtige Bedeutung zu wie der physikalischen Dimension der Entwicklung meteorologischer Parameter. Es wird daher in diesem Zusammenhang immer häufiger der Begriff des "sozialen Phänomens" bzw. "sozialen Konstrukts" Klimawandel verwendet.

Trotz oder vielleicht gerade wegen dieser Unsicherheiten konzentrieren sich derzeit die Diskussion und auch die in der Gesellschaft artikulierten Befürchtungen besonders auf die in vielfältiger Weise denkbaren Folgen möglicher Klimaänderungen und auf die daraus bzw. aus möglichen Gegenmaßnahmen resultierenden Kosten für die Gesellschaft. Diese Folgen können ökologischer (z. B. Landverluste infolge Überflutungen, Ausdehnung von Wüstenflächen), ökonomischer (z. B. Ertragsausfälle in der Landwirtschaft) oder auch gesundheitlicher Natur sein (Zunahme oder größere regionale Verbreitung bestimmter Krankheiten). In dem Maße, wie gesellschaftliches Interesse an diesen Fragen besteht, Prognosen und Analysen dazu jedoch aufgrund der inhärenten Unsicherheitsfaktoren nur sehr begrenzt möglich sind, eröffnen sich entsprechende Spielräume für divergierende Interpretationen und Reaktionen. Und in der Tat unterscheiden sich schon die grundsätzlichen Positionen zwischen den verschiedenen Akteuren auf nationaler und internationaler Ebene teilweise sehr deutlich. Sie reichen von der Problemverdrängung und -verharmlosung einerseits bis zu Katastrophenstimmung und hektischem Aktionismus andererseits. In der Frage nach konkreten Handlungsstrategien setzen sich diese Differenzen dann in ähnlicher Weise fort. Das "Risiko Klima" tritt also heute ganz anders ins Bewußtsein der Gesellschaft als noch vor 20 oder 30 Jahren. Da es sich auch in mancher Hinsicht von den bisher bekannten gesellschaftlichen Risiken unterscheidet, entstehen in der Frage des adäquaten Umgangs mit diesem Risiko wissenschaftliche, politische und öffentliche Debatten in bisher nicht gekannter Form und Intensität.

Wissenschaft und Politik vor neuen Herausforderungen

Die entscheidenden Fragen dieser Debatten lauten nun: Wie kann eine praktikable, konsensfähige und zugleich hinreichend wirksame Klimapolitik auf nationaler wie internationaler Ebene aussehen, welche Voraussetzungen müssen dafür gegeben sein, und was bedeutet dies für den künftigen wissenschaftlichen Umgang mit der Klimathematik sowie für das Verhältnis zwischen Politik und Wissenschaft, das sich im Zusammenhang mit diesem Themenfeld erkennbar zu verändern beginnt?

Dabei offenbaren die oben genannten "Risikofaktoren" in bezug auf Klima und der gesellschaftliche Umgang mit ihnen eines ganz deutlich: An die Politik wie auch die Wissenschaft werden mit Sicherheit einige neue Anforderungen und Fragen zu stellen sein. Dabei befindet sich die Politik - einerseits getrieben von der öffentlichen Debatte und andererseits gebunden an ihre Für- und Vorsorgepflicht gegenüber der Gesellschaft - in einem klassischen Dilemma zwischen offenkundigem politischem Handlungsbedarf und vielfach unsicheren Entscheidungsgrundlagen. Wie in kaum einem anderen Bereich trifft bei der Klimathematik der häufig im wirtschaftswissenschaftlichen Kontext verwendete Begriff vom "Handeln unter Unsicherheit" den Kern des Problems. Um mit diesen Unsicherheiten adäquat umgehen zu können, muß die Politik nicht zuletzt auch die richtigen Fragen an die Wissenschaft stellen. Die Wissenschaft wiederum wird sich nach den bisherigen Erfahrungen auch mit der Frage nach ihrer prinzipiell möglichen und notwendigen Funktion und Rolle innerhalb der politischen Entscheidungsprozesse beschäftigen und nach neuen adäquateren Ansätzen und Methoden zur Bereitstellung von Orientierungswissen für die Entscheidungsträger suchen müssen. Dies muß sowohl die Inhalte wie auch die Organisation von Forschung betreffen.

Ohne Zweifel hat die Beschäftigung mit der Klimathematik auch Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik. Aufgrund der Komplexität des Themas wird wissenschaftliche Politikberatung in bezug auf Problemdefinition, Agendagestaltung und Strategieformulierung zwar in zunehmendem Maße unerläßlich, zugleich aber auch durch die Unsicherheitskomponente in ihrer Relevanz eingeschränkt. Sie kann sogar wiederum Quelle neuer Unsicherheit werden angesichts teilweise eklatant widersprüchlicher Expertenmeinungen. Umgekehrt versucht die Politik - die selbst unter dem Einfluß der öffentlichen Meinung und verschiedener Interessengruppen steht - immer wieder, die Wissenschaft in bezug auf Fragestellungen und Ergebnisse zu beeinflussen. Diese Prozesse der Verwissenschaftlichung der Politik einerseits und der Politisierung der Wissenschaft andererseits charakterisieren die Behandlung des Klimathemas und haben hier eine neue Dimension erhalten. Erfahrungsgemäß werden dadurch Praktikabilität, Form und Effektivität konkreter Handlungsstrategien maßgeblich beeinflußt.

