Dissertation von Andrea Brinckmann zur Geschichte der Studiengruppe für Systemforschung [16.02.2005]

Am 12. Januar 2005 ist am Fachbereich Sozialwissenschaften der Hamburger Universität mit der mündlichen Prüfung das Promotionsverfahren der Historikerin Andrea Brinckmann beendet worden. Frau Brinckmann war von 2000 - 2004 am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Forschungszentrums Karlsruhe als Doktorandin beschäftigt. Während dieser Zeit erarbeitete sie eine Dissertation zum Thema „Zur Entwicklung von Systemforschung und Politikberatung in der Bundesrepublik Deutschland: Die Heidelberger Studiengruppe für Systemforschung zwischen 1958 und 1975“. Ein Teil der „Studiengruppe“ wurde im Jahr 1975 am damaligen Kernforschungszentrum in das Institut für angewandte Systemanalyse und Reaktorphysik integriert, aus dem über Zwischenschritte das heutige ITAS hervorging. Die Dissertation stellt deshalb auch einen Beitrag zur Vorgeschichte des ITAS dar, dessen Institutsprofil weiterhin vom Ansatz einer problemorientierten, interdisziplinären und systemanalytischen Forschungskonzeption seiner Vorgänger bestimmt wird.

Die Studiengruppe für Systemforschung (SfS) orientierte sich in der Organisationsform an amerikanischen Nonprofit-Forschungs- und Beratungsgesellschaften. Sie beriet zunächst hauptsächlich das Forschungsministerium, das sich damals noch im Aufbau befand, in Fragen der Forschungsplanung und -organisation. Seit Mitte der 1960er Jahre führte sie darüber hinaus mehrere Systemanalysen im politisch-administrativen Bereich durch. Im Demokratisierungsprozess der Bundesrepublik übte die „Studiengruppe“ Schrittmacherfunktion aus: Als am Ende der Dekade eine Phase politischer Planungseuphorie einsetzte, hatten die Mitglieder der Gruppe bereits seit zehn Jahren kontinuierlich auf die Notwendigkeit vorausschauender staatlicher Maßnahmen im Bereich von Forschung und Entwicklung hingewiesen. Forschungspolitische Grundaufgaben sollten dabei an demokratisch bestimmten Wertvorstellungen und Zielsetzungen, an sozialer Sicherung und humanitärer Technikgestaltung orientiert sein. Damit übernahm die Gruppe die Rolle, als Erste für die bundesrepublikanische Forschungs- und Wissenschaftslandschaft die Konsequenzen des technisch-wissenschaftlichen Wandels zu reflektieren, sie einer öffentlichen Diskussion zugänglich zu machen und daraus konkrete politische Forderungen abzuleiten.

Die am Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Hamburger sozialwissenschaftlichen Fakultät vorgelegte Untersuchung hat für die Darstellung von Entstehung und Aufgaben der Heidelberger „Studiengruppe“ und die Analyse ihrer Ziele und Funktion historisch-politische, wissenschaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen einbezogen. So konnten Einflussgrößen und Wechselwirkungen mit der wissenschaftlichen und politisch-gesellschaftlichen Umwelt aufgezeigt werden, die für die Gründung, die Arbeitsfelder und die Auflösung der Gruppe von Bedeutung waren.

Andrea Brinckmann ging unter anderem der Frage nach, unter welchen Bedingungen die Studiengruppe für Systemforschung in einem institutionell festgelegten Kooperationsrahmen ihr spezifisches Beratungskonzept realisierte. Darüber hinaus wurden Ansprüche und Schwierigkeiten, die das Verhältnis zwischen den Mitgliedern des Heidelberger Instituts und den Akteuren im politisch-administrativen Raum bestimmten, einer genaueren Analyse unterzogen.

Erstbetreuer der Dissertation war der Hamburger Technikhistoriker Prof. Dr. Ulrich Troitzsch, Emeritus. Als Zweitgutachter fungierte der Technikwissenschaftler Professor Dr. Gerhard Banse, wissenschaftlicher Mitarbeiter am ITAS, zurzeit an das ALI - Fraunhofer Anwendungszentrum für Logistiksystemplanung und Informationssysteme an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus delegiert. Derzeit wird die Veröffentlichung der Dissertation vorbereitet.