FZKA-Bericht Nr. 7337 von Torsten Fleischer und Christiane Quendt zum Thema "Bürger diskutieren über synthetische Nanopartikel" erschienen [14.11.2007]

Wo sind sie im Alltag Produkten mit Nanopartikeln schon einmal begegnet? Welche Chancen und Risiken sehen Sie für sich persönlich durch den Einsatz von Nanopartikeln? Was muss passieren, damit Sie das Gefühl haben, gut informiert mit Nanopartikeln in verschiedenen Produkten umzugehen? Wenn Sie sich vertieft über dieses Thema informieren wollen, wie machen Sie das? Diese und andere Fragen diskutierten Torsten Fleischer und Christiane Quendt Anfang 2007 im Rahmen von zwei Fokusgruppen-Veranstaltungen mit rund 30 zufällig ausgewählten Bürgern der Stadt Karlsruhe. Die Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Treffen liegt jetzt als FZKA-Bericht 7337 "Unsichtbar und unendlich. Bürgerperspektiven auf Nanopartikel" vor.

Die empirische Forschung über die Wahrnehmung von und die Haltung der Öffentlichkeit zur Nanotechnologie im Allgemeinen und zu Nanopartikeln als ein wichtiges Element davon im Besonderen steht, gerade auch in Deutschland, erst am Anfang. Quantitative Verfahren wie Meinungsumfragen stoßen gerade bei jungen Technologien schnell an Grenzen. In Fokusgruppeninterviews, einer auch als moderierte Gruppeninterviews bezeichneten Methode der qualitativen Sozialforschung, können Teilnehmer in der Diskussion mit Anderen ihre Meinungen austauschen und ihre eigenen Sichtweisen zur Debatte stellen. Auf diese Weise wird in einer alltagsähnlichen Situation ein breites Spektrum von Positionen deutlich und deren Bezüge und Hintergründe besser verständlich.

Im Rahmen der lebhaften und spannenden Veranstaltungen, in die die meisten Teilnehmer mit wenig Vorwissen, aber großer Offenheit und Neugier kamen, äußerten viele, bisher wenig Bezug zum Thema "Nano" gehabt oder auch nur davon gehört zu haben. Konkrete "Nano"-Produkte waren den wenigsten bisher im Alltag aufgefallen. Gefragt nach Chancen, die sich durch den Einsatz von synthetischen Nanopartikeln in Zukunft erschließen lassen würden, wurden vor allem Beispiele aus den Bereichen Medizin, Energie und Umwelt sowie "Alltagserleichterungen" genannt. Im Gespräch über wahrgenommene Gefahren spielten Produktkategorien nur eine Nebenrolle, als einziges hier explizit genannt wurde die Verwendung in Lebensmitteln. Zwischen Nanopartikeln, dem eigentlichen Diskussionsgegenstand, und Nanotechnologie wurde dabei in den Antworten kaum differenziert.

Während die meisten Teilnehmer Forschung zur Nanotechnologie nahezu uneingeschränkt befürworteten - fast alle sprachen sich gegen ein Forschungsmoratorium aus -, problematisierten etliche zugleich eine "unreflektierte Kommerzialisierung", eine Markteinführung unzureichend getesteter Produkte aus ökonomischem Interesse oder unter wirtschaftlichem Druck. In der Gesamtschau überwog bei der Mehrheit der Teilnehmer trotz aller Skepsis im Detail eindeutig eine positive Grundhaltung. Dies kann jedoch nicht gleichgesetzt werden mit einer allgemein wohlwollenden, undifferenzierten Position. Vielmehr wurden in der vertiefenden Diskussion auch Einschränkungen und Abwägungen in Abhängigkeit von den Anwendungen deutlich. Häufig nahmen die Teilnehmer hier in einer Art Analogieschluss Rekurs auf (eigene) Erfahrungen mit "Problemtechniken".

Die befragten Personen stellten ihre Positionen fast immer aus Sicht von Verbrauchern dar, die Kaufentscheidungen über Produkte treffen müssen. In direkter Konsequenz daraus waren sie nicht abstrakt an allgemeinem Wissen über Nanotechnologie-Anwendungen interessiert, sondern fragen die entsprechenden Informationen nach Bedarf und an einen konkreten Zweck gebunden nach. Insgesamt fühlten sich die Diskussionsteilnehmer allerdings nur unzureichend informiert und gaben auch an, bei eigenen Recherchen kaum oder keine geeignete Information gefunden zu haben. Dabei betonten sie immer wieder, dass sie transparenten, ausgewogenen Informationen über den Stand des Wissens und der Forschung zu Nanomaterialien und deren Chancen und Risiken den Vorzug gegenüber bewertend interpretierenden Informationen geben würden. Sie sähen sich als mündige Bürger durchaus in der Lage, anhand verständlicher Informationen eine subjektive Bewertung verschiedener "Nano"-Anwendungen in ihrem jeweiligen Verwendungskontext vornehmen zu können. Hilfreich wären dabei aus Sicht der Teilnehmer sowohl unabhängige Produkttests als auch Informationen zur Risikoabschätzung synthetischer Nanopartikel. Verbraucher wüssten um die Grenzen sicherer Erkenntnisse und akzeptierten, dass die Forschung und die Entwicklung neuer Technologien mit Unsicherheiten verbunden seien. Sie erwarten aber von Wissenschaft und Wirtschaft einen verantwortungsvollen Umgang sowohl mit Wissen als auch mit Nichtwissen, der sich auch durch eine transparente und offene Kommunikation auszeichnet. Als sehr wichtig wurde zudem eine Kennzeichnung von Produkten mit synthetischen Nanopartikeln angesehen.

Bibliographische Angaben:
Torsten Fleischer, Christiane Quendt
'Unsichtbar und unendlich' - Bürgerperspektiven auf Nanopartikel. Ergebnisse zweier Fokusgruppen-Veranstaltungen in Karlsruhe.
Karlsruhe: Forschungszentrum Karlsruhe 2007 (Wissenschaftliche Berichte, FZKA 7337), 68 Seiten

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