Sehr anschaulich wird dieses Phänomen am Beispiel des von den Vereinten Nationen vor einigen Jahren eingesetzten Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Hier wurde ein formal unabhängiges, quasi zwischen Wissenschaft und Politik angesiedeltes Gremium mit der Aufgabe betraut, den vorhandenen naturwissenschaftlichen Kenntnisstand zur Klimaproblematik zusammenzutragen und zu bewerten, die verschiedenartigen möglichen Auswirkungen von Klimaänderungen abzuschätzen und entsprechende Handlungsoptionen aufzuzeigen. Daraus soll quasi ein "Konsenswissen" über gesicherte Erkenntnisse einerseits und vorhandene Unsicherheiten andererseits entwickelt und bereitgestellt werden, an dem sich die Öffentlichkeit und vor allem die Politik orientieren können. Dieses Gremium ist mittlerweile zum weltweit größten wissenschaftlichen Forum zur Klimaproblematik geworden.

Die bisherigen, in zwei sehr umfassenden "Assessment-Reports" veröffentlichten Ergebnisse der drei Arbeitsgruppen des Panel stellen unzweifelhaft und zu recht einen wesentlichen Input für klimapolitische Diskussionen und internationale Verhandlungen dar. In der Realisierung der oben erwähnten Ansprüche und in den Reaktionen, die sie hervorgerufen haben, unterscheiden sie sich jedoch deutlich. Während in der Arbeitsgruppe I über den Stand des naturwissenschaftlichen Wissens zum Klimawandel unter den Mitgliedern wie auch den externen Experten weitgehende Übereinstimmung erzielt werden konnte, trifft dies für die Arbeitsgruppen II (wissenschaftlich-technische Analyse zu Klimafolgen, Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen) und III (ökonomische und soziale Dimension des Klimawandels) weit weniger zu. Es zeigt sich, daß das Vorhandensein von Wissen bzw. das Wissen um die Wissenslücken alleine noch nicht ausreichend ist, sondern noch andere Entscheidungsfaktoren wie Wahrnehmungen und Bewertungen hinzukommen. Wichtig ist, welche Konsequenzen aus diesem Umstand gezogen werden, wie also damit umgegangen wird. Die Diskussion insbesondere der Ergebnisse der Arbeitsgruppe III des IPCC zeigt ganz deutlich, daß sich an der Frage der Methoden für die Bewertung und Auswahl klimapolitischer Handlungsstrategien nach wie vor die Geister scheiden, zum Teil nur schwer überbrückbar scheinende Dissense bestehen und daher von einer Orientierungshilfe für die Politik bislang nur sehr bedingt die Rede sein kann.

Ungeachtet der Verdienste und der wichtigen Funktion des IPCC offenbart dieses Beispiel damit auch, daß über einen solchen Ansatz hinaus in Politik und Wissenschaft neue Fragen zu stellen und neue Ansätze zu suchen sein werden, um einen adäquaten Umgang mit der Klimaproblematik zu ermöglichen.

Perspektiven der Wissenschaft

Wird dies ernst genommen, dann stellt die Klimathematik für die Wissenschaft eine zweifache Herausforderung dar. Auf der einen Seite muß die Wissenschaft ihre Rolle im gesellschaftlichen Thematisierungs- und Verarbeitungsprozeß überdenken. Sie wird sich die Frage stellen müssen, welche Orientierungshilfen sie im Hinblick auf eine ebenso komplexe wie unsichere Klimazukunft geben kann, stößt sie doch gerade bei diesem Thema nicht selten an die Grenzen ihrer Analyse- und Prognosefähigkeit. Offenbar sind hier manche Fragen zumindest nicht mehr ausschließlich mit den Mitteln der Wissenschaft beantwortbar. Gleichzeitig verliert das gerade in den naturwissenschaftlichen Disziplinen betonte Paradigma der Wertfreiheit mit der zunehmenden Einbindung von Wissenschaft in politische Entscheidungs- und Regulierungsprozesse an Bedeutung. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß hier für die Wissenschaft ein Konflikt besteht zwischen der begrüßenswerten Beteiligung an diesen Prozessen und der stets lauernden Gefahr, für bestimmte Zwecke oder Interessen instrumentalisiert zu werden. Nicht zu übersehen ist auch ein prinzipiell ähnlich gelagerter Konflikt zwischen der für eine Sensibilisierung der Gesellschaft in der heutigen Zeit wohl unerläßlichen Präsenz der Wissenschaft bzw. von Wissenschaftlern in den Medien und der auch hier mitunter drohenden Gefahr einer selektiven Wiedergabe wissenschaftlicher Ergebnisse oder einer Instrumentalisierung von Ergebnissen oder Personen für medienspezifische Zwecke. Dies ist sicher ein Umstand, der mit Blick auf die Erhaltung der eigenen Glaubwürdigkeit und bestimmte Wirkungsmöglichkeiten in der Wissenschaft stärker reflektiert werden muß.

