Der Topos der Information in den Lebenswissenschaften am Beispiel der Biosemiotik und der Synthetischen Biologie

  • Projektteam:

    Frank, Daniel (Dissertation)

  • Starttermin:

    2012

  • Endtermin:

    2018

  • Forschungsgruppe:

    Innovationsprozesse und Technikfolgen

Projektbeschreibung

In den heutigen Biowissenschaften sind der Informationsbegriff und sein verwandtes semantisches Feld omnipräsent. Nicht nur, wenn davon die Rede ist, dass die DNA unsere genetische Information enthält, sondern auch wenn davon gesprochen wird, dass Bakterien untereinander kommunizieren, Zellen Signale übermitteln oder Biotechnologen Organismen umprogrammieren, wird ein ganzer Topos der Information aufgerufen. Häufig handelt es sich dabei jedoch nicht um theoretische Terme, sondern um alltagssprachliche Begriffe, die je nach Kontext zum Teil in sehr diverser Weise Verwendung finden. Dies ist nicht zuletzt dadurch bedingt, dass die Biowissenschaften in ihren Methoden, theoretischen Grundannahmen und Erkenntniszielen heterogen sind.

Das Dissertationsprojekt stellt mit der Biosemiotik und der Synthetischen Biologie zwei unterschiedliche, verhältnismäßig junge lebenswissenschaftliche Ansätze einander gegenüber, die in zwei unterschiedlichen Traditionen biologischer Forschung verwurzelt sind. Dabei unterscheiden sich die beiden Ansätze zum Teil fundamental in ihren (metaphysischen) Grundannahmen, weshalb man begründet von unterschiedlichen Paradigmen der Biologie sprechen kann.

Einerseits können die beiden untersuchten Felder zwar eher als Randphänomene der Biowissenschaften gelten. Andererseits können gerade an solchen Extrempositionen jedoch allgemeine Tendenzen der Lebenswissenschaften, wie unter einem Brennglas, fokussiert betrachtet werden. Denn der Topos der Information ist in beiden Feldern auf sehr unterschiedliche Weise von zentraler Bedeutung.

Aus historischer Perspektive wird in dem Projekt die Entstehung der beiden genannten Paradigmen exemplarisch an zwei prominenten Vordenkern zum Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts untersucht. Während der Physiologe Jacques Loeb sein Wissenschaftsideal am Ingenieursdenken orientierte und somit als Vorläufer der Synthetischen Biologie gesehen werden kann, gilt Jakob von Uexkülls Umweltlehre als wichtige Quelle der späteren Biosemiotik. Es soll gezeigt werden, wie beide Sichtweisen schließlich in gewisser Weise im kybernetischen Denken konvergieren, da hier einerseits erkannt wurde, dass auf teleologische Redeformen in kybernetischen Systemen nicht verzichtet werden kann, andererseits aber versucht wurde zu zeigen, dass sich diese naturalisieren bzw. reduzieren lassen. Dreh- und Angelpunkt dieser Überlegungen bildet das informationale Denken und das gesamte damit einhergehende semantische Feld, das spätestens ab den 1940er Jahren sukzessive die Biologie zu durchdringen begann. Zunächst unabhängig von kybernetischen Ansätzen sickerte das informationale Denken nahezu zeitgleich aber auch über die Genetik und die aufkommende Molekularbiologie in die Biowissenschaften ein, wie das Projekt aufzeigt.

Anschließend werden in dem Projekt die beiden Paradigmen, das der Synthetischen Biologie als Technowissenschaft und das der nichtreduktionistischen und nichtphysikalistischen Biosemiotik in ihren Grundannahmen aufgearbeitet und im Hinblick auf ihre unterschiedlichen Genbegriffe verglichen.

Aus wissenschaftsphilosophischer Perspektive wird das Projekt den Erklärungsanspruch von Synthetischer Biologie und Biosemiotik thematisieren. Hierfür werden unterschiedliche Ansätze von Erklärungen in der Wissenschaft allgemein, sowie in den Lebenswissenschaften im Speziellen vorgestellt. Besonderes Augenmerk soll in diesem Kontext auf die Erklärungsleistung von Metaphern, Analogien und Modellen geworfen werden, was im Rückgriff auf die Ansätze der Methodischen Philosophie analysiert wird. Die erarbeiteten Betrachtungen zum wissenschaftlichen Erklären werden genutzt, um eine Kritik der Erklärungsansprüche der Synthetischen Biologie und der Biosemiotik in Bezug auf ihren jeweiligen Informationsbegriff vorzunehmen.

Administrative Daten

Referent: Prof. Dr. Dr. Mathias Gutmann (KIT)
Koreferent: Prof. Dr. Klaus Wiegerling
Doktoranden bei ITAS: siehe Promovieren am ITAS

Kontakt

Daniel Frank, M.A.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Postfach 3640
76021 Karlsruhe