Auf der anderen Seite besteht für die Wissenschaft eine Herausforderung darin, daß mit der Klimathematik die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit der Frage nach künftigen inhaltlichen Schwerpunkten und neuen Methoden und Ansätzen in der Wissenschaft erheblich gewachsen ist. Im Falle des IPCC zeigt sich beispielsweise auch, daß wissenschaftliche (Politik)Beratung letztlich nur in dem Maße Akzeptanz findet, wie sie problemrelevante gesellschaftliche Präferenzen oder Konfliktlinien berücksichtigt. Im Zuge der Diskussionen der jüngeren Vergangenheit um den Begriff des "Sustainable Development" scheint nun generell das Bewußtsein dafür zu wachsen, daß über reine Faktenermittlungen hinaus erheblicher gesellschaftlicher Reflexions- und Verständigungsbedarf besteht. Dies gilt für alle Politikphasen, von der Problemdefinition bis zur Entwicklung von Handlungsstrategien.

Hier eröffnet sich nun gerade bei einem Thema wie dem Klimawandel ein breites Betätigungsfeld für eine - bislang in diesem Forschungsfeld ohnehin unterrepräsentierte - Sozialwissenschaft, die weniger einem kausal-deterministischen Ansatz und prognostischen Anspruch der Naturwissenschaften nacheifert, sondern eher Orientierungswissen und Konsensschaffungspotentiale bereitzustellen versucht. Gerade die intensivere Beschäftigung mit der relativ jungen Klimawirkungsforschung verdeutlicht die notwendige inhaltliche Konzentration auf drei Aspekte: die gesellschaftliche Wahrnehmung und Meinungsbildung in bezug auf das Klimageschehen, die Struktur und Lösungsmechanismen von Konflikten sowie adäquate klimapolitische Handlungsstrategien. Ob hier die Ökonomie ihre bislang innerhalb der Sozialwissenschaften dominierende Position beibehalten wird, dürfte angesichts der wachsenden Kritik an verschiedenen in dieser Disziplin verwendeten Methoden und Modellannahmen eine interessante Frage sein.

Im Hinblick auf die "Essentials" in der Ausrichtung von Wissenschaft sind es derzeit vor allem zwei Schlagworte, die als Antwort auf die nicht nur, aber besonders durch die Klimathematik entstandenen neuen Anforderungen und Herausforderungen an das Wissenschaftssystem diskutiert werden: problemorientierte Forschung und - wieder einmal - interdisziplinäre Forschung. Problemorientierte Forschung als Antwort auf immer zahlreicher und komplexer werdende sowie in ihrer Entwicklung immer weniger vorhersehbare Problemlagen ist vor allem durch zwei Elemente gekennzeichnet. Zum einen steht hier nicht die Beseitigung von Unsicherheiten oder Unwissen im Mittelpunkt der Bemühungen, sondern der adäquate Umgang mit diesen Phänomenen im Sinne eines "Mangement von Unsicherheit". Nichtwissen wird nicht als Versagen, sondern als Herausforderung der Wissenschaft verstanden. Allerdings können hier noch keine ausgearbeiteten Theorien oder Verfahren angeboten werden, die (wissenschaftliche) Suche nach solchen neuen Wegen im Umgang mit Unsicherheit ist gerade wesentlicher Gegenstand dieses neuen Forschungstypus. Zum anderen bedeutet Problemorientierung angesichts der zunehmenden Integration von Wissenschaft in Politikprozesse auch, die Vermischung von Fakten und Bewertungen bewußt zu akzeptieren und in diesem Zusammenhang nach einer angemessenen Verbindung aus Wissenserzeugung, Bewertung dieses Wissens und Handlungsempfehlungen zu suchen. Damit wird versucht, der den Problemen wie auch der Forschung inhärenten Unsicherheitskomponente Rechnung zu tragen, die inder Regel durch ungewisse Fakten, durch umstrittene Wertschätzungen, durch in Wahrscheinlichkeit und Gefährlichkeit ungewisse Risiken und gleichzeitig durch dringenden Entscheidungs- und Handlungsbedarf charakterisiert ist.

Das zweite Kernelement problemorientierter Forschung, die Interdisziplinarität oder auch Transdisziplinarität, ist ein sehr spezielles Phänomen. Der seit Jahren immer wieder von vielen vorgebrachte Ruf nach interdisziplinärer Wissenschaft ist im Zusammenhang mit der komplexen Klimathematik wieder deutlich lauter geworden. Dies kann zwar wenig verwundern, macht doch allein die große Bandbreite an Problemursachen - von spezifischen natürlichen Gegebenheiten, vom Einsatz technischer Systeme über ökonomische Fehlallokationen und Unzulänglichkeiten des Rechtssytems bis hin zu bestimmten Konsumgewohnheiten und Lebensstilen - eine die verschiedenen Disziplinen integrierende Analyse unbedingt notwendig. Dennoch verhallt dieser Ruf bislang beinahe ebenso häufig im Alltagsdickicht, stehen doch dem Wunsch nach interdisziplinärem Arbeiten zum Teil sehr unterschiedliche Auffassungen über die dafür erforderlichen methodischen, organisatorischen oder wissenschaftspolitischen Voraussetzungen entgegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Interdisziplinarität im Sinne einer gemeinsamen Problemformulierung und Arbeitskonzipierung in der Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Disziplinen, vor allem zwischen Natur- und Sozialwissenschaften, verstanden wird.

In bezug auf die Frage nach den problemadäquaten wissenschaftlichen Methoden macht sich die Diskussion zunehmend an dem Punkt fest, wo es um die Abwägung von Möglichkeiten und Grenzen der Verwendung computergestützter Simulationsmodelle und ihrer Ergebnisse für die Politikberatung geht. Mit sogenannten Ökonomie/Energie-Modellen, Klima- sowie Klimawirkungsmodellen wird die Wirkungskette "Gesellschaftliche Aktivitäten - Treibhausgasemissionen - Veränderung von Klimaparametern - Wirkungen auf ökologische und sozioökonomische Systeme" untersucht. Von wachsendem Interesse sind dabei die möglichen spezifischen Auswirkungen auf einzelne Länder oder Regionen. Allerdings bestehen in praktisch allen diesen Modellen - seien es naturwissenschaftliche oder sozioökonomische - noch erhebliche Defizite hinsichtlich der notwendigen Eingangsdaten und deren Verarbeitung. Die Gründe sind insbesondere in der mangelnden Datenmenge und -qualität sowie im mangelnden Wissen um die komplexen Zusammenhänge der relevanten Systeme zu suchen. Dementsprechend können Veränderungen in den notwendigen Modellannahmen (etwa in bezug auf sozioökonomische Rahmendaten, Energiepreise oder technischen Fortschritt) oder im Modelldesign zu erheblichen Ergebnisvarianzen führen. All dies wirft letztlich die Frage auf, inwieweit auf diese Weise erzielte Ergebnisse überhaupt zur Verbesserung von Entscheidungsgrundlagen beitragen können und ob nicht wesentlich mehr Vorsicht bei der Interpretation solcher Ergebnis se und daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen angezeigt ist.

Kernfragen der Klimapolitik

Eine wesentliche Herausforderungen heutiger Gesellschaften ist also, daß sie sich des Ausmaßes der verschiedenen Wissensunsicherheiten bewußt werden und Auswege aus dem Dilemma suchen müssen, gleichzeitig konsensfähige, praktikable und legitime bzw. legitimierte Entscheidungen treffen zu müssen. Angesichts der praktisch ubiquitären, wenn auch im einzelnen sehr ungleich verteilten, Verursachung und Betroffenheit von Klimaänderungsfolgen sind solche Entscheidungen - bei denen zunächst die Politik als Akteur angesprochen ist - in bezug auf sehr verschiedene Fragen und auf verschiedenen Ebenen erforderlich. Der Handlungsdruck, dabei auch nach neuen Ansätzen suchen zu müssen, wird nach den bisherigen Erfahrungen in dem Maße zunehmen, wie die Befürchtungen hinsichtlich bestimmter Klimaänderungsfolgen konkretere Form annehmen und wie die Diskrepanz zwischen den von vielen als notwendig erachteten Emissionsminderungen und den aus heutiger Sicht prognostizierten Entwicklungen stärker ins gesellschaftliche Bewußtsein rückt. Dabei besteht eine Konsequenz aus diesem klimathema-spezifischen Druck darin, daß sowohl neue Aspekte in die Debatte gelangen als auch schon länger diskutierte Fragen in neue Richtungen diskutiert werden.

So stellt sich beispielsweise in bezug auf den politischen Meinungs- und Willensbildungsprozeß die Frage nach den Möglichkeiten und notwendigen Voraussetzungen einer frühzeitigen und breiten Einbeziehung betroffener gesellschaftlicher Gruppen in klimapolitische bzw. dafür relevante Entscheidungsprozesse auf den verschiedenen Ebenen. Hier wird beispielsweise zu prüfen sein, inwieweit die schon bekannten bzw. die wenigen, insbesondere auf lokaler Ebene, schon in anderen Zusammenhängen praktizierten Ansätze auch bei der Klimathematik Anwendung finden können.

In der Frage geeigneter klimapolitischer Handlungsstrategien hat sich die Diskussion mittlerweile dahingehend entwickelt, daß es hier weniger um »Entweder-Oder«-Entscheidungen gehen kann als vielmehr um situationsangepaßte Kombinationen beispielsweise zwischen Problemminderungs- und Problemanpassungsstrategien oder zwischen technischen Lösungsansätzen und Veränderungen gesellschaftlicher Entwicklungsmuster, Strukturen oder Lebensstile. Der gerade für die Klimathematik besonders relevante Energiebereich ist dabei allerdings ein Beispiel für die begrenzte Stabilität und Tragfähigkeit solcher Überlegungen in der Realität. Zwar wird jetzt wieder zunehmend - wie schon erstmals in den 1970er Jahren - die Frage nach weniger ressourcen- bzw. energie-intensiven Lebensstilen gestellt. Ungeachtet dessen werden jedoch letztlich nach wie vor die unmittelbaren (Investitions)Kosten und sonstige ökonomische Folgewirkungen bzw. -kosten als Hauptkriterien bei Entscheidungen über entsprechende Maßnahmen verwendet. Ökologische oder soziale (Folge)Kosten sollen hier zwar im Prinzip auch Berücksichtigung finden, über die Frage der grundsätzlichen Möglichkeit ihrer Ermittlung sowie über die angemessenen Methoden hierfür bestehen allerdings erhebliche Kontroversen. In Verbindung mit anderen Faktoren führt dies im Ergebnis dazu, daß bei der Klimaproblematik eine besonders große Diskrepanz zwischen politischen Absichtserklärungen und realen Umsetzungsanstrengungen festzustellen ist. Darin ist wohl derzeit das zentrale Dilemma der Klimapolitik zu sehen.

Im Hinblick auf die Frage geeigneter Instrumente zur Umsetzung bestimmter Strategien sind mit der Klimathematik einige veränderte Facetten in die Debatte gekommen. Zwar wird auch hier die schon hinlänglich bekannte Palette ordnungsrechtlicher und marktwirtschaftlicher Instrumente diskutiert, vielfach in den aus anderen Umweltdebatten ebenso bekannten Frontlinien. Ohne die Schubwirkung der Klimadebatte wären jedoch wohl Themen wie die Energiesteuer oder eine grundlegende ökologische Steuerreform nicht oder zumindest nicht in dem derzeit beobachtbaren Maß auf die politische Tagesordnung gelangt. Mit der derzeitigen Prioritätensetzung zu Gunsten der ökonomischen Effizienz der Klimapolitik ist auch die Mitte der 1980er Jahre begonnene und zwischenzeitlich wieder in den Hintergrund gerückte Diskussion um die sogenannten neuen marktwirtschaftlichen Instrumente wie Emissionszertifikate oder Kompensationslösungen wieder intensiviert worden. Schließlich ist angesichts der Globalität der Problematik mit dem »Joint implementation«-Ansatz auch ein ganz neuer Instrumententyp entstanden, dessen Kernelement in der Kooperation zweier oder mehrerer Staaten bei der Umsetzung von Emissionsreduktionen liegt. Allerdings wird bei all diesen Instrumenten teilweise noch sehr kontrovers über deren generelle Validität und über mögliche Formen ihrer konkreten Ausgestaltung diskutiert.

Angesichts der Globalität und der drohenden Kostendimension der Klimaproblematik erfährt auch die Frage nach der nationalen und vor allem der internationalen Verteilung von Verantwortung und Lasten in bezug auf politische Maßnahmen eine deutliche Zuspitzung. Die Entwicklungsländer weisen hier den prioritären Handlungs(d. h. Emissionsreduktions)bedarf den für die Probleme bislang überwiegend verantwortlichen Industriestaaten zu. Diese wiederum sehen unter dem Gesichtspunkt der Kosteneffizienz die größten Reduktionspotentiale in den Entwicklungsländern und den Staaten des ehemaligen Ostblocks, wo tatsächlich meist noch wesentlich ineffizienter produziert wird. Inwieweit deswegen den ärmeren Staaten finanzielle Hilfen für erforderliche Investitionen oder zum Ausgleich rückläufiger Rohstoffexporteinnahmen gewährt werden sollen, ist zu einem wichtigen und umstrittenen Punkt in den internationalen Verhandlungen zur Umsetzung der Klimarahmenkonvention geworden. Auf nationaler Ebene steht die Frage im Vordergrund, in welchem Umfang verschiedene Akteursgruppen, Sektoren oder Branchen durch welche Maßnahmen belastet werden sollen oder können. Erfahrungsgemäß ist hier das, was dann tatsächlich umgesetzt wird, in erheblichem Maße abhängig von Art und Umfang des Einflusses der verschiedenen Interessengruppen auf Entscheidungsträger und -prozesse.

Schließlich spielen bei der Frage nach geeigneten Handlungsstrategien auch die Beziehungen zwischen den Handlungsebenen eine Rolle. Beispielsweise offenbart sich gerade im Zusammenhang mit der Klimaproblematik ein nur schwer auflösbares Dilemma der Politik zwischen der Einsicht in die Notwendigkeit internationaler Gremien für die Strategiekonzipierung oder -implementierung und der prinzipiellen Abneigung gegen die mit solchen Gremien notwendigerweise einhergehende Einschränkung nationaler Entscheidungssouveränitäten. Das sehr schleppende Vorankommen der internationalen Verhandlungen zur Umsetzung der Klimarahmenkonvention ist ein Beleg für die Richtigkeit dieser These. Auch im Verhältnis zwischen lokaler und nationaler Ebene bestehen erfolgsbeeinträchtigende Friktionen. So zeigen sich, trotz wachsender Bedeutung der Kommunen in Sachen Klimaschutzpolitik, in der Praxis Konflikte vor allem dort, wo Abhängigkeiten in bezug auf die Vergabe knapper Finanzmittel oder Sach- und Kompetenzfragen bestehen. Tatsächlich werden nicht selten kommunale Klimaschutzbemühungen durch bestimmte nationale Politikmuster, etwa im Verkehrs- oder im Energiebereich, behindert oder sogar konterkariert. Es wird daher künftig auch darum gehen müssen, eine besser zwischen den verschiedenen Gebietskörperschaften abgestimmte Politik zu praktizieren, damit politische Ziele mit weniger Friktionen als bislang umgesetzt werden können.

Insgesamt gesehen, deuten also einige Anzeichen darauf hin, daß die Klimaproblematik in ihrer vielfach neuen Dimension auch eine neue Dimension in die politische, wissenschaftliche und öffentliche Diskussion über umweltpolitische Strategien und Instrumente wie auch über Methoden, Strukturen und Organisationsfragen in der Wissenschaft eingebracht hat. In diesem "Neuland" liegt sicher einerseits die Chance für eine - nicht zuletzt problemdruck-induzierte - Neuorientierung in Wissenschaft und Politik. Hierfür stünde beispielsweise die Suche nach der "richtigen" Mischung aus einer eher naturwissenschaftlichen Klimaforschung, die die bestehenden Klimaprognoseunsicherheiten zu verringern versucht, und einer Klimawirkungsforschung, die im interdisziplinären Zusammenspiel von Natur- und Sozialwissenschaften einen adäquaten Umgang mit den verschiedenen Unsicherheiten oder gesellschaftlichen Konfliktsituationen ermöglicht. Die Entwicklung gesellschaftlich akzeptierter und praktikabler Handlungsstrategien dürfte wohl nur auf eine solche Weise möglich sein.

Andererseits ist aber auch das Risiko einer weiteren Blockade der ohnehin schon kontroversen und nur wenig vorankommenden umweltpolitischen Diskussion nicht zu übersehen. Entwicklung und Stand der Debatte sowohl im IPCC und in den Folgeverhandlungen zur Umsetzung der Klimarahmenkonvention wie auch in vielen Ländern zeigen, daß die vorhandenen Divergenzen der Interessen und der konzeptionellen bzw. methodischen Vorstellungen gerade in einer Zeit ökonomischer Umbruchs-, Stagnations- oder gar Rezessionsphasen nur wenig Bewegung in der Klimapolitik zulassen. Deutlich wird diese Lähmung nicht zuletzt in der aktuellen Debatte um den "Standort Deutschland", in der insbesondere von seiten der Industrie immer häufiger und immer nachdrücklicher eine "Atempause in der Umweltpolitik" gefordert wird, um damit einen vermeintlichen Faktor der wachsenden Kostenbelastung der Unternehmen zu reduzieren. Klimapolitik steht natürlich besonders dort im Schußfeld dieser Argumentation, wo sie tatsächlich - zunächst - zusätzliche Kosten verursachen und wo sie Veränderungen in gesellschaftlichen Strukturen und Lebensstilen implizieren würde.

Es wird daher angesichts der skizzierten Gegebenheiten darauf ankommen, im notwendigen Wechselspiel zwischen Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit die Chancen einer Neuorientierung zu nutzen, diese in politische Gestaltung umzusetzen und dabei die Risiken und die unterschiedlichen Konflikte zwischen Positionen bzw. Akteursgruppen zu handhabbaren Größenordnungen zu entschärfen.

Die Vielfalt der angesprochenen Aspekte der Klimathematik bildet zugleich den Hintergrund wie auch den Untersuchungsgegenstand des vorliegenden Buchs. In sechs Beiträgen wird das "Risiko Klima" in seinen verschiedenen Ausprägungen und seiner wissenschaftlichen und politischen Dimension aus unterschiedlichen Blickwinkeln behandelt. Diese unterschiedlichen Perspektiven ergeben sich zunächst schon aus den unterschiedlichen disziplinären Hintergründen der Autoren: der Meteorologie, Soziologie, Ökonomie, Politologie, Physik und der Rechtswissenschaft. In jedem der Beiträge wird jedoch versucht, den Blick im Interesse einer angemessenen Themenbehandlung möglichst weit über den Tellerrand der eigenen Disziplin hinaus schweifen zu lassen. Es sind dabei vor allem zwei quasi übergeordnete Perspektiven, unter denen das Thema erörtert wird: die wissens- bzw. wissenschaftssoziologische, die die ersten drei Beiträge prägt, und die politisch-ökonomische, die in den drei letzten Beiträgen dominiert. Dabei wird immer wieder deutlich, daß beide Perspektiven eigentlich nicht voneinander zu trennen sind, sondern in einem vielfältigen, teilweise Komplementaritäts-, teilweise Spannungsverhältnis stehen. Dies drückt sich beispielsweise dadurch aus, daß eine ständig kritisch zu hinterfragende Wissenschaft als Stichwort- und Ratgeber der Politik für adäquate Umsetzungsstrategien ebenso unerläßlich ist wie eine politisch-gesellschaftliche Festlegung von Rahmenbedingungen und Zielvorgaben für die Wissenschaft.

Im ersten Beitrag beschreibt und kommentiert Gerhard Sardemann die Entstehung und Entwicklung der naturwissenschaftlichen Debatte um den anthropogenen Anteil am sogenannten Treibhauseffekt sowie den aktuellen Stand des Wissens dazu. Er beleuchtet dabei die derzeit in der Diskussion befindlichen Aussagen und Klimaprognosen, die auf den verschiedenen in den USA, in Großbritannien und in Deutschland verwendeten Theorien und Klimamodell-Typen basieren. Hieraus wird auch deutlich, wie in diesen Modellansätzen in unterschiedlicher Weise die vorhandenen Wissensunsicherheiten und -lücken reflektiert werden. Schließlich benennt er die aus heutiger Sicht weiterhin bestehenden Unsicherheiten bei der Beschreibung des Klimasystems und seiner Veränderungen, wie sie im neuesten Assessment-Report des IPCC aufgeführt worden sind, und deren Auswirkungen auf die grundsätzliche Möglichkeit einer "sicheren" Klimaprognose in der Zukunft.

Im Anschluß daran beschäftigen sich Günter Frederichs und Gotthard Bechmann mit dem Verhältnis zwischen Natur- und Sozialwissenschaften im Rahmen der Klimawirkungsforschung. Sie richten dabei ihr Augenmerk vor allem auf die Folgen dieses Verhältnisses für die Qualität und die Funktion wissenschaftlicher Aussagen in diesem Bereich und auf die Möglichkeiten, durch modifizierte Ansätze bessere Ergebnisse zu erzielen. Die bisherige Praxis der Global-Change-Forschung, die häufig durch Subsidiarität der Sozial- gegenüber den Naturwissenschaften gekennzeichnet ist, wird von den Autoren kritisiert. Sie zeigen, daß diese Vorgehensweise speziell im Fall der Klimaproblematik und der internationalen Verhandlungen über politische Maßnahmen angesichts der vielfältigen Unsicherheiten und Gruppeninteressen an Grenzen stößt. Dem üblichen "dezisionistischen" arbeitsteiligen Modell aus wissenschaftlicher Wissensproduktion (d. h. die Naturwissenschaften liefern die "Fakten"), naturwissenschaftlicher Wirkungsforschung und sozialwissenschaftlicher Strategieanalyse und -diskussion stellen die Autoren das sogenannte "kommunikative Wissenschaftsmodell" gegenüber. Wesentliche Charakteristika eines solchen Modells sind vor allem Selbstreflexion, Offenheit auch für nicht-wissenschaftliche Wissens- und Deutungssysteme oder Methoden, die Berücksichtigung spezifischer Interessenkonstellationen sowie Interdisziplinarität zwischen Natur- und Sozialwissenschaften, die schon bei der Formulierung von Forschungsfragen und der Konzipierung der Arbeiten beginnen muß. Für die Realisierung eines solchen Modells benennen die Autoren einige essentielle Voraussetzungen, die eine zumindest teilweise Abkehr von lange Zeit eingeübten Wissenschaftsauffassungen erfordern würden.

Gotthard Bechmann und Silke Beck stellen dann in ihrem im Schnittfeld von Soziologie, Politologie und Sozialpsychologie liegenden Beitrag zunächst die Frage, wie und weswegen die Klimaproblematik seit Mitte der 1980er Jahre in vergleichsweise kurzer Zeit zumindest innerhalb der Umweltthemenpalette einen derart hohen Stellenwert in der öffentlichen Diskussion und hohe politische Priorität erhalten konnte. Anhand einer Beschreibung der Themengenese und -entwicklung, der Problemdefinitionsprozesse sowie der akteursspezifischen Wahrnehmungen wird untersucht, welche Handlungsspielräume und Einflußmöglichkeiten die verschiedenen Akteure aus Politik, Wissenschaft, Verwaltung oder Öffentlichkeit (insbesondere Medien) in diesem Prozeß hatten und haben, welche Rolle die Unsicherheitskomponente dabei spielt und welche Auswirkungen dies auf Verlauf und Ergebnisse von Entscheidungsprozessen hat. Es zeigt sich, daß Klimawandel kein einheitlich wahrgenommenes, sondern ein multiperspektivisches Phänomen ist, abhängig u. a. von kognitiven Einsichten, kulturellen Wertvorstellungen oder spezifischen Interessenlagen. Die Autoren zeigen, daß die daraus resultierende Konstruiertheit des Begriffs des (anthropogenen) Klimawandels und die Unsicherheiten der Klimawirkungsforschung das Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaft und Politik in besonderem Maße hervortreten lassen. Dies offenbart sich auf der einen Seite in einer zunehmenden Politisierung, aber auch Polarisierung der wissenschaftlichen Diskussion, hervorgerufen durch den Erwartungsdruck seitens der Politik die Wissenschaft und die interessenabhängige Instrumentalisierung der Wissenschaft durch die Politik. Auf der anderen Seite ist eine wachsende Verwissenschaftlichung politischer Entscheidungsprozesse zu beobachten: Die Klima- oder auch die Ozonthematik sind erst durch die Wissenschaft bzw. durch einige aktive Wissenschaftler zu öffentlichen und politischen Themen geworden. Für die Politikformulierung erhalten damit das verfügbare und vor allem auch das nicht verfügbare wissenschaftliche Wissen einen neuen Stellenwert als Entscheidungsgrundlage.

In den drei folgenden Beiträgen wird eine Beschreibung und kritische Analyse der bisherigen nationalen und internationalen klimapolitischen Praxis, der künftigen Probleme und Perspektiven sowie der klimapolitischen Verhandlungsrealitäten auf der globalen Ebene vorgenommen. Reinhard Coenen setzt sich in seinem Beitrag mit der 1992 anläßlich der UNCED-Konferenz in Rio von der internationalen Staatengemeinschaft verabschiedeten Klimarahmenkonvention auseinander, die nach rund 15 Jahren verschiedenster Verhandlungen einen vorläufigen Fixpunkt der internationalen Klimapolitik darstellt. Er beschreibt zunächst den Weg zur Konvention, um dann detailliert auf Wesen, Elemente und Prinzipien dieses Vertragswerks sowie die darin festgeschriebenen, teils gemeinsamen und teils unterschiedlichen Verpflichtungen der verschiedenen Vertragsparteien einzugehen. Anschließend arbeitet er die wesentlichen Streitpunkte in den bisherigen Folgeverhandlungen zur Umsetzung der Konvention heraus, die nicht zuletzt um die Angemessenheit dieser Verpflichtungen, aber auch etwa um Fragen der Verhandlungsgeschäftsordnungen kreisen. Er zeigt auf, welche Auswirkungen die zum Teil erheblichen Unterschiede in den Verhandlungspositionen verschiedener Länder oder Ländergruppen auf Verlauf und Ergebnisse der Verhandlungen bei der ersten und zweiten Vertragsstaatenkonferenz 1995 in Berlin und 1996 in Genf hatte. Die Betonung des Autors, daß besonders die internationale Klima- (wie auch generell die Umwelt-)Politik immer inkrementelle - d. h. nur in kleinen Schritten vorwärtskommende - Politik sein wird, ist logische Konsequenz seiner Ausführungen. Dieser sehr vorsichtige Optimismus prägt auch die abschließende Betrachtung der Perspektiven für die Formulierung eines konkreten Klimaschutzprotokolls noch bis zur nächsten Vertragsstaatenkonferenz Ende 1997 in Japan. Nicht zu unterschätzende Hindernisse stellen sich hier in Form unterschiedlicher Rezeptionen der Ergebnisse des neuesten IPCC-Assessment-Reports sowie unterschiedlicher Positionen zu spezifischen Emissionsbegrenzungs- oder Reduktionszielen, Maßnahmen und Zeitrahmen dafür in den Weg.

Torsten Fleischer beleuchtet in seinem Beitrag zur bundesdeutschen Klimapolitik zunächst die historische Entwicklung und den Status quo in bezug auf die Treibhausgasemissionen in Deutschland mit Blick auf die einzelnen Sektoren sowie die Unterschiede zwischen den alten und neuen Bundesländern. Ausgehend von der derzeitigen Beschlußlage der Bundesregierung zur Reduktion der energiebedingten Treibhausgasemissionen und einigen grundsätzlichen Überlegungen zu Vor- und Nachteilen möglicher politischer Umsetzungsinstrumente diskutiert der Autor das aktuelle nationale Minderungsprogramm der Bundesregierung. Aus diesem Bündel von mehr als hundert Einzelmaßnahmen stellt er für einige der wichtigsten (z. B. Wärmeschutz- und Wärmenutzungsverordnung, CO2-/Energiesteuer, ökologische Steuerreform, freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie) den aktuellen Diskussionsstand - auch im Rahmen der EU - dar. Vor diesem Hintergrund fällt er schließlich - in Verbindung mit der Beschreibung der wesentlichen Determinanten der Emissionsentwicklung und Szenarien der bundesdeutschen Klima-Enquetekommission zur Entwicklung der CO2-Emissionen bis zum Jahr 2005 - ein recht kritisches Urteil zu Konzept und Perspektive der bundesdeutschen Klimapolitik.

Der letzte Beitrag, von Jürgen Kopfmüller, widmet sich insbesondere den globalen Aspekten der Klimathematik. Er beschreibt zunächst die im Vergleich zu anderen Umweltproblemen neuartigen Dimensionen der Klimaproblematik anhand einiger Charakteristika wie Globalität, Existentialität, Kosten oder wissenschaftliche Unsicherheiten, die letztlich in der Diskussion um politische Maßnahmen eine wesentliche Rolle spielen. Für den als Emissionsursache deutlich dominierenden Energiebereich beschreibt er dessen generelle Beeinflussungsfaktoren und ihre zeitliche Entwicklung sowie räumliche Differenzierung und macht die sich daraus ergebende Perspektive bzw. Herausforderung für die Zukunft deutlich. Vor diesem Hintergrund diskutiert er dann Notwendigkeiten, Möglichkeiten, Grenzen und Hindernisse klimapolitischer Handlungsstrategien angesichts bisheriger Erfahrungen und erwarteter Entwicklungen: Veränderungen sozioökonomischer oder politischer Parameter, spezifische globale Macht- und Interessenkonstellationen wie auch die vom Autor deutlich herausgearbeitete Begrenztheit technischer Problemlösungsansätze spielen dabei für die Perspektive einer adäquaten künftigen Klimapolitik eine wichtige Rolle. Aus dem Kontext der aktuellen Diskussion um Begriff und Inhalte der gesellschaftlichen Leitidee des "Sustainable Development" heraus präsentiert der Autor einige Kernelemente einer solchen Politik. Abschließend stellt er einen in verschiedenen Kernpunkten neuartigen klimapolitischen Instrumentenansatz für Deutschland zur Diskussion.

Natürlich können im Rahmen dieses Buches nicht alle Aspekte und Perspektiven des Themas behandelt und die behandelten Fragen in ihrer ganzen Breite dargelegt werden. Unabhängig davon, besteht das Hauptanliegen darin, in der Gesamtschau der einzelnen Beiträge die inhaltlichen Bezüge der verschiedenen Teilaspekte aufzuzeigen. Um adäquat handeln zu können, muß den wechselseitigen Verknüpfungen und Abhängigkeiten zwischen klimatischen Entwicklungen und ihrer Prognostizierbarkeit, der gesellschaftlichen Wahrnehmung und Verarbeitung der Thematik sowie realisierbaren Handlungsstrategien Rechnung getragen werden. Hierfür ist es notwendig, daß das Spannungsfeld zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit - trotz mancher vielleicht unauflösbarer Spannungslinien - bis zu einem gewissen Grad auch ein Kooperationsfeld zwischen diesen Akteursgruppen wird. Eine Quintessenz aus den sechs Beiträgen ist daher, daß die Notwendigkeit des Handelns unter Unsicherheit nicht als Vorwand für Untätigkeit oder für eine Vorgehensweise nach dem Motto "weiter so" dienen darf, sondern in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit als Herausforderung und Ansporn zu betrachten ist, gemeinsam nach neuen Ansätzen in der Auseinandersetzung mit der Klimaproblematik zu suchen und diese auch umzusetzen.